Die Staatsanwaltschaft muss im Verfahren gegen den früheren Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz und zahlreiche weitere Beschuldigte nochmals über die Bücher gehen. Das Zürcher Obergericht hat die Urteile gegen die Beschuldigten, die teilweise auf mehrjährige Gefängnisstrafen lauteten, aufgehoben. In dem Verfahren sei es zu «schwerwiegenden Verfahrensfehlern» gekommen.
Die Staatsanwaltschaft müsse ihre 356-seitige Anklageschrift straffen und statt ausschweifender Erklärungen zur Begründung der Anklage kurz und bündig darlegen, was sie den Beschuldigten eigentlich vorwirft.
Haben hier hoch dotierten und teuren Verteidiger in dem Prominenten-Prozess wieder einmal das Haar in der Suppe gefunden?
Nein, das sogenannte Anklageprinzip ist eine elementare Voraussetzung für einen fairen Strafprozess. Die Staatsanwaltschaft ist angehalten, eng bei den konkreten Vorwürfen zu bleiben und auf jede Beeinflussung des Gerichtes zu verzichten. Das Prinzip dient dem Schutz des Bürgers vor dem Staat. Leider kommt genau das im gerichtlichen Alltag aber viel zu oft zu kurz.
Gewöhnliche Straftäter haben nicht die finanziellen Mittel und erhalten oft nicht die nötige gerichtliche Achtsamkeit, die es braucht, damit schwerwiegende Verfahrensfehler und ungerechte Urteile vermieden werden können.
Auch das «rechtliche Gehör», das einem französischsprachigen Beschuldigten nicht gewährt wurde, weil es nur eine deutsche Fassung der Anklageschrift gab, bleibt vielen namenlosen Straftätern, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, oft vorenthalten.
Das Obergericht hat Recht gesprochen. Doch dem Grundsatz: «Recht, wem Recht gebührt» wird auch das Schweizer Justizsystem zu oft nicht gerecht.
Weiter ist auch die Politik schuld, da sie die Strafverfolgung für Wirtschaftskriminalität extra zu klein hält und nicht das nötige Budget spricht. Also ist es in der Tat auch ein Reichenbonus, den die Politik so durchsetzt.