Die Solarenergie boomt. Letzte Woche veröffentlichte das Bundesamt für Energie, dass der Photovoltaik-Zubau 2021 gegenüber dem Vorjahr um 43 Prozent gestiegen ist. Solarpanels decken mittlerweile sechs Prozent des Schweizer Strombedarfs.
Gründe für den Solarboom gibt es viele: Die drohende Strommangellage, den Klimawandel, Corona und der Krieg in der Ukraine, welcher die Angst vor einer Energiekrise in neue Sphären steigen lässt. Mit Solarpanels auf dem Dach lassen sich viele dieser Sorgen bereinigen.
Das sieht auch watson-User Robert Frank so. Der Zürcher Oberländer wohnt in einer Doppelhaushälfte in Dürnten ZH und hat sich gemeinsam mit seiner Familie dazu entschlossen, Strom auf dem Dach zu produzieren. Doch beim örtlichen Photovoltaik-Spezialisten dann die Ernüchterung: Vor 2023 gibt es noch nicht mal einen Beratungstermin.
Anruf bei CH-Solar in Dürnten. «Wir erleben tatsächlich einen riesigen Nachfrageboom», sagt Geschäftsführer André Chandiramani. Die Wartezeit für Beratungstermine betrage momentan etwa sechs Monate. Bis zur Installation vergehe ungefähr ein weiteres Jahr. «Die Nachfrage ist bereits seit Beginn der Pandemie sehr hoch. Seit dem Kriegsausbruch ist sie nochmals gestiegen», sagt Chandiramani.
Ähnlich klingt es bei Swissolar, dem Schweizerischen Fachverband für Sonnenenergie. «Es herrscht ein gewaltiger Boom durch alle Segmente. Von Einfamilienhäusern bis zu Industrie- und Gewerbebauten, alle wollen Solaranlagen auf dem Dach haben», sagt Geschäftsleiter David Stickelberger. «Viele haben Angst vor einer Energieknappheit.»
Dies bestätigen auch Zahlen der Unternehmensgruppe Competec, zu der auch der Onlineshop brack.ch gehört. So hätten kurz nach Beginn des Kriegs die Umsätze mit Solaranlagen um das Zehnfache zugenommen.
Auch in der Industrie sei die Nachfrage geradezu explodiert. «Viele Firmen haben sich bisher auf dem freien Markt mit Strom eingedeckt. Zu sehr günstigen Preisen», sagt Stickelberger. Seit Kriegsausbruch seien die Stromkosten jedoch durch die Decke gegangen. «Jeder mit einem grossen Dach wird sich nun wohl überlegen, sich nicht doch eine Solaranlage installieren zu lassen.»
Die hohe Nachfrage ist eigentlich erfreulich, setzt der Bundesrat mit der Energiestrategie 2050 doch auf einen massiven Ausbau der Solarenergie. Das Problem liegt auf der Angebotsseite: Die Auftragsbücher hiesiger Solarinstallateure werden immer voller, der Bedarf kann nicht gedeckt werden.
Für Swissolar ist klar, wo die Probleme liegen: Es fehlt an Personal und an Material. Wichtige Komponenten wie Wechselrichter sind Mangelware, die Wartezeiten dafür lang. Die Geräte sind nötig, um elektrische Spannung umzuwandeln. Doch sie stecken in China fest. Die chinesische Wirtschaft ist durch Corona-Lockdowns blockiert. Globale Frachtkapazitäten sind überlastet. Die gesteigerte Nachfrage bringt das Fass nun zum überlaufen.
Auch die Lieferung der Solarpanels kann derzeit länger gehen, «die Situation ist aber noch lang nicht so kritisch wie bei den Wechselrichtern», sagt David Stickelberger. In der Praxis könnte das bedeuten, dass die Solaranlagen zwar gebaut, aber nicht ans Netz gehen können. Bei der Energiewendegenossenschaft Winterthur rechnet man derzeit mit sechs bis neun Monate Wartezeit für Wechselrichter.
In Dürnten ist die Situation noch nicht so schlimm. Mehrere Wochen oder Monate Wartezeit zwischen Bau einer Solaranlage und deren Inbetriebnahme seien momentan noch der Ausnahmefall, sagt CH-Solar-Geschäftsführer André Chandiramani. Grössere Sorgenfalten würden ihm das Fehlen qualifizierter Fachkräfte bereiten.
Auch Swissolar schätzt den Fachkräftemangel als viel kritischer ein. Der Branche fehlen zurzeit ungefähr 500 Fachkräfte, bis 2035 sind es sogar 11'000. «Die lassen sich nicht einfach so aus dem Boden stampfen», sagt Stickelberger. Die Politik habe es in den letzten Jahren verpasst, konkrete Anreizsysteme und langfristige Perspektiven zu schaffen. In den Jahren 2015 bis 2018 seien tausende Fachkräfte entlassen worden. Die Nachfrage sei eingebrochen, man konnte die Auftragsbücher nicht mehr füllen. «Das ist natürlich Gift für eine Branche, dieses Stop-and-go. Das darf nicht mehr passieren», sagt Stickelberger.
Gegen den Personalmangel soll nun mit einer ganzen Palette an Massnahmen angekämpft werden. Es gibt Quereinsteigerkurse und ab 2024 eine neu geschaffene Berufslehre für Solarteure. Diese werde drei Jahre dauern. «Parallel dazu wird eine einjährige Zusatzlehre angeboten für Personen aus dem Umfeld des Gebäudehüllenbereichs. Das wären unter anderem Dachdecker, Fassadenbauer, Gerüstbauer oder Spengler», so Stickelberger.
Wie lange es gehen wird, bis sich die Situation entschärft, darüber wollen weder Stickelberger noch Chandiramani spekulieren. Der Geschäftsführer von CH-Solar lässt jedoch durchblicken, dass man sich auch in Zukunft mit längeren Wartezeiten abfinden müsse. «Es ist nun mal die neue Realität, dass alles ein wenig länger dauert. Heute anrufen und morgen kommt jemand vorbei – das wird bestimmt nicht mehr der Fall sein.»
Gerh alles in die richtige Richtung \o/