Schweiz
Wirtschaft

Schweizer Solarfirmen werden mit Anfragen überrannt

Der Solateur Jonas Huerlimann bei der Montage einer Solaranlage auf einer privat und gewerblich genutzten Halle in Stans, Kanton Nidwalden, am Donnerstag, 14. Juli 2022. Die Solaranlage hat eine Groes ...
Hausbesitzer müssen sich derzeit gedulden, bis sie diesen Mann auf ihren Dächern sehen.Bild: keystone

Du willst eine Solaranlage auf dem Dach? Dann musst du dich bis 2024 gedulden

Krieg, Klimawandel, Energiekrise: Schweizer Haushalte befürchten, bald im Dunkeln zu sitzen. Viele wollen nun Solaranlagen. Doch die Nachfrage übersteigt das Angebot bei Weitem.
19.07.2022, 04:5621.07.2022, 13:20
Dennis Frasch
Folge mir
Mehr «Schweiz»

Die Solarenergie boomt. Letzte Woche veröffentlichte das Bundesamt für Energie, dass der Photovoltaik-Zubau 2021 gegenüber dem Vorjahr um 43 Prozent gestiegen ist. Solarpanels decken mittlerweile sechs Prozent des Schweizer Strombedarfs.

Gründe für den Solarboom gibt es viele: Die drohende Strommangellage, den Klimawandel, Corona und der Krieg in der Ukraine, welcher die Angst vor einer Energiekrise in neue Sphären steigen lässt. Mit Solarpanels auf dem Dach lassen sich viele dieser Sorgen bereinigen.

Das sieht auch watson-User Robert Frank so. Der Zürcher Oberländer wohnt in einer Doppelhaushälfte in Dürnten ZH und hat sich gemeinsam mit seiner Familie dazu entschlossen, Strom auf dem Dach zu produzieren. Doch beim örtlichen Photovoltaik-Spezialisten dann die Ernüchterung: Vor 2023 gibt es noch nicht mal einen Beratungstermin.

Die Angst vor der Energieknappheit

Anruf bei CH-Solar in Dürnten. «Wir erleben tatsächlich einen riesigen Nachfrageboom», sagt Geschäftsführer André Chandiramani. Die Wartezeit für Beratungstermine betrage momentan etwa sechs Monate. Bis zur Installation vergehe ungefähr ein weiteres Jahr. «Die Nachfrage ist bereits seit Beginn der Pandemie sehr hoch. Seit dem Kriegsausbruch ist sie nochmals gestiegen», sagt Chandiramani.

«Jeder mit einem grossen Dach wird sich nun wohl überlegen, sich nicht doch eine Solaranlage installieren zu lassen.»
David Stickelberger, Geschäftsleiter Swissolar

Ähnlich klingt es bei Swissolar, dem Schweizerischen Fachverband für Sonnenenergie. «Es herrscht ein gewaltiger Boom durch alle Segmente. Von Einfamilienhäusern bis zu Industrie- und Gewerbebauten, alle wollen Solaranlagen auf dem Dach haben», sagt Geschäftsleiter David Stickelberger. «Viele haben Angst vor einer Energieknappheit.»

Dies bestätigen auch Zahlen der Unternehmensgruppe Competec, zu der auch der Onlineshop brack.ch gehört. So hätten kurz nach Beginn des Kriegs die Umsätze mit Solaranlagen um das Zehnfache zugenommen.

Auch in der Industrie sei die Nachfrage geradezu explodiert. «Viele Firmen haben sich bisher auf dem freien Markt mit Strom eingedeckt. Zu sehr günstigen Preisen», sagt Stickelberger. Seit Kriegsausbruch seien die Stromkosten jedoch durch die Decke gegangen. «Jeder mit einem grossen Dach wird sich nun wohl überlegen, sich nicht doch eine Solaranlage installieren zu lassen.»

Solarpanel auf dem Dach, aber kein Strom im Netz

Die hohe Nachfrage ist eigentlich erfreulich, setzt der Bundesrat mit der Energiestrategie 2050 doch auf einen massiven Ausbau der Solarenergie. Das Problem liegt auf der Angebotsseite: Die Auftragsbücher hiesiger Solarinstallateure werden immer voller, der Bedarf kann nicht gedeckt werden.

Für Swissolar ist klar, wo die Probleme liegen: Es fehlt an Personal und an Material. Wichtige Komponenten wie Wechselrichter sind Mangelware, die Wartezeiten dafür lang. Die Geräte sind nötig, um elektrische Spannung umzuwandeln. Doch sie stecken in China fest. Die chinesische Wirtschaft ist durch Corona-Lockdowns blockiert. Globale Frachtkapazitäten sind überlastet. Die gesteigerte Nachfrage bringt das Fass nun zum überlaufen.

Auch die Lieferung der Solarpanels kann derzeit länger gehen, «die Situation ist aber noch lang nicht so kritisch wie bei den Wechselrichtern», sagt David Stickelberger. In der Praxis könnte das bedeuten, dass die Solaranlagen zwar gebaut, aber nicht ans Netz gehen können. Bei der Energiewendegenossenschaft Winterthur rechnet man derzeit mit sechs bis neun Monate Wartezeit für Wechselrichter.

In Dürnten ist die Situation noch nicht so schlimm. Mehrere Wochen oder Monate Wartezeit zwischen Bau einer Solaranlage und deren Inbetriebnahme seien momentan noch der Ausnahmefall, sagt CH-Solar-Geschäftsführer André Chandiramani. Grössere Sorgenfalten würden ihm das Fehlen qualifizierter Fachkräfte bereiten.

Die neue Realität des langen Wartens

Auch Swissolar schätzt den Fachkräftemangel als viel kritischer ein. Der Branche fehlen zurzeit ungefähr 500 Fachkräfte, bis 2035 sind es sogar 11'000. «Die lassen sich nicht einfach so aus dem Boden stampfen», sagt Stickelberger. Die Politik habe es in den letzten Jahren verpasst, konkrete Anreizsysteme und langfristige Perspektiven zu schaffen. In den Jahren 2015 bis 2018 seien tausende Fachkräfte entlassen worden. Die Nachfrage sei eingebrochen, man konnte die Auftragsbücher nicht mehr füllen. «Das ist natürlich Gift für eine Branche, dieses Stop-and-go. Das darf nicht mehr passieren», sagt Stickelberger.

Gegen den Personalmangel soll nun mit einer ganzen Palette an Massnahmen angekämpft werden. Es gibt Quereinsteigerkurse und ab 2024 eine neu geschaffene Berufslehre für Solarteure. Diese werde drei Jahre dauern. «Parallel dazu wird eine einjährige Zusatzlehre angeboten für Personen aus dem Umfeld des Gebäudehüllenbereichs. Das wären unter anderem Dachdecker, Fassadenbauer, Gerüstbauer oder Spengler», so Stickelberger.

Wie lange es gehen wird, bis sich die Situation entschärft, darüber wollen weder Stickelberger noch Chandiramani spekulieren. Der Geschäftsführer von CH-Solar lässt jedoch durchblicken, dass man sich auch in Zukunft mit längeren Wartezeiten abfinden müsse. «Es ist nun mal die neue Realität, dass alles ein wenig länger dauert. Heute anrufen und morgen kommt jemand vorbei – das wird bestimmt nicht mehr der Fall sein.»

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Solar-Elektroauto Lightyear One
1 / 8
Solar-Elektroauto Lightyear One
quelle: lightyear
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Die herzigste Solaranlage der Welt steht in China
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
164 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
The Librarian
19.07.2022 06:16registriert November 2015
Was oft vergessen geht: Bei einem Ausfall des Stromnetzes lässt sich die von einer Solaranlage gewonnene Energie nicht nutzen. Es sei denn, man kann die Liegenschaft vom Stromnetz abkoppeln und hat Batterien und dazugehörende Wechselrichter, um den „eigenen“ Strom zu speichern.
1246
Melden
Zum Kommentar
avatar
p4trick
19.07.2022 06:27registriert März 2017
Jedes Solardach in der Schweiz bringt uns näher an die Unabhängigkeit. Billiger Nachttarif zu 15Rp/kWh wird es aber bald nicht mehr geben dafür billiger Tarif am Tag. Dann laden wir halt die Autos am Tag und heizen da die Speicher auf.
Gerh alles in die richtige Richtung \o/
1159
Melden
Zum Kommentar
avatar
wintergrün
19.07.2022 05:42registriert Dezember 2017
Ist doch gut. Endlich kommt die Energiewende in die Gänge.
10610
Melden
Zum Kommentar
164
Modekette Esprit schliesst 23 Läden in der Schweiz

Der Schweizer Ableger der Modekette Esprit ist pleite. Eine Reihe von Läden hat bereits zugemacht. Statt auf eigene Geschäfte will die Führung nun verstärkt auf Handels- oder Franchisepartner setzen. Von der Schliessung sind laut einem Konzernsprecher rund 150 Voll- und Teilzeitangestellte betroffen.

Zur Story