Anhänger des Föderalismus nutzen den Begriff gerne als Schimpfwort: Nationalisierung. Damit ist die Kritik verbunden, dass die Kantone oft mit einer Stimme sprechen. Stellungnahmen zu Vernehmlassungen des Bundes kommen zuweilen aus einem Guss daher. Doch die viel beschworene Einheit hat ihre Grenzen – das zeigt sich bei gesellschaftspolitischen Fragen eindrücklich: Aktuell spaltet der Vaterschaftsurlaub die Kantone. Sie sind sich uneins darüber, wie viele bezahlte Freitage ein Vater nach der Geburt seines Kindes beziehen darf. Und ob es überhaupt eine gesetzliche Lösung braucht.
Auf nationaler Ebene fordert eine Volksinitiative die Einführung eines vierwöchigen Vaterschaftsurlaubs. Die Sozialkommission des Ständerats hat als indirekten Gegenvorschlag einen Urlaub von zwei Wochen vorgeschlagen. Kürzlich ist die Vernehmlassung dazu abgelaufen, die Verwaltung wertet die Stellungnahmen derzeit aus. Bereits Mitte April werde der Vernehmlassungsbericht vorliegen, heisst es beim zuständigen Bundesamt für Sozialversicherungen auf Anfrage.
Bekannt ist: Trotz abgespeckter Variante und breiter politischer Abstützung sind die Wirtschaftsverbände weiterhin dezidiert gegen eine gesetzliche Regelung. Die Kantone teilen sich derweil in vier Lager. Da sind jene, die grundsätzlich gegen den Urlaub sind; jene, die den Kompromiss unterstützen; jene, die mit der Initiative sympathisieren; und jene, die eine andere Lösung fordern. Die Stellungnahmen der Kantone haben auch deshalb Gewicht, weil der Gegenvorschlag selbst innerhalb der Ständeratskommission umstritten ist.
Zu den Verfechtern der zweiwöchigen Lösung gehören unter anderem die Kantone Basel-Stadt, Bern, Graubünden, Luzern, Schaffhausen, St. Gallen, Solothurn, Thurgau, Uri und Zürich. «Von einem Vaterschaftsurlaub profitieren Väter, Mütter, Familien und nicht zuletzt die Kinder», schreibt die Bündner Regierung. Man könne so ein Signal für eine partnerschaftliche Rollenteilung und die Vielfalt der Familienmodelle setzen. Der Basler Regierungsrat erachtet die zweiwöchige Lösung indessen als «Kompromiss zwischen den Bedürfnissen der Wirtschaft und verbesserten, familienfreundlicheren Arbeitsbedingungen».
Anders sieht das etwa der Glarner Regierungsrat. «lm Sinne eines liberalen Wirtschaftswettbewerbs sollte es dem Arbeitgeber freigestellt sein, ob und wie lange er einen Vaterschaftsurlaub gewährt», schreibt er. Die Wirtschaft dürfe nicht mit «zu umfangreichen» zusätzlichen Abgaben belastet werden. Quasi auf die Kräfte des Markts vertraut die Schwyzer Regierung. Es sei gut, wenn Arbeitgeber unterschiedlich lange Vaterschaftsurlaube anbieten würden, findet sie. «Dafür braucht es keine neuen Gesetze.» Aus Sicht des Baselbieter Regierungsrats ist der Ausbau der familienergänzenden Kinderbetreuung wichtiger und nachhaltiger als ein Vaterschaftsurlaub, der eine «starke Mehrbelastung» für Unternehmen bedeute.
Die Regierung von Appenzell Innerrhoden sorgt sich dabei vor allem um kleine und mittlere Betriebe, die oft keinen Stellvertreter für frischgebackene Väter organisieren könnten. Überhaupt: Vaterschaft und Dienst fürs Vaterland, das sei zu viel des Guten. «Neben den üblichen Ferienabsenzen müssen junge Männer vielfach noch Militärdienst leisten und fehlen somit rund sieben Wochen pro Jahr an der Arbeitsstelle», warnt die Innerrhoder Regierung. Sieben bezahlte Freitage müssten deshalb reichen.
Finanziert werden soll der Vaterschaftsurlaub wie jener für Mütter über die Erwerbsersatzordnung (EO). Für den zweiwöchigen Kompromissvorschlag müssten zusätzlich 0.06 Lohnprozente erhoben werden. Diese würden hälftig von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gedeckt. Genau deswegen stellt sich der Aargauer Regierungsrat gegen den Vaterschaftsurlaub: Zusätzliche Abgaben seien für die Sozialversicherungen derzeit nicht tragbar. Auch die Nidwaldner Regierung kritisiert, mit der Finanzierung über die EO würde «im Hochlohnland Schweiz» erneut der Faktor Arbeit zusätzlich belastet.
Besonders aufgeschlossen zeigen sich dagegen Westschweizer Kantone wie Genf oder Neuenburg. Sie könnten sich sogar einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub gut vorstellen. Die Neuenburger Kantonsverwaltung hat kürzlich vorgelegt. Wird einer ihrer Angestellten Vater, bekommt er nach der Geburt neu vier Wochen bezahlten Urlaub.
Einen ganz anderen Weg wünschen sich schliesslich die Kantone Zug und Obwalden. Sie lehnen die Vorschläge für den Vaterschaftsurlaub ab – weil es eine bessere Lösung gäbe: «Unserer Meinung nach sollte das System Elternzeit gezielter geprüft und weiterentwickelt werden», erklärt die Obwaldner Regierung. Und auch ihre Zuger Kollegen glauben, dass mit dem Vaterschaftsurlaub «die heutige Rollenverteilung zementiert und eine fortschrittliche Lösung, wie zum Beispiel ein Elternurlaub, verunmöglicht wird». Einen solchen würden sich Mutter und Vater paritätisch aufteilen. Auf einen konkreten Vorschlag, wie viele Wochen dafür zur Verfügung gestellt werden sollen, verzichten die beiden Kantone allerdings.
Fazit also: Eine konsolidierte Haltung zum Vaterschaftsurlaub zeichnet sich unter den Kantonen nicht ab.
"lm Sinne eines liberalen Wirtschaftswettbewerbs sollte es dem Arbeitgeber freigestellt sein, ob und wie lange er einen Vaterschaftsurlaub gewährt"
Meine Frage dazu. Welche Wirtschaft hat Glarus überhaupt? Für mich ist dieser Kanton in der Schweiz absolut NICHT EXISTENT.
2. Wenn es nach obeiger Logik gehen würde, würde man heute lieber Leute einstellen die NICHT beim Militär sind weil das ist für den Arbeitgeber nur besser weil jährlich zusätzliche Abwesenheiten nebst Ferien? oh wait, das ist heute schon üblich.