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Temu überholt die Migros – Schweizer Detailhändler sind «sehr besorgt»

A page from the Temu website is shown in this photo, in New York, Friday, June 23, 2023. The European Union said Friday, May 31, 2024, that it's adding Chinese online retailer Temu to its list of ...
Von Rasenmähern über Kinderschuhe bis zu Gummipuppen: Auf Temu lässt sich allerlei (Ramsch) kaufen.Bild: keystone

Temu überholt die Migros – Schweizer Detailhändler «sehr besorgt»

Temu verändert zunehmend die Konsumgewohnheiten der Schweizer – zum Ärger der lokalen Verkäufer. Die wichtigsten Zahlen findest du hier.
28.01.2025, 00:4628.01.2025, 14:44
Harold Unterlerchner
Harold Unterlerchner
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Die Schweizerinnen und Schweizer lieben Temu und Co. – die chinesischen Billig-Online-Händler haben sich hierzulande vollkommen etabliert. Laut einer repräsentativen Umfrage, die im Auftrag von Comparis durchgeführt wurde, haben 52 % der Schweizer Bevölkerung im Jahr 2024 mindestens einmal ein Produkt über eine der chinesischen digitalen Plattformen wie Temu, Shein, Wish oder Aliexpress bestellt.

Die Studie zeigt jedoch auch, dass die Konsumgewohnheiten je nach Individuum und Sprachregion des Landes sehr unterschiedlich sind.

So erfährt man beispielsweise, dass Frauen häufiger in diesen Online-Shops einkaufen: 57 % von ihnen lassen sich von den chinesischen Billigwaren verführen, im Vergleich zu 48 % der Männer.

Comparis stellt auch Unterschiede zwischen den Plattformen fest:

«Frauen bestellen deutlich häufiger bei Temu und bei der Fast-Fashion-Plattform Shein. Aliexpress hingegen wird eher von einem männlichen Publikum genutzt. Bei Wish gibt es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede.»

Auch wenn sich der Trend zu Temu und Co. in der ganzen Schweiz manifestiert, so gibt es zwischen den Sprachregionen signifikante Unterschiede. Die Tessiner scheinen Shopping bei den Online-Händlern regelrecht zu lieben. Fast 70 Prozent geben an, schon einmal bestellt zu haben. Skeptischer sind die Deutschschweizer, wo eine (sehr knappe) Mehrheit noch nie bestellt hat. Dazwischen liegen die Romands.

Temu: der niedrige Preis des Erfolgs

Während die Presse regelmässig über zahlreiche Probleme im Zusammenhang mit Temu oder Shein berichtet, scheinen ihre Kunden sich weder von der geringen Qualität der angebotenen Produkte noch von deren potenzieller Gefährlichkeit oder gar Toxizität abschrecken zu lassen: 72 % der Kunden geben an, «sehr zufrieden» oder «eher zufrieden» zu sein. Comparis erklärt dies folgendermassen:

«Die Mehrheit der Konsumentinnen und Konsumenten kauft in den chinesischen Online-Shops wegen der niedrigen Preise ein. Daher sind die Erwartungen an die Produkte auch leichter zu erfüllen als bei einem teureren Artikel.»

Die Preisfrage steht also im Mittelpunkt. Die Umfrage zeigt, dass Personen mit niedrigem Einkommen und einem geringeren Bildungsniveau «deutlich häufiger» ein Produkt auf den chinesischen Plattformen kaufen.

«Bei Temu und Co. können Alltagsgegenstände, Kleidung und Accessoires oft zu deutlich niedrigeren Preisen als in Schweizer Geschäften oder auf Schweizer Online-Portalen gekauft werden. Der fehlende Qualitätsnachweis oder die mitunter unzureichende Produktsicherheit spielen dabei kaum eine Rolle.»

Für die Kundinnen und Kunden steht der Preis klar an erster Stelle: Er ist der von 71 % der Befragten genannte Hauptgrund, weit vor der Vielfalt des Angebots oder der Schnelligkeit der Lieferung.

Digitec, Galaxus und Amazon hinken hinterher

Doch der grösste Erfolg von Temu liegt darin, dass der Händler alle anderen Plattformen überholt hat. Zum ersten Mal liegt Temu vor Digitec Galaxus, einer Tochtergesellschaft der Migros, die einst die unangefochtene Königin des Online-Handels in der Schweiz war.

Erkennbar ist, dass die vier chinesischen Giganten ganze 25 Prozent des Marktes halten, während der Anteil von Jeff Bezos' Amazon oder der deutsche Anbieter Zalando nur auf 11 beziehungsweise 15 Prozent kommen.

Die Dominanz einiger weniger ausländischer Akteure in einem stark wachsenden Sektor sorgt in der Schweiz für immer grössere Besorgnis. Laut einer Umfrage der Swiss Retail Federation betrachten 60 Prozent der Schweizer Händler Temu, Shein oder auch Amazon als «besorgniserregend» oder «sehr besorgniserregend».

Die Schweizer Händler fürchten vor allem, ihre Margen kürzen zu müssen und nicht gegen den Preisdruck bestehen zu können, den Temu und die anderen E-Commerce-Giganten ausüben.

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524 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Walter Sahli
28.01.2025 04:52registriert März 2014
Bei Galaxus kann man die Artikel nach Ursprungsland filtern. So kann man prima alle chinesischen Produkte meiden. Wenn ich durch meinen Konsum schon andere Leute reich mache, dann lieber nicht solche, die auf unsere Werte pfeifen.
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gulf
28.01.2025 03:24registriert März 2020
gekauft in der Schweiz heisst: mussten offiziell importiert werden und somitgetestet und bewilligt für Schweiz ( Elektrik und Schadstoffe ).
Bei Direktkauf ist das nicht so.
Deshalb aufgepasst bwispielsweise bei Artikel für Kinder.
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Musikuss
28.01.2025 05:07registriert September 2016
Warum soll ich in der Schweiz für einen Staubsaugerfilter 10 Franken zahlen, wenn ich bei Temu für das exakt gleiche Produkt 10 Stück erhalte? Hergestellt werden die ohnehin in China. Die Schweizer Firmen haben jahrelang mit dem Handel mit China von unerhörten Margen profitiert und jammern jetzt nicht nur, dass die fetten Jahre vorbei sind, sondern fordern schamlos Protektion für die Hochpreisinsel Schweiz.
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    «Männer wie Sie ...»: Hier putzt SP-Meyer den SVP-Präsidenten ab
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