Schweiz
Wirtschaft

Pierin Vincenz von Zürcher Obergericht freigesprochen – die Übersicht

Der ehemalige Raiffeisenchef Pierin Vincenz erscheint mit Anwalt Lorenz Erni zum Raiffeisen-Prozess des Zuercher Bezirksgerichts vor dem Volkshaus, am Dienstag, 22. Maerz 2022, in Zuerich. Die Staatsa ...
Pierin Vincenz im März 2022 vor dem Prozess am Bezirksgericht Zürich.Bild: keystone

Gericht hebt Urteil gegen Ex-Raiffeisen-Chef Vincenz auf – die Übersicht in 3 Punkten

Das Zürcher Obergericht hat das erstinstanzliche Urteil gegen den ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz wegen «schwerwiegenden Verfahrensfehlern» aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft muss erneut Anklage erheben.
20.02.2024, 11:1720.02.2024, 12:54
Mehr «Schweiz»

Die Aufhebung

Das Urteil gegen den ehemalige Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz wird vom Obergericht Zürich aufgehoben – «wegen schwerwiegender Verfahrensfehler». Dies teilt das Gericht am Dienstag mit.

Begründet wird die Aufhebung etwa damit, dass ein französischsprachiger Beschuldigter sowohl in der Strafuntersuchung als auch im vorinstanzlichen Gerichtsverfahren mehrfach eine Übersetzung der Anklageschrift, welche dem erstinstanzlichen Urteil zugrunde lag, verlangt habe – vergeblich.

«Es wurden ihm einzig einige Auszüge aus Entwürfen der Anklageschrift übersetzt. Dies genügt jedoch nicht.» Somit liege eine «schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs» und eine Verletzung des Fairnessgebots vor.

Weiter sei die Anklageschrift «teilweise ausschweifend» gewesen und die Anschuldigungen würden derart umfangreich vorgebracht, dass der gesetzliche Rahmen gesprengt sei. «Durch diesen Umstand wurde den Beschuldigten im erstinstanzlichen Verfahren erheblich erschwert, sich wirksam zu verteidigen.»

Vincenz wird eine Prozessentschädigung von 35'000 Franken zugesprochen. Seine Vermögenswerte bleiben aber vorerst sichergestellt.

Das Urteil

Im April 2022 war Pierin Vincenz wegen Veruntreuung, Urkundenfälschung und Betrug zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden.

Im Februar 2018 hatte die Zürcher Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung eröffnet. Vincenz wurde damals in Untersuchungshaft genommen. In der Folge reichte die Raiffeisen-Bank Strafanzeige gegen Vincenz ein, der von 1999 bis 2015 Vorsitzender der Geschäftsleitung der Raiffeisen Schweiz war.

Im November 2020 erhob die Staatsanwaltschaft Zürich Anklage gegen den Banker und acht weitere Beschuldigte. Am schwersten wogen im Urteil des Zürcher Bezirksgericht die Delikte rund um die Übernahme der KMU-Finanzierungsgesellschaft Investnet durch Raiffeisen. Vincenz und Aduno-Chef Beat Stocker hatten sich im Vorfeld der Übernahme an Investnet beteiligt – ohne ihre Verbindung zu den Firmen offenzulegen. Für die beiden resultierte daraus ein Gewinn in Höhe von zwölf Millionen Franken, der ihnen ab 2015 zugeflossen war, wie die «Aargauer Zeitung» nach Bekanntwerden des Urteils analysierte.

Die Richter befanden, dass Vincenz und Stocker ihre jeweilige Stellung als CEO und Berater ausgenutzt hatten, um einen möglichst hohen Verkaufserlös zu erzielen und sich so auf Kosten der Bank zu bereichern. Das Gesetz sieht für diese Art von ungetreuer Geschäftsbesorgung Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren vor.

Vincenz und dessen Geschäftspartner wurden zu Freiheitsstrafen von drei Jahren und neun Monaten beziehungsweise vier Jahren verurteilt. Drei weitere Beschuldigte wurden zu bedingten Geldstrafen verurteilt. Eine weitere Person wurde freigesprochen, das Verfahren gegen eine weitere wurde eingestellt.

So geht es weiter

Über Schuld oder Unschuld Vincenz' hat das Obergericht nicht entschieden. Es hat nur über die «schwerwiegenden Verfahrensfehler» geurteilt.

Das Obergericht weist das Strafverfahren wieder an die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich zurück.

Sobald die Verfahrensmängel behoben sind, soll beim Bezirksgericht eine neue Anklage erhoben werden, heisst es in der Mittelung des Obergerichts. (yam)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Pierin Vincenz vor Gericht – der Morgen des ersten Tages in Kürze
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
103 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Tanuki
20.02.2024 09:17registriert März 2014
Unschuldig respektiv schuldig ist es er scheinbar noch nicht, jedoch gab es «schwerwiegenden Verfahrensfehlern» ..

Super gemacht Herr Staatsanwalt. Das Vertrauen in unser System ist gestärkt... FIFA lässt grüssen.
1396
Melden
Zum Kommentar
avatar
Wilson_Wilson
20.02.2024 08:57registriert Dezember 2014
Mag ich ihm gönnen. Die 35'000 Franken hat er auch bitter nötig...
12312
Melden
Zum Kommentar
avatar
Verbesserer
20.02.2024 09:03registriert Mai 2020
Und wie lautet die Begründung für den Freispruch von Pierin Vinzenz durch das Zürcher Obergericht? Wäre interessant zu erfahren.
13149
Melden
Zum Kommentar
103
Immobilien-Experte: «Der Bundesrats-Lohn reicht nicht, um in Zürich ein Haus zu kaufen»
Private bauen weniger – institutionelle Investoren gewinnen die Oberhand. Das geht aus einem Raiffeisen-Bericht hervor. Donato Scognamiglio ist Immobilien-Experte und erklärt, wie diese Entwicklung stattgefunden hat.

Privatpersonen bauen immer weniger. 2001 reichten Private noch rund 40 Prozent der Baugesuche ein – im letzten Jahr waren es noch 18 Prozent. Überrascht Sie diese Erkenntnis?
Donato Scognamiglio:
Ich finde die Raiffeisen-Auswertung sehr interessant – es ist richtig und wichtig, dass diese Daten erfasst wurden. Aber einige Faktoren wurden ausser Acht gelassen.

Zur Story