Im Kanton Basel-Stadt könnte es steuertechnisch bald zu einer Schweizer Premiere kommen: Die Wirtschaftskommission des Grossen Rats behandelt eine Motion von Ex-SP-Nationalrat Ruedi Rechsteiner. Er will, dass die Arbeitgeber künftig monatlich zehn Prozent des Bruttolohns ihrer Beschäftigten abziehen und an die Steuerverwaltung überweisen, berichtet die NZZ.
Die Motionäre, darunter auch bürgerliche Parlamentarier, erhoffen, dank dem Systemwechsel «Schulden, Notlagen und administrative Leerläufe» zu verhindern, heisst es im Vorstoss. Die Basler Regierung hatte sich trotz rot-grüner Mehrheit gegen den Vorstoss ausgesprochen, das Parlament hielt aber daran fest und könnte bald Nägel mit Köpfen machen.
Die jährlich anfallenden Steuerschulden sind beträchtlich. Laut dem Beobachter müssen nach konservativen Schätzungen schweizweit jährlich gut ein Prozent der Steuern als «uneinbringlich» abgeschrieben werden. Das sind rund 1,3 Milliarden Franken.
Die Forderung nach einem Systemwechsel wurde auch auf Bundesebene schon erhoben. SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen forderte bereits vor drei Jahren mit einer Motion einen direkten Lohnabzug – sie zog den Vorstoss später aus taktischen Gründen zurück, um die Entwicklungen in Basel nicht zu gefährden. Sie will den Systemwechsel in der ganzen Schweiz.
Dafür hofft sie auf Rückenwind vom Rheinknie: «Wenn es in Basel eine Mehrheit dafür gibt, ist das ein starkes Signal für die ganze Schweiz». Der Blick in Nachbarländer wie Deutschland zeige die Vorteile, eines Direktabzugs.
Für die Beschäftigten sei jederzeit klar, wieviel Geld ihnen Netto zur Verfügung stehe. Gerade die Jüngeren schätzten diese Sicherheit. Der Direktabzug ist für Kiener Nellen «eine Wohltat und eine Vereinfachung».
Ähnlich tönt es bei den Schuldenberatungen. «Wir befürworten eine flächendeckende Einführung des Direktabzugs», sagt Sébastien Mercier, Geschäftsführer des Dachverbands Schuldenberatung Schweiz (SBS). In der Praxis sei man täglich mit den Problemen konfrontiert, zu denen das heutige System führe.
Dass die Steuerrechnung in einige Kantonen erst zwei Jahre nach dem Erhalt des zu besteuernden Lohns im Briefkasten liege, stelle viele vor Probleme: «Hat sich die wirtschaftliche Situation in der Zwischenzeit verändert, etwa wegen Arbeitslosigkeit oder wegen eines Unfalls, können viele die Rechnung nicht mehr bezahlen.»
Mit dem Basler Modell würde sich die Höhe des Betrags stark reduzieren, den Steuerpflichtige bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten dem Staat schulden, ist Mercier überzeugt.
Auch Barbara Mantz, Schuldenberaterin bei der Caritas Zürich, sieht Vorteile beim Basler Vorstoss: «Einem Grossteil jener, die heute mit Steuerschulden zu uns kommen, wäre das bei einem Direktabzug nicht passiert.» Das zeige sich daran, dass quellenbesteuerte Personen, etwa ausländische Arbeitnehmer ohne C-Ausweis, die zur Caritas kommen, jeweils keine Steuerschulden haben.
In seiner Antwort auf Kiener Nellens Motion wollte der Bundesrat nichts von einem monatlichen Direktabzug wissen. Er würde zu einer Verkomplizierung bei den Einkommenssteuern führen und den Arbeitgebern eine« zusätzliche hoheitliche Aufgabe» aufbürden. Für liberale Gegner des Basler Vorstosses widerspricht dieser mit seinem «Griff in die Lohntüte» einem «urschweizerischen Prinzip», schreibt die NZZ: Der Staat vertraut seinen Bürgern und deren selbst erstellten Steuererklärungen.
Davon hält die Sozialdemokratin Kiener Nellen nichts. Es sei wissenschaftlich belegt, dass die heutige Lösung für die Behörden einen Mehraufwand bedeutet und Menschen in die Verschuldung und in Notlagen treibe: «Die heutige Lösung schafft Leiden.»
Für die Zukunft ist sie optimistisch: «Ich bin überzeugt, dass der Direktabzug der Steuern vom Lohn in der ganzen Schweiz in fünf bis zehn Jahren Standard ist.» In diesen Fragen gehe es irgendwann plötzlich sehr schnell – Basel-Stadt macht vielleicht bald den ersten Schritt.
Doch auch bei einem Erfolg der Basler Motion bliebe ein Türchen zum alten System offen: Der Lohnabzug soll zwar automatisch für alle Beschäftigten eingeführt werden, aber nicht obligatorisch sein. Wer die Steuererklärung selber ausfüllen und seine Steuern erst nach Erhalt der Steuerrechnung zahlen will, dem steht diese Möglichkeit auf Antrag hin weiterhin offen.