Er gilt als schwächste Figur im Bundesrat: Der Waadtländer Guy Parmelin hat im VBS kaum Spuren hinterlassen. Auch nach seinem Wechsel ins Wirtschaftsdepartement hat der frühere Winzer bislang keine Stricke zerrissen. Umso wichtiger wäre der am Samstag vermeldete Durchbruch bei den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit dem Mercosur.
Pech nur, dass ein anderes Ereignis in Südamerika alles in den Schatten stellte: Die katastrophalen Brände im Amazonas-Urwald, die zum grössten Teil von Menschenhand gelegt wurden, um Weide- und Ackerland zu gewinnen. Ermuntert wurden die Brandstifter durch den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro (Übername «Hauptmann Kettensäge»).
Für den Rechtspopulisten hat die Ausbeutung des Regenwalds Priorität gegenüber dem Schutz. Damit aber ist das Mercosur-Abkommen in Frage gestellt, bevor die definitive Fassung des Vertragstextes vorliegt – da konnte sich SVP-Bundesrat Parmelin an einer Medienkonferenz am Samstag noch so sehr bemühen, die Vorteile für die Schweizer Wirtschaft hervorzuheben.
Die Grünen wollen bereits an ihrer Delegiertenversammlung vom nächsten Samstag über die Vorbereitung eines Referendums entscheiden, kündigte Parteipräsidentin Regula Rytz an. Am Montag legte die SP nach: Eine Unterzeichnung des Abkommens komme «derzeit nicht in Frage», liess sich die St.Galler Nationalrätin Claudia Friedl in einer Mitteilung zitieren.
Kritik am Deal mit den vier Ländern Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay äussern nicht nur Linke und Grüne, sondern auch die Landwirtschaft. Der Bauernverband lässt offen, ob er das Abkommen unterstützen wird. In seiner Stellungnahme allerdings erwähnt er nur negative Punkte, etwa dass Präsident Bolsonaro «den Umweltschutz und die Arbeitsrechte mit Füssen» trete.
«Wenn er weiterhin Wälder abbrennen lässt, um Nutzfläche für die Fleischproduktion zu gewinnen, mache ich bei diesem Abkommen nicht mit», sagte der Berner SVP-Nationalrat und Landwirt Andreas Aebi den Tamedia-Zeitungen. Er war Mitglied der Delegation, die im Frühjahr 2018 mit dem damaligen Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann den Mercosur besuchte, und hatte sich damals verhalten positiv geäussert.
Gegenwind für den Vertrag gibt es aber nicht nur in der Schweiz. Sie hat ihn nicht allein ausgehandelt, sondern zusammen mit den anderen Efta-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen. In Oslo bemühte sich Handelsminister Torbjørn Isaksen wie sein Schweizer Kollege, die Vorteile für die Exportwirtschaft hervorzuheben. Mit überschaubarem Erfolg.
Nicht nur die linke Opposition kündigte Widerstand an. «Unsere schlimmsten Befürchtungen betreffend die Regierung Bolsonaro sind eingetroffen», sagte Øyvind Eggen, Direktor des norwegischen Regenwaldfonds, am Samstag der Zeitung «Dagsavisen». Norwegen hat bis heute 8,3 Milliarden Kronen (rund eine Milliarde Euro) für die Rettung des brasilianischen Regenwalds aufgewendet.
Mitte August stoppten die Skandinavier eine weitere Zahlung von 300 Millionen Kronen aus Protest gegen das Vorgehen der Regierung Bolsonaro. Obwohl oder gerade weil Norwegen seinen Wohlstand primär dem Nordsee-Erdöl verdankt, betreibt es eine sehr aktive Klimapolitik. Erklärtes Ziel ist es, sich als erstes Land der Welt ausschliesslich aus erneuerbaren Energien zu versorgen.
Wenn die Norweger das Mercosur-Abkommen ablehnen, ist es vermutlich erledigt. Gleiches gilt für die Isländer. Die Regierung in Reykjavik äusserte sich in einer ersten Stellungnahme ebenfalls positiv, doch die Insel im Nordatlantik bekommt die Erderwärmung besonders stark zu spüren. Letzte Woche erklärte Island als erster Staat einen Gletscher an einer Zeremonie offiziell für «tot».
Doch selbst wenn sich die Lage im Amazonas-Gebiet entspannen und die Efta ihre Reihen schliessen sollte, ist das Abkommen nicht gesichert. Denn auch innerhalb des Mercosur gibt es Spannungen. Derzeit deutet alles darauf hin, dass Argentiniens wirtschaftsliberaler Präsident Mauricio Macri bei den Wahlen am 10. Dezember seinen Job verlieren wird.
Klarer Favorit ist der Peronist Alberto Fernandez, ein Weggefährte der früheren Präsidentin Cristina Kirchner. Deren Amtszeit war geprägt durch eine linkspopulistische und protektionistische Wirtschaftspolitik. Nun tritt Kirchner als Vize-Kandidatin an. Brasilien droht gemäss NZZ mit dem Austritt aus dem Mercosur, womit die Abkommen mit Efta und EU wohl Makulatur wären.
Globalisierung und Freihandel sind in letzter Zeit in Verruf geraten. Diese Tatsache und die verheerende Umweltpolitik von Jair Bolsonaro sind schlechte Vorzeichen für das Mercosur-Abkommen. Und für Guy Parmelins ersten Erfolg als Wirtschaftsminister.