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Die Löhne der Krankenkassen-Chefs sollen gedeckelt werden

Jahresgehalt von fast 1 Million: Die Löhne der Krankenkassen-Chefs sollen gedeckelt werden

Sanitas, Groupe Mutuel, Assura, Helsana: Diese Krankenkassen entlöhnen ihre CEOs pro Jahr mit über 750'000 Franken. Derweil droht den Versicherten in wenigen Monaten der nächste Prämienschock. Nun will das Parlament einen Lohndeckel für die Manager.
23.05.2023, 08:23
Anna Wanner, Gabriela Jordan, Ann-Kathrin Amstutz, Christoph Bernet / ch media
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Die SP hat nach eigenen Angaben die Unterschriften beisammen für ihre Prämien-Entlastungs-Initiative. Im Bild die Versichertenkarte der Krankenkasse Assura. (Archivbild)
Assura-Chef Ruedi Bodenmann ist der am drittbesten verdienende Krankenkassen-Direktor.Bild: KEYSTONE

Zuletzt waren es die Boni der Banker, die in der Öffentlichkeit für Empörung sorgten. Doch auch die Löhne der Krankenkassen-Manager geraten regelmässig ins Visier der Politik. 2016 und 2018 haben Mitglieder der SP-Fraktion eine Begrenzung der Löhne von Krankenkassenchefs verlangt. Stets war der Bundesrat dagegen, stets versandeten die Begehren. Jetzt nimmt das Parlament einen neuen Anlauf. Diesmal sieht es besser aus.

Zwar hat sich die ständerätliche Gesundheitskommission am Montag gegen einen Lohndeckel von 250'000 Franken für die Managerinnen und Manager der Krankenversicherer ausgesprochen, wie CH Media erfahren hat. In der bevorstehenden Sommersession dürfte der Ständerat seiner Gesundheitskommission folgen und den fixen Lohndecken von einer Viertelmillion Franken ablehnen.

Dennoch könnte es eine gesetzliche Lohnobergrenze für Krankenkassen-Manager geben: Gemäss Informationen von CH Media hat die ständerätliche Gesundheitskommission (SGK-S) eine parlamentarische Initiative von Nationalrat Baptiste Hurni (SP/NE) überwiesen, die von der grossen Kammer bereits angenommen wurde. Diese will, dass der Bundesrat den Lohndeckel festlegen soll. Mit der Überweisung durch die SGK-S ist der Auftrag für eine Gesetzesgrundlage für einen Lohndeckel erteilt worden.

In der Nationalratsdebatte ausschlagend war die Tatsache, dass die CEOs immer mehr verdienen, während die Prämienzahler immer stärker belastet werden. SP-Gesundheitspolitikerin Flavia Wasserfallen sagte im Namen der Kommission: «Stossend sind natürlich diese überrissenen Löhne insbesondere auch in Zeiten eines sehr starken Prämienanstiegs, welcher aktuell bevorsteht und die Kaufkraft vieler Haushalte in diesem Land stark treffen wird.»

Tatsächlich sind in den letzten fünf Jahren die Löhne stark gestiegen – in einem Fall sogar um das Doppelte. Das führt nun dazu, dass die Forderung nach einer Begrenzung der Vergütung nicht nur von links-grün unterstützt wird, sondern auch bei manchen Bürgerlichen verfängt.

Lohndeckel könnte vom Bundesrat festgelegt werden

Die aktuelle Prämiendiskussion verleiht dem Anliegen möglicherweise weiteren Schub. Die Prämien sind letztes Jahr im Schnitt über 6 Prozent gestiegen. In diesem Herbst könnte es gemäss Experten noch dicker kommen: Es droht ein durchschnittlicher Anstieg der Prämien von bis zu 7.5 Prozent.

Über die Höhe des nächsten Prämienwachstums wollte Gesundheitsminister Alain Berset (SP) am Sonntagabend im Gespräch mit der «Tagesschau» des Westschweizer Fernsehens RTS nicht spekulieren. Die Festlegung der Prämienrunde erfolge erst später im September. Doch es gebe Signale, die «nicht gut» seien, räumte Berset ein.

Er erinnerte daran, dass die Prämien der Entwicklung der Gesundheitskosten folgten – und appellierte an die Kostendisziplin der Versicherten. Gleichzeitig zeigte Berset Verständnis für die Kritik an der «Bereicherungsmentalität» der Krankenkassen, welche Versicherte aus der Romandie in einem Video-Einspieler äusserten.

Sanitas und Groupe Mutuel zahlen mehr, Assura und CSS weniger

Einsam an der Spitze: Sanitas-CEO Andreas Schönenberger verdient mit 956'000 Franken klar am meisten.
Einsam an der Spitze: Sanitas-CEO Andreas Schönenberger verdient mit 956'000 Franken klar am meisten.bild: zvg

Doch wie steht es um diese «Bereicherung»? Welche Kasse bezahlt die höchsten Löhne, welcher CEO verzeichnete den grössten Lohnsprung? Die aktuellen Geschäftsberichte der Krankenkassen geben Aufschluss. An der Spitze ist mit grossem Abstand Sanitas-Chef Andreas Schönenberger, der im Jahr 2022 mit beinahe einer Million Franken (956'486) entschädigt wurde. Gegenüber dem Vergleichsjahr 2017 ist das ein Zuwachs von 50 Prozent, sein Vorgänger vor fünf Jahren hat also gerade mal die Hälfte verdient.

Auch Groupe-Mutuel-Chef Thomas Boyer konnte tüchtig zulegen: Mit einem Jahresgehalt von 783'348 erhielt er im vergangenen Jahr 286'000 Franken mehr als vor fünf Jahren sein Vorgänger. Zu den Topverdienern, die mit einem Jahresgehalt von über 700'000 Franken entschädigt werden, gehören ausserdem die Chefs der Krankenkassen Assura, Helsana, Swica und CSS – letztere hat mit Philomena Colatrella als einzige Kasse eine Chefin (siehe Lohndaten in der Tabelle).

So viel verdienen die Chefinnen und Chefs der grossen Kassen

Entschädigung inklusive Vorsorgebeiträge in Franken. *) aktuellste verfügbare Zahlen von 2021; **) Lohnangabe 2018 statt 2017; Versicherte = Anzahl Versicherte in der Grundversicherung per Anfang 2023
Entschädigung inklusive Vorsorgebeiträge in Franken. *) aktuellste verfügbare Zahlen von 2021; **) Lohnangabe 2018 statt 2017; Versicherte = Anzahl Versicherte in der Grundversicherung per Anfang 2023quelle: Geschäftsberichte der Kassen

Immerhin: Einige Kassen haben den Lohn in der Vergleichsperiode gesenkt. Ob dies aus Kalkül hinsichtlich der laufenden Parlamentsdebatte geschah, bleibt unklar. Weniger verdient haben jedenfalls Assura-Chef Ruedi Bodenmann (rund 11'000 Franken weniger) und CSS-Chefin Philomena Colatrella (rund 19'000 Franken weniger) – wobei ihre Löhne auch so noch immer auf einem hohen Niveau sind. Ebenfalls gesunken ist das Salär von Sympany-Chef Michael Willer (17'000 Franken weniger).

In der Tabelle nicht sichtbar ist ausserdem das Auf und Ab bei der Helsana: Die Kasse zahlte ihrem Direktor Roman Sonderegger 2022 zwar ein Jahresgehalt von satten 750'000 und damit über 60'000 Franken mehr als 2017. Der frühere Chef Daniel Schmutz kam 2019 aber noch auf rund 820'000 Franken.

Am Lohndeckel, wie er dereinst Realität sein könnte, hat die Branche selbstredend keine Freude. Gemessen an den aktuellen Managerlöhnen müssten dann aller Voraussicht nach sämtliche Kassen über die Bücher gehen. (aargauerzeitung.ch)

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113 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Marsupilami123
23.05.2023 08:46registriert Juni 2016
Das Sparpotenzial einer Einheitskasse für die Grundversicherung wäre enorm. Weniger Marketing, weniger Gehälter für Management etc.
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Rüssgeischt
23.05.2023 08:46registriert Februar 2021
Bei solchen Zwangsmitgliedschaften bei Krankenkassen oder auch Pensionskassen muss der Lohn für den CEO zwingend gedeckelt werden.
Ich sehe überhaupt nicht ein, weshalb deren Lohn über dem eines Bundesrats liegen soll?!
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Bruno Wüthrich
23.05.2023 09:43registriert August 2014
Zu vermuten ist, dass die Deckelung der Managerlöhne an den Prämien nicht viel ändern.

Aber ich frage mich schon, wo denn die grosse Herausforderungen liegen sollen, die einen derart hohen Lohn rechtfertigen, wenn man sich lediglich in einem Markt behaupten muss, in dem die KundInnen per Gesetz gezwungen sind, sich versichern zu lassen.

Damit meine ich nicht, dass da überhaupt keine Herausforderung ist. Immerhin ist ja da auch Konkurrenz. Aber eben, es ist zumindest ein teilregulierter Markt, der den Anbietern in die Hände spielt.

Diese hohen Löhne sind durch nichts gerechtfertigt!
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