Auf dem Villenhügel von St. Moritz thront an bester Lage ein riesiges Chalet. Es ist eines der ältesten Häuser des Oberengadins. Baujahr 1870. Auf der Holzfassade steht in verschnörkelter Schrift auf Rätoromanisch: «Der kluge Mann baut sein Haus auf Fels.» Tatsächlich beginnt gleich unterhalb der zum See gerichteten Fassade der Fels.
Der Spruch hat einen biblischen Hintergrund. Jesus predigte, dass der kluge Mann sein Haus auf Fels baue. Mit einem soliden Fundament überstehe es auch ein Unwetter.
Die juristische Konstruktion, die sich hinter der Villa verbirgt, ist allerdings einsturzgefährdet. Es handelt sich um eine Steuerumgehung, wie das Bundesverwaltungsgericht jetzt feststellt. Das Urteil liegt der «Schweiz am Wochenende» vor.
Stolzer Besitzer der Ferienresidenz ist Peter Spuhler. Er machte aus der Firma Stadler einen erfolgreichen, weltweit tätigen Bahnbauer und bringt es gemäss der «Bilanz» auf ein Vermögen von knapp vier Milliarden Franken.
Sein Ferienhaus besitzt er über eine Firma, die Chesa Sül Spem AG. Das bedeutet Haus auf Fels – so nennt Spuhler sein Chalet. Die Firma hat nur eine Aufgabe: Sie besitzt diese Liegenschaft. Spuhler ist Alleinaktionär und vermietet sich und seiner Frau das Haus zur exklusiven Nutzung.
Damit spart er dreifach Steuern. Erstens kaufte er die Luxusimmobilie indirekt über diese Firma, was fiskalisch günstig ist. Zweitens muss er weniger Vermögenssteuern zahlen, da das Haus nicht zu seinem Privatvermögen zählt. Drittens liess er sich die Mehrwertsteuer von den Umbaukosten abziehen.
Das ging so: Spuhler liess die Firma nach dem Kauf ins Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eintragen. Dann renovierte er sein Bijou für mehr als zehn Millionen Franken. Darin enthalten waren 7,7 Prozent Mehrwertsteuer, was fast einer Million Franken entsprach. Diese liess sich der Unternehmer als Vorsteuerabzug von der Steuerverwaltung auszahlen.
Dafür musste er auf die Mietkosten, die er seiner eigenen Firma zahlte, eine Mehrwertsteuer entrichten – allerdings nur zum reduzierten Steuersatz für Beherbergungen von 3,7 Prozent. Er kalkuliert mit einer Miete von 264'000 Franken pro Jahr (22'000 Franken pro Monat). Er zahlt also nur knapp 10'000 Franken Mehrwertsteuer pro Jahr – ein guter Deal für ihn.
Anfangs akzeptierte die eidgenössische Steuerverwaltung diese Abrechnungsmethode. Doch dann führte sie im Sommer 2021 eine Kontrolle durch und warf ihm eine Steuerumgehung vor. Sie verlangte 865'000 Franken von ihm zurück. Er zahlte den Betrag unter Vorbehalt und ging gegen die Verfügung vor Gericht.
Am 8. Januar 2025 – am Tag vor Spuhlers 66. Geburtstag – hat das Bundesverwaltungsgericht nun sein Urteil gefällt. Es bestätigt eine Steuerumgehung. Zu dieser Einschätzung kommen die Gerichte nur in aussergewöhnlichen Situationen.
Dazu muss man wissen: Eine Steuervermeidung ist legal. Unternehmen dürfen sich so organisieren, dass sie möglichst wenig Steuern zahlen müssen. Eine Steuerumgehung liegt hingegen gemäss der Gerichtspraxis erst vor, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind.
Das Bundesverwaltungsgericht hält es zwar nicht für ungewöhnlich, dass eine Firma ein Ferienhaus hält. Eine «absonderliche Rechtsgestaltung» sieht das Gericht aber darin, dass Spuhler die Firma nur dazu verwende, seine privaten Bedürfnisse als Alleinaktionär zu befriedigen.
In seiner Beschwerde widerspricht Spuhler vehement. Er und seine Ehefrau seien für verschiedene Unternehmen tätig. Sie müssten deshalb auch in ihren Feriendomizilen über eine Büroinfrastruktur verfügen, mit der sie ihre Geschäfte führen könnten.
Die Villa in St. Moritz hat vier Büroräume. Spuhler empfängt hier Geschäftspartner zu Besprechungen und Dinners oder hält mit seinen Firmen Strategieworkshops ab. Das Haus habe folglich auch einen unternehmerischen Zweck.
Diesen Einwand lässt das Bundesverwaltungsgericht aber nicht gelten. Denn die Chesa Sül Spem AG sei nicht in Spuhlers Holdingstruktur eingebunden. Der Unternehmenszweck bestehe nur darin, eine Liegenschaft zu halten. Diesem Zweck sei nicht gedient, wenn Spuhler sein Firmenimperium von St. Moritz aus managen könne.
Deshalb weist das Bundesverwaltungsgericht Spuhlers Beschwerde vollumfänglich ab und bestätigt, dass er eine Steuerumgehung begangen habe und deshalb fast eine Million Franken zurückzahlen müsse. Hinzu kommen jetzt noch Verfahrenskosten von 16'000 Franken.
Spuhler sagt dazu auf Anfrage: «Ich weise eine Steuerumgehung in aller Form entschieden von mir.» Er betont, dass die eidgenössische Steuerverwaltung den geltend gemachten Vorsteuerabzug zunächst akzeptiert habe. Doch dann habe sie «völlig überraschend» ihre Meinung geändert.
Der ehemalige Thurgauer SVP-Nationalrat ärgert sich: «Für mich war die unsichere Rechtslage unbefriedigend und nicht akzeptierbar. Deshalb wollte ich den Entscheid der eidgenössischen Steuerverwaltung auf dem Gerichtsweg überprüfen lassen.» Das Bundesverwaltungsgericht benötigte fast zwei Jahre für einen Entscheid und begründete ihn auf 27 Seiten. Dies deute darauf hin, dass die Praxis auch intern umstritten sei.
Spuhler prüft derzeit, ob er das Urteil ans Bundesgericht weiterzieht. Ihm sei es wichtig, dass diese rechtliche Unsicherheit geklärt werde – entweder durch die Gerichte oder durch eine Gesetzesrevision.
Zudem betont Spuhler, dass er das Ferienhaus eigentlich privat kaufen wollte. Doch die frühere Eigentümerin hielt das Haus über eine liechtensteinische Firma und wollte den Kauf nur über diese abwickeln. Spuhler transferierte diese deshalb in die Schweiz und baute sie um.
Die Verkäuferin ist eine Erbin der deutschen Autobauerfamilie Opel. Sie ist die Enkeltochter von Fritz von Opel, genannt «Raketen-Fritz». Er entwickelte einen Rennwagen mit Raketenantrieb und lebte von 1899 bis 1971.
1934 gründete er die liechtensteinische Firma, über die er das Haus in St. Moritz hielt. Schon aus den Gründungsunterlagen geht hervor, dass er so Steuern sparen wollte. Die Familie vererbte die Villa danach unter dem Namen «Chalet Opel» von Generation zu Generation weiter.
Spuhler benannte das Haus dann um und trug die Aussage von der Fassade ins Handelsregister ein. Als er die Firma für die Mehrwertsteuer anmeldete, beherzigte er den biblischen Spruch allerdings nicht. Die rechtliche Konstruktion baute er auf sandigem Grund weiter.
Mai: er hat es versucht und ist aufgeflogen. Und nun macht er einen auf empörten, sterbenden Schwan. Die Million, die zu unrecht gespart wurde Ablieferung und gut ist.
Was für eine Drama-Queen ;))
Schöne Welt.