Schweiz
Wirtschaft

So wollen Keller-Sutter und Parmelin das Zoll-Debakel richten

So wollen Keller-Sutter und Parmelin das Zoll-Debakel richten

US-Präsident Donald Trump hat sich auf einem US-TV-Sender zum Zollstreit mit der Schweiz geäussert. Derweil versuchen die Bundesräte Keller-Sutter und Parmelin in Washington den Zollhammer abzuwenden.
05.08.2025, 20:0305.08.2025, 20:08
Renzo Ruf aus Washington, Doris Kleck, Lea Hartmann / ch media
Mehr «Schweiz»
epa12086686 US Trade Representative Jamieson Greer (L), US Secretary of the Treasury Scott Bessent (2-L), Switzerland's President Karin Keller-Sutter (2-R), and Switzerland's Economy Ministe ...
Kommt es zu einem Wiedersehen? Im Mai trafen Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Guy Parmelin in Genf den US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer (links) sowie US-Finanzminister Scott Bessent.Bild: keystone

Nun also doch: Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin sind am Dienstagmorgen in die USA geflogen, um die angedrohten Zölle von 39 Prozent auf Schweizer Produkte herunterzuhandeln. An der Krisensitzung tags zuvor diskutierte der Bundesrat bereits eine mögliche Reise nach Washington. Doch bevor der Flieger startete, wollte man sicher sein, im Weissen Haus nicht vor verschlossenen Türen stehen gelassen zu werden und mit leeren Händen zurückzukehren.

Die Rettungsmission muss sitzen. Zu viel steht für die Schweiz auf dem Spiel. Bei einem Zoll von 39 Prozent ist für viele hiesige Unternehmen der US-Markt tot. Sie sind nicht mehr konkurrenzfähig. Am Dienstag setzte Trump zudem noch einen obendrauf: Er drohte der Pharmabranche mit Monster-Zöllen. Zunächst werde man nur einen «kleinen Zoll» erheben, in einigen Jahren soll er dann aber 250 Prozent betragen, sagte er CNBC.

Diese Delegation soll es richten

Wen die Schweizer Delegation in Washington trifft, ist unklar. Die Zusage für mindestens ein hochrangiges Gespräch ist offenbar erfolgt. Seit Montag habe es Entwicklungen gegeben, ist aus dem Bundeshaus zu hören. Das stimmt den Bundesrat optimistisch, doch noch einen Ausweg aus der Zollmisere zu finden. Allerdings dämpft man auch die Erwartungen: Die Nachverhandlungen könnten über den 7. August hinaus andauern – was bedeuten würde, dass die 39 Prozent Zoll kommen. Aber, so die Hoffnung, nur für kurze Zeit.

Die Delegation wird angeführt von Keller-Sutter und Guy Parmelin. Die beiden haben in den letzten Monaten einige Minister der Trump-Regierung kennengelernt, allen voran Finanzminister Scott Bessent, Handelsminister Howard Lutnick sowie den Handelsbeauftragten Jamieson Greer. Nur haben diese Kontakte wenig gefruchtet, weil Trump die ausgehandelte Vereinbarung vom Tisch wischte.

Zur Delegation gehört auch Helene Budliger, Staatssekretärin für Wirtschaft. Sie war wesentlich an der Verhandlung zum gescheiterten Abkommen beteiligt und reiste in den letzten Monaten mehrfach in die USA. Sie verfügt – zumindest auf ihrer Hierarchiestufe – über gute Kontakte in Washington und gilt als zugänglich und unkonventionell. Mit dabei ist zudem Daniela Stoffel, Staatssekretärin für internationale Finanzfragen. Sie ist ebenfalls krisenerprobt, war eine der Schlüsselfiguren bei der CS-Rettung, und vor allem kennt sich Stoffel im Weissen Haus aus: Sie war bereits einmal im Oval Office und hat Donald Trump aus nächster Nähe erlebt. Sie begleitete den damaligen Bundespräsidenten Ueli Maurer 2019 bei dessen Trump-Besuch. Damals diskutierte man unter anderem über ein mögliches Freihandelsabkommen.

Vielleicht trifft man – ganz zufällig – Trump?

Das wirkt wie ein Besuch aus einer anderen Zeit. Statt um freien Handel geht es nun um Abschottung.

Der Bundesrat erhofft sich, dass sich spontan weitere Treffen in Washington ergeben werden. Wie lange man in den USA bleibt, ist völlig offen. Vielleicht begegnen Keller-Sutter oder Parmelin ja – ganz zufällig – auch US-Präsident Donald Trump?

Ganz abwegig ist das nicht, wie eine Geschichte zeigt, die derzeit in Bundesbern kursiert. Der japanische Wirtschaftsminister war im April für eine erste Verhandlungsrunde auf Ministerebene nach Washington gereist. Während der Verhandlungen im Weissen Haus soll plötzlich Trump reingeplatzt sein – angeblich, um ein Cola zu servieren. Japan und die USA haben sich schliesslich vor zwei Wochen auf einen Zoll-Deal geeinigt, der einen Zollsatz von 15 Prozent vorsieht – statt der ursprünglich angedrohten 25 Prozent.

Hoffen auf den Zufall mag absurd klingen, doch Donald Trump sprengt sämtliche Normen der Politik. Die Schweizer Delegation steht vor einer enormen Herausforderung.

Trump äussert sich zu Telefonat mit Keller-Sutter

Wie unberechenbar Trump ist und wie faktenfrei er politisiert, zeigte er am Dienstag wieder einmal. Auf dem Fernsehsender CNBC äusserte er sich zum ersten Mal öffentlich zu seinem Telefongespräch mit Bundespräsidentin Keller-Sutter von letzter Woche, die er als  «Premierministerin» bezeichnete. «Die Frau war nett, aber sie wollte nicht zuhören», sagte Trump. Er habe ihr erklärt, dass das Handelsdefizit 41 Milliarden Dollar betrage: «Wir haben ein Defizit von 41 Milliarden Dollar. Und Sie wollen 1 Prozent Zölle zahlen, Madam», habe er zu Keller-Sutter gesagt. Und weiter: «Sie werden nicht 1 Prozent zahlen, wir verlieren, weil ich das Defizit als Verlust betrachte.»

Das sagt Trump über das Telefonat mit Keller-Sutter (lange Version)

Video: watson

Die Schweiz und die USA hatten ursprünglich eine Absichtserklärung ausgehandelt, die Zölle von 10 Prozent vorsah. Von nur 1 Prozent war nie die Rede gewesen. Und auch die Zahl zum Handelsdefizit scheint eher zufällig gewählt: 2024 betrug das Handelsdefizit aus US-Sicht rund 38 Milliarden Dollar. Am Dienstag wurde die Statistik für den Juni veröffentlicht. Die USA verzeichneten von April bis Juni gar einen Handelsüberschuss mit der Schweiz von 6,4 Milliarden Dollar. Im ersten Quartal von Januar bis März gab es hingegen ein Defizit von 54,3 Milliarden Dollar.

Die Zahlen zeigen, wie die Handelswelt unter Trump aus den Fugen geraten ist. Im ersten Quartal exportierten wegen der drohenden Zölle viele Schweizer Unternehmen mehr in die USA als üblich und füllten ihre Lager. Zudem wurde das Bild durch den bilateralen Goldhandel, der ausserordentliche Ausmasse annahm, verfälscht. (bzbasel.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das sagt Trump über das Telefonat mit Keller-Sutter (lange Version)
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
81 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Urmel aus dem Eis
05.08.2025 20:50registriert Oktober 2021
Es käme uns eventuell günstiger würden wir die 39% so nehmen und Milliarden dazu aufwenden um geschwächte KMUs zu unterstützen als Trump Milliarden Versprechen zu machen die in 3 Monaten schon wieder vergessen sind und der nächste Zollhammer ins Land saust. Wer sich auf solche Erpressung einlässt wird nur noch mehr bluten.
643
Melden
Zum Kommentar
avatar
butlerparker
05.08.2025 20:36registriert März 2022
Erst
"Doch bevor der Flieger startete, wollte man sicher sein, im Weissen Haus nicht vor verschlossenen Türen stehen gelassen zu werden und mit leeren Händen zurückzukehren."

Dann
"Wen die Schweizer Delegation in Washington trifft, ist unklar. Die Zusage für mindestens ein hochrangiges Gespräch ist offenbar erfolgt"

Mol Mol, na dann ist ja alles klar. Problem gelöst.
554
Melden
Zum Kommentar
avatar
Punkt72
05.08.2025 21:57registriert Mai 2025
Ich hätte nie gedacht das ich das mal schreiben würde, aber es wäre besser gewesen wenn der Bundesrat die Sache erst mal beobachtet hätte.
453
Melden
Zum Kommentar
81
19-Jähriger in Zürcher Innenstadt niedergestochen und schwer verletzt
In der Zürcher Innenstadt ist am Freitagabend bei einer Auseinandersetzung ein 19-Jähriger Ukrainer mit einer Stichwaffe schwer verletzt worden. Er musste in ein Spital gebracht werden, wie die Stadtpolizei Zürich am Samstag mitteilte.
Zur Story