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Diesem deutschen Prinzen kauft die Post ein riesiges Stück Wald ab

Diesem deutschen Prinzen kauft die Schweizer Post ein riesiges Stück Wald ab

Jetzt ist klar, wer der Schweizer Post ermöglicht, in Thüringen ein 2500 Hektaren Wald zu kaufen: Es ist ein Prinz namens Michael von Sachsen-Weimar-Eisenach. Wie kam es dazu? Die Geschichte eines mehrfach schwierigen Erbes.
05.08.2023, 14:57
Christian Mensch / ch media
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Prinz Michael von Sachsen-Weimar-Eisenach erhielt nach dem Ende der DDR seinen Familien-Wald zurück.
Prinz Michael von Sachsen-Weimar-Eisenach erhielt nach dem Ende der DDR seinen Familien-Wald zurück.Bild: Imago

Auf der Jagd hat das Geschäft seinen Anfang genommen. Prinz Michael von Sachsen-Weimar-Eisenach, 77, erzählte von seinem Wunsch der vorzeitigen Erbbereinigung. Seine einzige Tochter, Prinzessin Leonie, sollte sich dereinst nicht mit dem Zillbacher Forst abmühen müssen. Mit 2400 Hektaren ist dieser eines der grössten privaten Waldgebiete Thüringens.

Am 24. Juli verkündete die Post den Kauf eines Waldstücks – ohne allerdings den Namen des Verkäufers zu nennen. Diesen machte die «Südthüringer Zeitung» publik, die gleichzeitig eine Mitteilung der Grossherzoglichen Sächsischen Forstverwaltung OHG erhalten hat. Die angegebene Kontaktperson: Eigentümer Prinz Michael.

Der Zufall habe es gewollt, so erzählt Prinz Michael nun im Gespräch mit der «Schweiz am Wochenende», dass seine Verkaufsabsicht über Berater der Schweizerischen Post zu Ohren gekommen sei. Diese sucht im Bestreben zur CO2-Neutralität nach Investitionsmöglichkeiten – auch im Ausland. In langen Verhandlungen sei eine «für alle Seiten zufriedenstellende, zukunftsorientierte und vertrauensbasierte Lösung» gefunden worden, heisst es offiziell. Prinz Michael sagt lachend, jeden Ast hätten die Post-Anwälte aufgehoben und geprüft. Da sie mit den Gepflogenheiten der Forstwirtschaft überhaupt keine Erfahrung gehabt hätten, seien sie eben auf Nummer sicher gegangen. Selbst nach der Baubewilligung einer alten Jagdhütte hätten sie gefragt.

Eine überschaubare Investition für die Post

Über den Kaufpreis für den Wald haben die Vertragspartner Stillschweigen vereinbart. Er rede nur über Postleit-Zahlen, kalauert der Prinz. Ein Forstbeamter erzählt, dass bei den Handänderungen der vergangenen Jahre zwischen 3000 und 4000 Euro pro Hektare bezahlt worden seien. Schlechte Waldstücke würden auch schon für 1000 Euro verhökert, für begehrte Waldstücke seien auch schon 12'000 Euro gelöst worden. Bei einem durchschnittlichen Ansatz wird die Post folglich zwischen sieben und zehn Millionen Euro dem Prinzen überweisen.

Prinz Michael-Benedikt Georg Jobst Karl Alexander Bernhard Frederick Prinz von Sachsen-Weimar-Eisenach, so der vollständige Name, ist ehrenvolles Mitglied des deutschen Hochadels. Er ist Chef des Hauses Sachsen-Weimar sowie des übergeordneten Hauses Wettin und irgendwo im Rang 500 in der britischen Thronfolge. Seit 1630 gehört der Zillbacher Forst zum Besitz der grossherzoglichen Familie.

Mit Revolution 1918 wurde in Deutschland der Adel abgeschafft, nicht jedoch das bei den adligen Geschlechtern kumulierte Vermögen. Die Reichtümer in den ostdeutschen Bundesländern fielen 1945 mit der «demokratischen Bodenreform» der DDR allerdings entschädigungslos an den Staat, damit auch die Herrschaften des Hauses Sachsen-Weimar-Eisenach. Die Familie verlor Besitz und bürgerliche Rechte, «eine traumatische Erfahrung», wie Prinz Michael in Interviews erzählte.

Vom Banker zum Neo-Adligen

Die Familie flüchtete vor den sowjetischen Truppen von Schloss Wartburg, dem Familiensitz und heutigem Unesco-Weltkulturerbe, in den süddeutschen Raum. Michael-Benedikt studierte Jura und arbeitete als Broker und Banker in der Anonymität der Grossstädte New York, London, Tokio. Bei der Deutschen Bank machte er Karriere bis in die Geschäftsleitung der Filiale Mannheim. In dieser Funktion hatte er auch vor Gericht auszusagen, weil unter seinen Augen der Grossbetrüger Jürgen Schneider die Bank um Millionen prellte.

Seine Karriere als Adliger hob erst nach der deutschen Wiedervereinigung ab, als ein neues Gesetz grundsätzlich die Rückübertragung von Vermögen vorsah. Von den 7000 Hektaren Land, die einst der Familie gehörten, bot ihm der deutsche Staat jedoch nur gerade die 2400 Hektaren Wald an. Der Prinz hätte gerne das ganze Land gekauft, nahm aber, was ihm geboten wurde.

Prinz Michael sagt, der Zillbacher Forst gehöre zum «Kernprivatbesitz» der Familie und habe einen grossen «emotionalen Wert». Dass er sich davon trennen kann – und dabei nicht leer ausgeht –, hat er schon einmal bewiesen. Das Entschädigungsgesetz des Jahres 1994 sah nämlich die vollständige Restitution von enteignetem mobilem Eigentum vor. Das Haus Sachsen-Weimar-Eisenach leitete daraus eine 500-Millionen-Forderung an den deutschen Staat ab. Anspruch erhob Prinz Michael etwa auf die gesamten Nachlässe der Dichter Goethe und Schiller, die einst im Besitz seines Vaters waren. 2004 verzichtete er auf die Restitution – gegen eine Abgeltung von 15,5 Millionen Euro. Für die einen gilt er seither als grosser thüringischer Mäzen, für die anderen ist er ein adliger Abzocker.

Der Thüringer Wald ist schwer geschädigt

Der Vertrag mit der Post ist zwar unterzeichnet, aber noch nicht rechtskräftig. Denn die Kommunen und das Land haben ein Vorkaufsrecht, wenn sie fürchten müssen, dass der Wald in schlechte Hände komme. Davon gehen sie jedoch nicht aus; die Kommunen haben bereits ihren Verzicht erklärt, eine Vorprüfung des Landes ist zum gleichen Schluss gekommen, wie es auf Anfrage heisst.

Der Freistaat Thüringen ist allerdings froh, nicht weitere Waldstücke verantworten zu müssen. Denn schon jetzt ist seine Aufgabe gewaltig: Nur gerade 14 Prozent der Bäume sind nicht krank, heisst es im neuesten Waldzustandsbericht. Jeder zweite Baum ist stark geschädigt. Der Borkenkäfer feiert im Thüringischen Urstände. Hitze setzt den Bäumen ebenso zu wie fehlender Regen. Im Mai beschloss die Landesregierung einen Sonderzuschuss von 23 Millionen Euro für die Pflege, denn: «Seit 2018 befinden sich unsere Wälder im Ausnahmezustand und die Forstbetriebe starten das sechste Jahr eines Krisenmanagements.»

Prinz Michael meint, sein Wald sei in einem guten Zustand. Als er ihn gekauft hatte, war ihm noch unterstellt worden, er werde Raubbau betreiben. Doch er habe ihn nach nachhaltigen Kriterien bewirtschaften lassen, sagt er. Von einem Mischwald, von dem die Post in ihrer Medienkommunikation spricht, ist der Zillbacher Forst dennoch weit entfernt. Als Nutzwald angelegt besteht er aus Abschnitten mit Fichten-, und Abschnitten mit Buchen-Monokulturen. Der Noch-Waldbesitzer sagt, die Umforstung werde aktiv betrieben und umfangreiche Aufforstungen seien im Gange. Das geht ins Geld.

Dünne Marge in einem schwierigen Geschäft

Ein Postsprecher sagt, die Post wisse noch nicht, welche Investitionen im Zillbacher Forst notwendig seien. Viele Details könnten erst nach der definitiven Übernahme des Waldes im Herbst geklärt werden. Der finanzielle Ertrag aus der Bewirtschaftung stehe aber ohnehin nicht im Vordergrund. Die Waldinvestition habe das Ziel, mit der zur Verfügung stehenden Fläche eine optimale CO2-Neutralisation zu erzielen.

Geht es nach Prinz Michael, lässt sich mit dem Forst durchaus Geld verdienen. Die Gewinnmarge liegt nach Branchenschätzung allerdings bei tiefen ein bis fünf Prozent - und dies, wenn die Bewirtschaftung in den eigenen Händen liegt. Doch die Post, die für den Kauf des Waldes eigens die Firma CDR-Services Deutschland gegründet hat, will selbst nicht Förster spielen. Vorerst werde weiter die Grossherzogliche Sächsische Forstverwaltung OHG den Wald bewirtschaften. Später soll der Auftrag ausgeschrieben werden, wobei der Prinz davon ausgeht, dass seiner Firma die Arbeit damit nicht ausgehen wird.

Auch eine andere Aufgabe will die Post künftig delegieren: das Jagdmanagement im Zillbacher Forst. Dabei lassen sich doch gerade auf der Jagd die überraschendsten Geschäfte anbandeln. (aargauerzeitung.ch)

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22 Kommentare
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neoliberaler Raubtierkapitalist
05.08.2023 15:41registriert Februar 2018
Die Post macht wieder Abenteuer im Ausland. Waldwirtschaft in Deutschland ist sicher keine öffentliche Schweizer Aufgabe.
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goschi
05.08.2023 15:26registriert Januar 2014
Es gibt keine deutschen Prinzen, weil es in Deutschland keinen Adel mehr gibt seit 1919.

Nur weil sich jemand Prinz nennt, ist er das nicht, nur weil manche noch am Pseudoadel ihrer Vorfahren hängen, macht sie das nicht adlig.

Ergo: "sogenannter Prinz"
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