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Vincenz-Urteil überraschend aufgehoben: Ist das ein Reichen-Bonus?

Pierin Vincenz, Ex-CEO Raiffeisen erscheint zum Raiffeisen-Prozess des Zuercher Bezirksgerichts vor dem Volkshaus, am Dienstag, 25. Januar 2022, in Zuerich. Die Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen ...
Pierin Vincenz erscheint zum Prozess des Zürcher Bezirksgerichts am 25. Januar 2022. Bild: keystone
Analyse

Vincenz-Urteil überraschend aufgehoben – ein Reichen-Bonus?

Alle Bürger verdienen einen fairen Strafprozess – doch das bleibt oft den Reichen und Einflussreichen vorbehalten. Diesen Mangel zeigt der Fall Vincenz schonungslos auf.
20.02.2024, 13:53
Daniel Zulauf / ch media
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Die Staatsanwaltschaft muss im Verfahren gegen den früheren Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz und zahlreiche weitere Beschuldigte nochmals über die Bücher gehen. Das Zürcher Obergericht hat die Urteile gegen die Beschuldigten, die teilweise auf mehrjährige Gefängnisstrafen lauteten, aufgehoben. In dem Verfahren sei es zu «schwerwiegenden Verfahrensfehlern» gekommen.

Die Staatsanwaltschaft müsse ihre 356-seitige Anklageschrift straffen und statt ausschweifender Erklärungen zur Begründung der Anklage kurz und bündig darlegen, was sie den Beschuldigten eigentlich vorwirft.

Haben hier hoch dotierten und teuren Verteidiger in dem Prominenten-Prozess wieder einmal das Haar in der Suppe gefunden?

Nein, das sogenannte Anklageprinzip ist eine elementare Voraussetzung für einen fairen Strafprozess. Die Staatsanwaltschaft ist angehalten, eng bei den konkreten Vorwürfen zu bleiben und auf jede Beeinflussung des Gerichtes zu verzichten. Das Prinzip dient dem Schutz des Bürgers vor dem Staat. Leider kommt genau das im gerichtlichen Alltag aber viel zu oft zu kurz.

Gewöhnliche Straftäter haben nicht die finanziellen Mittel und erhalten oft nicht die nötige gerichtliche Achtsamkeit, die es braucht, damit schwerwiegende Verfahrensfehler und ungerechte Urteile vermieden werden können.

Auch das «rechtliche Gehör», das einem französischsprachigen Beschuldigten nicht gewährt wurde, weil es nur eine deutsche Fassung der Anklageschrift gab, bleibt vielen namenlosen Straftätern, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, oft vorenthalten.

Das Obergericht hat Recht gesprochen. Doch dem Grundsatz: «Recht, wem Recht gebührt» wird auch das Schweizer Justizsystem zu oft nicht gerecht.

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76 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Roegerl
20.02.2024 14:25registriert Juni 2022
Vor dem Gesetzt sind eben doch nicht alle gleich!
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Zaff Gathright
20.02.2024 14:52registriert Februar 2024
Wenn es darum geht, sich gegen strafrechtliche Anschuldigungen zu verteidigen, fällt auf, dass Personen, die mit ausreichenden finanziellen Ressourcen gesegnet sind und sich erstklassige Anwälte leisten können, einen erheblichen Vorteil gegenüber jenen ohne finanzielle Mittel, juristisches Wissen oder einem ausländisch klingenden Namen haben. Des Weiteren ist zu beobachten, dass Frauen bei vergleichbaren Taten häufiger mit milderen Strafen davonkommen als Männer, insbesondere wenn sie Kinder haben.
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Neruda
20.02.2024 14:44registriert September 2016
Nach dem Radio SRF Beitrag scheint es mir vor allem ein weiteres Versagen der Staatsanwälte zu sein. Deren Anklageschrift wurde von den Richtern ja richtiggehen zerpflückt. Offenbar sind Staatsanwälte nicht nur überfordert, wenn es darum geht Verbrechen von Polizisten aufzuklären, sondern auch sonst bei allem, was über eine Parkbusse drüber geht.

Weiter ist auch die Politik schuld, da sie die Strafverfolgung für Wirtschaftskriminalität extra zu klein hält und nicht das nötige Budget spricht. Also ist es in der Tat auch ein Reichenbonus, den die Politik so durchsetzt.
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