An den Mittagstischen in den Bürogebäuden ist es ruhig geworden. Für Firmen wie den ZFV ist das ein Problem. Die Gastronomiegruppe ist vor allem als Betreiberin von Personalrestaurants und Mensen bekannt. Vor der Pandemie erwirtschaftete sie Jahresumsätze von fast 300 Millionen Franken in 200 Betrieben. Im vergangenen Jahr waren es noch 170 Millionen.
Nun stösst die Genossenschaft in ein neues Geschäftsfeld vor. Künftig will sie täglich Familien mit Abendessen beliefern, bei denen ein besonderer Fokus auf dem Thema Nachhaltigkeit liegt. Das «Znachtmacherei» genannte Konzept werde nach einer ersten erfolgreichen Testphase bald die Küche öffnen, sagt Dario Notaro, der Leiter Business Development und Innovation.
Dabei werden die Erfahrungen des «Quartierkochs» eine Rolle spielen. Dieses Pilotprojekt wurde bis im vergangenen Jahr durchgeführt. Der ZFV lieferte Mittagessen in Quartiere. Sie wurden täglich frisch zubereitet und mussten von den Kundinnen und Kunden nur erwärmt werden. Während des Tests zeigte sich etwa, dass die Kundschaft die Mehrwegbehälter und die regionalen Zutaten schätzte.
Die Idee der «Znachtmacherei» ist auch den Umwälzungen geschuldet, die die Coronakrise mit sich brachte - etwa die zunehmende Beliebtheit von Homeoffice. In den ZFV-Betrieben seien die Frequenzen noch deutlich unter dem Niveau von vor der Pandemie, sagt Dario Notaro. Das Gästeaufkommen sei sehr volatil und weniger planbar geworden. Man sehe starke Schwankungen in den Wochentagen: «Der schwächste Tag ist klar der Freitag. Tendenziell sind Dienstag bis Donnerstag die stärksten Tage.» Die Firma habe nun neue Planungstools auf Basis von künstlicher Intelligenz im Einsatz, die helfen, Food-Waste zu verringern.
Allfällige Überproduktionen gibt die Genossenschaft im Rahmen spezieller Angebote ab. Dazu zählt das «Foifer-Menü», das aus der Überproduktion des Vortags hergestellt wird und der Studentenschaft der Universität Zürich zum Preis von fünf Franken angeboten wird. Auch arbeitet der ZFV mit der Organisation «Too Good To Go» zusammen.
Auf den Megatrend Nachhaltigkeit setzt auch der Zürcher Lieferdienst Dabbavelo. Er bringt die Mahlzeiten in speziellen Behältern, die sich reinigen und wiederverwenden lassen - und konnte unlängst sein Liefergebiet vergrössern.
Im Kampf gegen die grossen Anbieter wie Just Eat, Uber Eats oder Smood kann der Fokus auf Nachhaltigkeit helfen. Denn der Konkurrenzkampf wird härter. Seit zwei Jahren mischt auch die Genossenschaft Migros Aare mit. Sie hat die Plattform «Food Now» gegründet. Mehr als 150 Restaurants aus Thun und Bern und Umgebung haben sich ihr angeschlossen. Für die Auslieferung sind die Restaurants selbst oder die Post-Tochter Notime besorgt. Die Plattform laufe gut, sagte Migros-Aare-Chef Reto Sopranetti diese Woche an einem Anlass.
Viel sparen können die Restaurants mit Food Now allerdings nichts. «Die Gebühren orientieren sich an marktüblichen Ansätzen», sagt Migros-Aare-Sprecherin Andrea Bauer. Die Kundschaft schätze Migros-spezifische Mehrwerte wie das Sammeln von Cumulus-Punkten, die Restaurants «das hohe Service-Level und den direkten Kontakt zu unserem Support-Team».
Seit letztem Jahr ist auch die Zürcher Firma Smartscout IT Solutions mit ihrer Plattform Foodys 24 aktiv. Gegründet wurde die Firma von Doruntina Dema, der Chefin von Smartscout, und einer Gruppe von Freunden aus der Restaurant- und Lebensmittelbranche. Bisher sind über 300 Restaurants aus Zürich dabei. Expandieren will die Firma in die ganze Schweiz. Sie arbeitet allerdings nur mit Restaurants mit eigenem Lieferdienst zusammen.
«Wir sind aus der Not eines befreundeten Restaurants entstanden», sagt Ben Pollo, der für die Kundenbetreuung zuständig ist. «Sie beklagten sich über die hohen Gebühren und den Verlust ihres Kundenstamms und sagten, dass sie nichts dagegen tun können.» Foodys 24 biete den Restaurants nicht nur kostenlose Websites, sondern auch Marketing und Suchmaschinenoptimierung. Die Gebühren seien «sehr tief», sagt Pollo.
Bei den etablierten Anbietern wie Just Eat oder Uber Eats müssen Gastronomen fast jeden dritten Franken abgeben, wenn sie ihre Mahlzeiten über deren Plattformen verkaufen und von ihnen ausliefern lassen. Übernehmen die Restaurants die Auslieferung selbst, sind es gut 10 Prozent. Das ist für viele vor dem Hintergrund steigender Strom- und Lebensmittelpreise zu viel.
Sie können sich deshalb über neue Konkurrenz mit tieferen Gebühren freuen. Doch ob der Schweizer Markt genügend gross ist für so viele Lieferdienste, ist fraglich. Beobachter glauben, dass früher oder später einer bis zwei Dienste den Markt beherrschen werden. Die globalen Anbieter haben bis dahin einen langen Atem - und investieren viel: Uber Eats lockt etwa oft mit starken Rabatten.
Erschwerend ist für die Anbieter, dass der ganz grosse Liefer-Boom vorbei ist. Während den ersten Monaten der Coronakrise klingelten die Kassen. Restaurants waren geschlossen, das Leben verlagerte sich in die eigenen vier Wände. Nun aber geben die Menschen wieder mehr Geld fürs Essen auswärts aus. Das zeigt der Konsum-Monitor der Universität St.Gallen. Demnach wird in Restaurants und Take-aways zurzeit wertmässig sogar mehr umgesetzt als im Jahr 2019 - zumindest mit Kredit- und Debitkarten und Mobile-Bezahllösungen wie Twint, die zuletzt populärer wurden. (aargauerzeitung.ch)
Wenn die Migros wirklich Nachhaltigkeit leben möchte, dann solle sie die künstlich hohen Margen auf Bio-Produkte reduzieren. Sobald die Menschen merken, dass Bio nicht teurer ist, als normale Produkte, wird viel mehr Bio gekauft werden.