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Raiffeisen-Prozess: Das Urteil ist ein Signal gegen die Abzockerei

Der ehemalige Raiffeisenchef Pierin Vincenz verlaesst die Urteilseroeffnung des Raiffeisen-Prozesses des Zuercher Bezirksgerichts, am Mittwoch, 13. April 2022 vor dem Volkshaus in Zuerich. Das Bezirks ...
Ein angespannter Pierin Vincenz verlässt das Volkshaus kommentarlos.Bild: keystone
Kommentar

Das Vincenz-Urteil ist ein Signal gegen die Abzockerei

Das hatten die wenigsten Beobachter erwartet: Der frühere Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz soll für drei Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Es ist ein Urteil mit Signalwirkung.
13.04.2022, 14:32
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Der Swissair-Prozess endete vor 15 Jahren mit einer Blamage für die Staatsanwaltschaft. Alle 19 Angeklagten wurden freigesprochen und erhielten eine Entschädigung. Es war keine Überraschung, denn beim Untergang des fliegenden National-Symbols war keine kriminelle Energie im Spiel, sondern ein Mix aus Selbstherrlichkeit und Überforderung.

Nun steht auch das Urteil im grössten Schweizer Wirtschaftsprozess seit der Aufarbeitung der Swissair-Pleite fest. Und dieses Mal war die Überraschung beträchtlich: Das Bezirksgericht Zürich verurteilte den früheren Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz zu drei Jahren und neun Monaten Gefängnis. Sein Mitstreiter Beat Stocker erhielt vier Jahre.

Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel, Mitte, verlaesst die Urteilseroeffnung des Raiffeisen-Prozesses des Zuercher Bezirksgerichts, am Mittwoch, 13. April 2022 vor dem Volkshaus in Zuerich. Das  ...
Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel zeigte sich zufrieden mit dem Urteil.Bild: keystone

Es war nicht nur eine «Alibi-Verurteilung», um dem Staat eine Entschädigung wegen der je 106-tägigen Untersuchungshaft zu ersparen. Das dreiköpfige Bezirksgericht folgte in den meisten Punkten der Argumentation der Staatsanwaltschaft. Vereinzelt gab es Freisprüche, weshalb die Strafen geringer ausfielen als die beantragten je sechs Jahre Haft.

Erstaunen über Strafmass

Dennoch waren die Medienvertreter im Volkshaus erstaunt über die Höhe des Strafmasses. Denn mit einer Verurteilung rechnen konnte man im Vorfeld einzig bei Vincenz’ grosszügiger Verwendung der Firmenkreditkarte für private Eskapaden. Seine Besuche in Stripclubs und Cabarets seien «nicht im Interesse von Raiffeisen» gewesen, so das Gericht.

Umstrittener waren die vier Firmenübernahmen, bei denen Vincenz und Stocker durch heimliche Beteiligungen abkassiert haben sollen. Die Anklage stützte sich in erster Linie auf einen Berg von Indizien ab, die von den Verteidigern in ihren Plädoyers teilweise genüsslich zerpflückt wurden. Selbst Fachleute zweifelten an der Qualität der Anklageschrift.

Ein Schatten auf der KMU-Schweiz

Das Gericht aber ist ihr nun in weiten Teilen gefolgt, was der leitende Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel nach der Urteilsverkündung mit Genugtuung zur Kenntnis nahm. Erkennbar war in der mündlichen Begründung des vorsitzenden Richters Sebastian Aeppli auch das Bemühen um eine differenzierte Beurteilung der vier Transaktionen.

Über den konkreten Fall hinaus hat das Raiffeisen-Urteil eine hohe Symbolwirkung. Man kann es als Signal interpretieren gegen die Abzocker-Mentalität, die auch die vermeintlich biedere und grundsolide Welt der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) erfasst hat. Denn letztlich spielten sich die Machenschaften in dieser Sphäre ab.

Psychologische Aspekte

Dies wiederum trägt zum oft beklagten Vertrauensverlust in die Schweizer Wirtschaft bei, der in diversen politischen Entscheiden der letzten Zeit zum Ausdruck kam. «Das Signal an Wirtschaftsführer, die Geschäfte im Graubereich betreiben und diese ihren Arbeitgebern nicht offenlegen, ist auf jeden Fall abschreckend», heisst es in einer Einschätzung der NZZ.

Im Fall von Pierin Vincenz kommt eine persönliche Komponente hinzu: Der joviale Bündner inszenierte sich gerne als bodenständiger «Volksbanker», pflegte aber gleichzeitig einen «Goldküsten-Lifestyle». Auch wenn es in juristischen Verfahren in erster Linie um Paragrafen und Präzedenzfälle geht, darf man solche psychologischen Aspekte nie unterschätzen.

Vincenz verliess das Volkshaus kommentarlos. Sein Anwalt Lorenz Erni kündigte an, das Verfahren ans Obergericht weiterzuziehen. Sollte das Urteil durch alle Instanzen bestätigt werden, muss der einstige Liebling der People-Medien auch nach Abzug der U-Haft definitiv ins Gefängnis. Es wäre ein tiefer und nach Ansicht des Gerichts selbst verschuldeter Fall.

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quelle: keystone / walter bieri
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48 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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stormcloud
13.04.2022 14:05registriert Juni 2021
Klare Kante und ein Zeichen, dass die Reichen und Mächtigen nicht immer mit einem blauen Auge davon kommen.
Gewiss ein Warnschuss für andere 🙄
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Päule Freundt
13.04.2022 14:12registriert März 2022
Das Urteil wird natürlich weitergezogen werden, aber Vincenz und Stocker werden heute Nacht nicht gut schlafen.
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juergy
13.04.2022 14:03registriert Februar 2016
es gibt sie noch… die Gerechtigkeit !! Diesen modernen Raubrittern muss der Stecker gezogen werden. Das Urteil ist erst der Anfang.
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