Schweiz
Wirtschaft

Verletzung der Privatsphäre: Journalist von «20 Minutes» verurteilt

Verletzung der Privatsphäre: Journalist von «20 Minutes» verurteilt

28.04.2020, 11:33
Mehr «Schweiz»
Le journal Le Matin et photographie a cote du journal 20 Minutes ce mardi 22 aout 2017 a Lausanne. Les redactions des quotidiens 20 Minutes et du Matin vont regrouper leurs forces des le 1er janvier.  ...
Bild: KEYSTONE

Das Neuenburger Kantonsgericht hat einen Journalisten von «20 minutes» in einem Berufungsprozess wegen Verletzung der Privatsphäre verurteilt. Er wurde schuldig gesprochen, bei der Berichterstattung über den Prozess zum Doppelmord in Les Verrières NE den Familienhintergrund zu ausführlich geschildert zu haben.

Das Kantonsgericht Neuenburg hob mit seinem am Dienstag veröffentlichten Urteil einen Entscheid des Neuenburger Polizeigerichts auf. Die erste Instanz hatte den Journalisten im vergangenen Dezember noch freigesprochen. Der Richter war zum Schluss gekommen, dass die Verfügung, zum Schutze eines Opfers keinen Familienhintergrund preiszugeben, einen inhaltlichen Eingriff darstelle, der keine rechtliche Grundlage habe.

Der Präsident des Schweizer Presserats, Dominique von Burg, hatte als Zeuge im Prozess vor der ersten Instanz daran erinnert, dass die Berichterstattung über die Justiz grundlegend für eine Demokratie sei. Einschränkungen müssten selten sein und einem sehr wichtigen öffentlichen Interesse dienen. Während einer Gerichtsverhandlung, die teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinde, werde die Rolle des Journalisten und dessen Informationspflicht noch wichtiger.

Die Staatsanwaltschaft war jedoch anderer Ansicht. Sie legte gegen das Urteil des Polizeigerichts Rekurs ein. Sie kam zum Schluss, dass eine ausreichende Rechtsgrundlage dafür bestehe, unter aussergewöhnlichen Umständen dem Schutz der Privatsphäre einer an einem Gerichtsverfahren beteiligten Personen Vorrang vor der Pressefreiheit einzuräumen.

Weiterzug möglich

Der Journalistenverband Impressum zeigte sich besorgt über das Urteil. Er prangerte eine schwerwiegende Verletzung der Pressefreiheit an und empfahl einen Weiterzug des Urteils an das Bundesgericht. Nur so könne garantiert werden, dass der Verfassungsauftrag der Pressefreiheit gewährleistet sei.

«20 Minutes» hat noch nicht über einen Rekurs ans Bundesgericht entschieden, wie Chefredaktor Philippe Favre am Dienstag der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. Bis zu einem Beschluss über einen möglichen Weiterzug des Urteils wolle er sich nicht zum Fall äussern.

Motiv Eifersucht

Das Motiv des Doppelmordes im August 2017 in Les Verrières war Eifersucht. Ein 74-jähriger Schweizer ertrug es offenbar nicht, dass seine frühere, rund 20 Jahre jüngere Lebensgefährtin ein Leben mit einem anderen Mann führte und erschoss die beiden mit einer Faustfeuerwaffe.

Das Bezirksgericht von Boudry sprach den Mann des Mordes für schuldig und verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von 20 Jahren. (sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
7 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
champedissle
28.04.2020 14:31registriert März 2020
Grundlegender Pfeiler unserer Demokratie ist, dass auch die Medien vermehrt Anstand und Respekt beweisen, das kommt immer mehr abhanden. Vorverurteilungen sind an der Tagesordnung, Aufbauschende Nachrichten ebenfalls.
723
Melden
Zum Kommentar
avatar
thelastpanda
28.04.2020 12:18registriert Januar 2018
Es ist also ein grundlegender Pfeiler unserer Demokratie, noch den letzten Dreck anderer Menschen an die Öffentlichkeit zu zerren und möglichst sensationsgeil zu inszenieren? Weiss jetzt auch nicht, was das mit der Überwachung der Justiz durch die Medien zu tun hat. Typisches 20Minuten oder Blick-Argument halt. Bin froh, wenn diese "Journalisten" zwischendurch auch einmal vom Richter eins auf die Finger bekommen. Wäre es jetzt nach der rechtsauffassung des Angeklagten nicht möglich, etwas aus seinem Privatleben öffentlich zu machen? Einfach damit er mal weiss, wie sich das anfühlt.
525
Melden
Zum Kommentar
7
Der Böögg brannte nicht und nun droht uns Schnee – so mies wird das Wetter diese Woche

«Zuverlässiger als die Sommerprognosen des Bööggs sind die Wetterprognosen», schreibt MeteoNews in einer Mitteilung vom Montag. Da war allerdings noch nicht klar, dass das traditionelle Feuer auf dem Sechseläutenplatz wegen Sicherheitsbedenken vertagt wird. Denn nun wird es unheimlich: Ab Dienstag sinkt die Schneefallgrenze auf 700 bis 900 Meter. Weil der Schneemann nicht brannte?

Zur Story