International
Schweiz

Homeoffice für Grenzgänger könnte nach gegen das Gesetz verstossen

Homeoffice für Grenzgänger könnte nach der Pandemie gegen das Gesetz verstossen

Künftig könnten sich Arbeitgeber strafbar machen, wenn französische Frontaliers zu Hause arbeiten. In gewissen Kantonen ist Homeoffice dann grundsätzlich ein Problem – es droht Versicherungsärger.
11.02.2022, 08:49
Maja Briner / ch media
Mehr «International»

Es klingt verrückt – und selbst für die Wirtschaftsverbände war es eine überraschende Entdeckung: Arbeiten Grenzgänger aus Frankreich künftig im Homeoffice, macht sich ihr Schweizer Arbeitgeber unter Umständen strafbar.

Dazu muss man wissen: Während der Pandemie hat sich die Schweiz mit den Nachbarländern darauf geeinigt, bei den Grenzgängerinnen und Grenzgängern gewisse Regeln auszusetzen, damit sich trotz Homeoffice bezüglich Sozialversicherungen und Steuern nichts ändert. Diese Spezialregeln gelten teils bis Ende März, teils bis Ende Juni – oder unbestimmt. Wann sie aufgehoben werden, lässt sich laut Bund noch nicht mit Gewissheit sagen. Danach folgt die Rückkehr zum alten Regime – nichts Aussergewöhnliches, könnte man meinen.

Doch: Als Westschweizer Verbände letzten Sommer einen Leitfaden zum Thema Homeoffice und Grenzgänger erarbeiten wollten, stiessen sie auf das Problem mit den Frontaliers. «Das war auch für die Experten eine böse Überraschung», sagt Marco Taddei, Ressortleiter Internationales beim Arbeitgeberverband. Frankreich hatte 2019 das Steuergesetz geändert, was damals hierzulande keine Wellen schlug. Danach kam die Coronakrise – und die Homeoffice-Spezialregeln. Wenn diese auslaufen, kommt das neue Steuergesetz zum Tragen.

ZUM THEMA HOMEOFFICE STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES NEUES BILD ZUR VERFUEGUNG. WEITERE BILDER FINDEN SIE AUF visual.keystone-sda.ch --- Ein Mann arbeitet mit Laptop und Bildschirm im Homeoffice, fotograf ...
Er hat sein Homeoffice während der Pandemie gut ausgestattet.Bild: keystone

Genf, Freiburg und Aargau als Extremfälle

In gewissen Kantonen ist Homeoffice dann grundsätzlich ein Problem, weil sie keinem internationalen Abkommen mit Frankreich angeschlossen sind. Das trifft ausgerechnet Genf, wo über 92'000 Frontaliers arbeiten. Für einen Genfer Arbeitgeber heisst das konkret: Lässt er einen französischen Grenzgänger im Homeoffice arbeiten, müsste er laut französischem Gesetz einen Fiskalvertreter in Frankreich ernennen, also einen Steuervertreter.

Nur: Tut er das, verstösst er gegen Schweizer Gesetz. Die Ernennung eines Fiskalvertreters gelte als «verbotene Handlungen für einen fremden Staat», sagt Taddei. Anders gesagt: Entweder wird das französische oder das Schweizer Recht verletzt.

Dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) ist das Problem bekannt. «Es finden Gespräche mit Frankreich statt», so Sprecher Mario Tuor. «Deren Ausgang ist jedoch weiterhin offen.» Betroffen sei neben Genf und Freiburg vor allem der Aargau, erklärt das SIF. Dort arbeiten knapp 2300 Grenzgänger aus Frankreich.

Mehr als ein Tag pro Woche liegt generell nicht drin

In anderen Kantonen wie etwa Basel-Stadt, das deutlich mehr Frontaliers zählt, gibt es dank einer Vereinbarung mit Frankreich einen gewissen Spielraum, wie aus dem Leitfaden zum Thema hervorgeht, den der Arbeitgeberverband im Januar publiziert hat: Maximal 20 Prozent Homeoffice sind möglich, bei einem Vollzeitpensum also ein Tag pro Woche. Über dieser Grenze wäre laut Taddei ebenfalls die Einsetzung eines Fiskalvertreters nötig.

Deutschschweizer Verbände rufen mit Verweis auf den Leitfaden nun zur Zurückhaltung auf. Der Arbeitgeberverband Basel beispielsweise rät, bei Frontaliers aus Frankreich «äusserste Vorsicht» walten zu lassen und Homeoffice auf höchstens 20 Prozent zu beschränken.

SPERRFRIST BIS HEUTE UM 14:30 +++ ARCHIVBILD ZUR AUFHEBUNG DER HOMEOFFICE-PFLICHT AB DONNERSTAG, AM MITTWOCH, 2. FEBRUAR 2022 - Svenja Schneider, rechts, und Michael Baumgartner bei Arbeiten im Home O ...
Ein Pärchen macht Homeoffice. Sollten sie «Frontaliers» sein, die im Kanton Basel-Stadt in Vollzeit angestellt sind, dann empfiehlt der «Arbeitgeberverband Basel» Homeoffice auf einen Tag pro Woche zu beschränken.Bild: keystone

Weniger Geld im Portemonnaie

Das Problem bei den Frontaliers ist indes nur die Spitze des Eisbergs. Auch bei Grenzgängern beispielsweise aus Deutschland oder Österreich ist die Arbeit von zuhause aus ab einer gewissen Grenze heikel. «Wir empfehlen, Homeoffice bei Grenzgängern auf höchstens 20 Prozent zu beschränken», sagt Juristin Daniela Beck vom Arbeitgeberverband Basel. Derzeit sei diese Beschränkung wegen der Corona-Sonderregelung nicht nötig.

Voraussichtlich ab Juli gilt aber wieder: Ab 25 Prozent Homeoffice müssen Grenzgänger ihre Sozialabgaben nicht mehr in der Schweiz, sondern im Land ihres Wohnsitzes erbringen müssen. Sozialversicherungen wie die Altersvorsorge oder Unfallversicherung laufen dann nicht mehr über die Schweiz, sondern beispielsweise bei deutschen Grenzgängern über Deutschland. Arbeitnehmende merken das unter Umständen im Portemonnaie, da es für sie beispielsweise höhere Abzüge oder Einbussen in der Altersvorsorge bedeutet.

Beliebtes Homeoffice

Diese Regel galt zwar schon vor der Pandemie – nur ist Homeoffice inzwischen Homeoffice viel stärker verbreitet und der eine oder andere Angestellte hat Gefallen daran gefunden. Das zeigt sich beispielhaft beim Pharmaunternehmen Novartis. Dieser teilt auf Anfrage mit: «Die meisten Mitarbeitenden wünschen sich in Zukunft ein Modell, bei dem sie zwei bis drei Tage im Büro und zwei bis drei Tage pro Woche ausserhalb des Büros arbeiten können.»

Eine Quote dazu plane Novartis nicht. «Unsere Mitarbeitenden definieren die für sie beziehungsweise ihr Team besten Arbeitsweisen», erklärt eine Sprecherin. Dabei gelte es, die rechtlichen Bedingungen einzuhalten.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
22 interessante «Gerichte» aus den Lockdown-Küchen dieser Welt
1 / 24
22 interessante «Gerichte» aus den Lockdown-Küchen dieser Welt
bild: reddit

Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das könnte dich auch noch interessieren:
50 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Nordkantonler
11.02.2022 09:55registriert September 2020
"Es klingt verrückt – und selbst für die Wirtschaftsverbände war es eine überraschende Entdeckung"

Was klingt denn daran verrückt? Wie fände es denn die Schweiz, wenn auf einmal tausende Leute im Land arbeiteten, die ihre Sozialabgaben ganz woanders (oder gar nicht) entrichteten?
432
Melden
Zum Kommentar
avatar
Tubel vom Dienst
11.02.2022 10:24registriert Januar 2021
Ich verstehe die Grenzgänger. In einem günstigen Land leben mit einem Schweizer Lohn und die günstigen Sozialversicherungen der Schweiz. Ist "Figgi und Mühli " Das da anderen Länder nicht begeistert sind ist verständlich.
252
Melden
Zum Kommentar
avatar
chrisdea
11.02.2022 09:18registriert November 2014
Na, dann dürfen unsere Politiker und - innen mal zusehen, dass sie mit den entsprechenden Ländern eine Lösung finden, die den neuen Bedürfnissen entgegen kommt, ja?
225
Melden
Zum Kommentar
50
«Sie schummeln»: Biden will China massive Stahl-Zölle aufhalsen
US-Präsident Joe Biden will die US-Zölle für bestimmte Stahl- und Aluminiumimporte aus China verdreifachen und wirft Peking vor, überschüssigen Stahl auf dem Weltmarkt zu Dumpingpreisen anzubieten.

Die chinesische Regierung pumpe staatliche Gelder in chinesische Stahlunternehmen und dränge sie dazu, so viel Stahl wie möglich zu produzieren – viel mehr Stahl als China brauche, monierte US-Präsident Joe Biden am Mittwoch bei einer Wahlkampfrede im US-Bundesstaat Pennsylvania, der historisch für seine Stahlindustrie bekannt ist.

Zur Story