wechselnd bewölkt
DE | FR
Schweiz
Wirtschaft

Valora: Der mexikanische Käufer Femsa hat grosse Expansionspläne

Müssen Migros und Coop zittern? Der mexikanische Valora-Käufer hat grosse Expansionspläne

Die Übernahme des Kioskkonzerns ist ein Paukenschlag im Schweizer Detailhandel. Doch beim Deal gibt es einige Fragezeichen. Es könnte sogar noch zu einer spektakulären Wende kommen.
06.07.2022, 06:48
Benjamin Weinmann / ch media
Mehr «Schweiz»

Das war's dann wohl. Der traditionsreiche Schweizer Kioskkonzern Valora mit Sitz in Muttenz dürfte schon bald in mexikanische Hände übergehen. Der südamerikanische Detailhändler Femsa hat den Baselbietern ein Angebot gemacht, das sie offenbar nicht ablehnen können. Rund 1.1 Milliarden Franken in bar - oder 260 Franken pro Aktie - liegen auf dem Tisch. Der Verwaltungsrat empfiehlt dem Aktionariat das Angebot anzunehmen.

ARCHIVBILD ZU DEN UMSATZZAHLEN VON VALORA --- Das Logo der k kiosk, fotografiert am 7. Januar 2020 am Bahnhof Oerlikon. K kiosk ist ein Convenience Services Format der Valora Gruppe. (KEYSTONE/Christi ...
Der Schweizer Kioskkonzern Valora gehört wohl bald Mexikanern.Bild: keystone

Es ist ein Paukenschlag im Schweizer Detailhandel, der insbesondere Migros und Coop aufschrecken dürfte. Denn bei Femsa handelt es sich um eine Branchen-Schwergewicht mit vergleichbarer Umsatzgrösse. 2021 generierte die mexikanische Firma rund 26 Milliarden Franken - bei der Migros waren es knapp 30, bei Coop 32 Milliarden. Die Femsa-Gruppe hat derweil bedeutend mehr Angestellte, 320'000 an der Zahl. Microsoft-Gründer Bill Gates ist über seine Firma Cascade mit 8 Prozent am Konzern beteiligt. Die mächtigsten Mitinhaber, mit einem Anteil von knapp 40 Prozent, sind aber eine handvoll schwerreiche, mexikanische Familien.

epa10003334 US Businessman Bill Gates poses on the red carpet, for the Time 100 Gala, which is held annually to celebrate the release of the magazine?s list of the '100 Most Influential People in ...
Microsoft-Gründer und Multi-Milliardär Bill Gates ist an Femsa beteiligt.Bild: keystone

Wichtiger Coca-Cola-Partner

Femsa ist mit 25'000 Geschäften in sechs südamerikanischen Ländern präsent, in erster Linie mit Supermärkten und Apotheken. Zudem ist ist die Firma volumenmässig die weltweit grösste Abfüll-Partnerin von Coca-Cola und die zweitgrösste Aktionärin des Bierbrauers Heineken.

Und: Femsa will wachsen. «Wir planen, Valora als Eingangstor für unsere Expansion in Europa zu benutzen», sagt Femsa-CEO Daniel Rodriguez bei der Verkündigung des Deals an einer Pressekonferenz in Zürich. Man wolle in der Schweiz und anderen bisherigen Märkten mit den Valora-Konzepten zulegen, aber auch neue Länder erschliessen. Heute zählt Valora insgesamt 2700 Verkaufsstandorte mit seinen Konzepten wie Avec, Caffè Spettacolo oder Backwerk. In weniger als fünf Jahren sollen es 3000 sein, wie Rodriguez gegenüber CH Media sagt.

Femsa-Chef Daniel Rodriguez
Femsa-Chef Daniel Rodriguez will nach Europa expandieren.bild: zvg

Kein Abbau in Muttenz geplant

Dass es keine grossen Synergien bei diesem Deal gibt, können die beiden Firmen an der Pressekonferenz nicht von der Hand weisen. In erster Linie gehe es um das gemeinsame Wachstum. Kostensenkungen seien nicht das Ziel, sagt Rodriguez. Zudem bleibe der Hauptsitz von Valora in Muttenz, und CEO Michael Mueller in seinem Amt.

Ex-Tesla-Manager Sascha Zahnd, der erst vor drei Monaten das Verwaltungsratspräsidium bei Valora von Ex-Intersport-Chef Franz Julen übernommen hatte, wird seinen Posten hingegen bereits wieder abgeben. Er betont dennoch: «Valora bleibt Valora.»

Michael Mueller Valora
Michael Mueller, Chef von Valora, soll sein Amt auch nach der Übernahme durch Femsa behalten.Bild: zvg

Wie fair ist der gebotene Preis?

Fragt sich einzig noch: Kommt der Deal mit Femsa wie geplant zustande - oder erhält Valora in den kommenden Monaten plötzlich noch ein lukrativeres Angebot? Denn so manche europäische Detailhandelsfirma dürfte sich nun überlegen, ob man dem mexikanischen Konkurrenten das Feld überlassen will oder nicht. Femsa-Chef Rodriguez ist sich dessen bewusst: «Wir wissen, wie diese Prozesse laufen, aber wir würden in diesem Fall unser Angebot nicht anpassen.»

Tatsächlich stellt sich die Frage, wie attraktiv das Angebot aus Mexiko wirklich ist. Zwar hat sich der Aktienkurs in den vergangenen vier Jahren halbiert. Und der gebotene Preis ist rund 50 Prozent höher als der Wert der letzten Tage. Allerdings lag der Aktienkurs vor Corona zuweilen bei 355 Franken. Durch die Pandemie sank dieser stark, weil die Umsätze insbesondere an den Bahnhöfen praktisch zum Erliegen kamen.

Valora erhält von SBB Zuschlag für 262 Kiosk-Standorte. (Archiv)
Während der Pandemie fehlten Valora die Pendlerinnen und Pendler in den Geschäften an den Bahnhöfen, wie zum Beispiel bei Avec.Bild: KEYSTONE

Doch wie Valora-Chef Michael Mueller selbst sagt, habe man die Pandemie-Krise relativ gut überstanden, schliesslich sind die Pendlerinnen und Pendler zurück. Für das laufende Jahr rechnet er mit einem operativen Gewinn von 70 Millionen Franken.

ZKB hält Migros-Angebot für möglich

Doch wer könnte Femsa überbieten? 2021 hatte die Zürcher Kantonalbank (ZKB) in einem Bericht spekuliert, dass Coop und Migros mittelfristig Valora übernehmen könnten (CH Media berichtete). Und nun, angesichts des Femsa-Deals? ZKB-Analyst Gian Marco Werro hält insbesondere ein Gegenangebot der Migros für «nicht ausgeschlossen», wie er gegenüber dem Wirtschaftsportal Cash.ch sagt.

Die Ursprünge des Kioskkonzerns Valora gehen weit zurück: 1905 wurde in Olten das Schweizer Chocoladen & Colonialhaus gegründet. Später wurde daraus Merkur. In den 80er- und 90er-Jahren entwickelte sich der Konzern, der 1996 in Valora umbenannt wurde, zu einem Gemischtwarenkonzern ohne klare Vision.

Zahlreiche Firmen wurden auf- und wieder verkauft. Dazu gehörten die Snackautomatenfirma Selecta, der Choco-Biscuit-Hersteller Kägi, der Fotoentwickler Fotolabo und sogar die Bico-Matratzen. Die Verzettelung führte dazu, dass Valora Mitte der Nuller-Jahre nahe am Konkurs stand.

Übernahme von US-Brezelbäcker

Daraufhin - parallel zu den starken Presse-Umsatzrückgängen - schärfte der Händler seine Strategie, setzte vermehrt auf seine vier Hauptkonzepte: Die blauen k-Kioske, die Kaffee-Kette Spettacolo, den Buchhändler Press & Books sowie die Schnellverpflegungskette Avec. Und er kaufte zu.

2012 erfolgte der Startschuss zur Auslandexpansion. Valora übernahm die deutsche Backwaren-Kette Ditsch, die einige Jahre zuvor den Schweizer Brezelkönig übernommen hatte. Darauf folgten weitere Akquisitionen mit den Naville-Kiosks in der Romandie, und in Deutschland mit den Cigo-Tabakgeschäften, den Bäckerei-Ketten Backwerk und Back Factory sowie in den USA mit der Übernahme der Firma Pretzel Baron, der tiefgekühlte Brezelsnacks in US-Supermärkten verkauft. Für Femsa offensichtlich ein schmackhaftes Portfolio. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet um die Zahlung abzuschliessen)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Logo ist das vegan! Migros
1 / 9
Logo ist das vegan! Migros
The Softy von V-Love (6.70.–): «Kommt sehr nahe an einen richtigen Camembert ran und passt sehr gut zu Früchtebrot. Der ist Legende.»
quelle: jennifer zimmermann / jennifer zimmermann
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Stell dir vor, du kaufst einen abgepackten Salat, und dann ...
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
42 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
sansibar
06.07.2022 07:14registriert März 2014
„ Femsa ist mit 25'000 Geschäften in sechs südamerikanischen Ländern präsent, in erster Linie mit Supermärkten und Apotheken. Zudem ist ist die Firma volumenmässig die weltweit grösste Abfüll-Partnerin von Coca-Cola und die zweitgrösste Aktionärin des Bierbrauers Heineken.“

Also das Übergewicht erst verursachen, und dann Medikamtente dagegen verkaufen. Geiles Konzept 👌
537
Melden
Zum Kommentar
avatar
Einer Wie Alle
06.07.2022 08:27registriert Dezember 2015
"Das war's dann wohl. Der traditionsreiche Schweizer Kioskkonzern Valora mit Sitz in Muttenz dürfte schon bald in mexikanische Hände übergehen. Der südamerikanische Detailhändler Femsa"
Mexiko liegt in Nordamerika. Mexiko ist ziemlich weit weg von Südamerika (zwei verschiedene Kontinente, verbunden durch die Landbrücke "Zentralamerika").
351
Melden
Zum Kommentar
avatar
Gandalf-der-Blaue
06.07.2022 08:10registriert Januar 2014
Egal, wer am Ende die Valora übernimmt: Ich glaube nicht, dass eine Übernahme die Detailhandelslandschaft in der Schweiz dramatisch verändern wird. Der Markt ist grundsätzlich gesättigt und der Eintritt von Aldi und LIDL haben gezeigt, dass wohl Veränderungen möglich sind, diese aber in einem überschaubaren Rahmen bleiben. Zentraler ist aber die Frage, wie sich Migros und Coop auf Inflation und gestiegende Produktionskosten einstellen: Denn die Marge bei den Detailhändlern ist nach wie vor zu hoch.
252
Melden
Zum Kommentar
42
Nach Milliardenverlust: Börsenbetreiberin SIX steckt im Schuldenkorsett
Wertberichtigungen auf den Beteiligungen am französischen Bezahldienstleister Worldline und an der spanischen Börse treiben SIX in die Enge. Nun hebt die Ratingagentur den Warnfinger.

Die Börsen- und Finanzmarktinfrastruktur-Betreiberin SIX hat 2023 – nicht überraschend – einen Milliardenverlust eingefahren. Allein die Wertberichtigung auf der 10,5-Prozent-Beteiligung am Zahlungsvermittler Worldline schlug mit 862 Millionen Franken ins Kontor.

Zur Story