Die Schweiz behält künftig achtzig Prozent der Quellensteuern, die auf das Einkommen von italienischen Grenzgängern erhoben werden. Nach dem Ständerat hat am Dienstag auch der Nationalrat grünes Licht gegeben für die Ratifizierung eines entsprechenden Steuerabkommens.
Die Regierungen der beiden Länder hatten das Abkommen im Dezember 2020 nach langjährigen Verhandlungen unterzeichnet. Damit soll hauptsächlich eine Doppelbesteuerung vermieden werden. 23 Prozent der Grenzgängerinnen und Grenzgängern in der Schweiz kommen aus Italien.
Für Personen, die zwischen dem 31. Dezember 2018 und dem Inkrafttreten des neuen Abkommens in den Kantonen Graubünden, Tessin oder Wallis arbeiten oder gearbeitet haben, gilt eine Übergangsbestimmung. Diese Grenzgänger unterliegen weiterhin ausschliesslich und bis zum Ende des Steuerjahres 2033 der Besteuerung in der Schweiz.
Im Gegenzug wird die Schweiz den italienischen Grenzgemeinden einen finanziellen Ausgleich in Höhe von vierzig Prozent der von ihr erhobenen Quellensteuer zahlen. Die Regierungen in Bern und Rom sind überzeugt, dass das neue Abkommen die Regelung, die aus dem Jahr 1974 stammte, deutlich verbessert.
Im Parlament war das Abkommen weitgehend unbestritten. Der Nationalrat stimmte dem entsprechenden Bundesbeschluss mit 186 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu. Der Ständerat hatte das Geschäft mit einer Gegenstimme genehmigt. Damit ist die Vorlage bereit für die Schlussabstimmungen.
Die SVP versuchte in beiden Räten, die Sistierung des Geschäfts zu erwirken, bis Italien die Schweiz von der Liste der Steuerparadiese aus dem Jahr 1999 streicht. Ein solcher Einzelantrag von Piero Marchesi (SVP/TI) scheiterte in der grossen Kammer mit 136 zu 55 Stimmen.
Allerdings möchte sich die Wirtschaftskommission zum weiteren Vorgehen bezüglich dieser Liste und des Zugangs der Schweizer Banken zum italienischen Markt näher informieren lassen, wie Sprecher Beat Walti (FDP/ZH) ausführte. Sie hat deshalb beim Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) eine zusätzliche Roadmap zu diesen Themen in Auftrag gegeben.
Finanzminister Ueli Maurer betonte, dass mit dem neuen Abkommen die Grenzgängerinnen und Grenzgänger zugunsten der Schweiz deutlich höher besteuert würden. Damit könne die Schweiz mehr Geld behalten als mit der alten Regelung. Das aktuell gültige Grenzgängerabkommen sieht vor, dass Grenzgänger nur in der Schweiz besteuert werden, wobei Italien 38.8 Prozent der Quellensteuer zustehen.
Im 2015 paraphierten Abkommensentwurf waren siebzig Prozent vorgesehen gewesen. Es sollte indes noch einmal fünf Jahre bis zu einer definitiven Einigung dauern. Im Dezember 2020 unterzeichneten die beiden Staaten das Abkommen schliesslich mit der Achtzig-Prozent-Regelung. Im italienischen Parlament ist laut Maurer keine Opposition zu erwarten, wodurch das Abkommen bald in Kraft treten könnte.
Im neuen Abkommen wird neu definiert, wer als Grenzgängerin oder Grenzgänger gilt. Es sind Arbeitnehmende, die weniger als zwanzig Kilometer von der Grenze entfernt wohnen und im Prinzip täglich nach Hause zurückkehren. Diese Definition gilt ab dem Inkrafttreten des Abkommens für alle neuen Grenzgängerinnen und Grenzgänger und für diejenigen nach aktueller Regelung.
Das Abkommen wird alle fünf Jahre überprüft. Eine Bestimmung sieht zudem regelmässige Konsultationen und allfällige Anpassungen in Bezug auf Homeoffice vor. Alle Regeln gelten eins zu eins auch für Schweizerinnen und Schweizer, die die im grenznahen Italien arbeiten. (aeg/sda)