Die Wirtschaftshistorikerin Andrea Franc hat der NZZ vergangene Woche ein Interview gegeben, welches für viel Wirbel sorgt.
Darin wirft sie Studierenden der Geistes- und Sozialwissenschaften vor, vom Vermögen ihrer Eltern oder auf Kosten der Steuerzahler zu leben, da sie nur in kleinen Pensen arbeiten würden. Ausserdem zweifelte sie pauschal an den geistigen Fähigkeiten der Studierenden: «Ich befürchte, dass viele nicht einmal die Fragen der Einbürgerungstests richtig beantworten könnten», so Franc. Geisteswissenschafter würden ihre Zeit an der Uni zudem einfach «absitzen und sich durchs Studium kiffen.» Richtige Belege präsentiert Franc kaum, meistens liefert sie anekdotische Evidenz oder beantwortet die Fragen «intuitiv».
Das Interview sorgt bei den Studierenden der Uni Luzern für Empörung. In einem Brief, der watson vorliegt, fordern sie eine öffentliche Stellungnahme von der Universitätsleitung sowie der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Zugleich kritisieren sie die Aussagen Francs, welche «Geschichte des ökonomischen Denkens» an der Uni Luzern lehrt, da sie einem ebenfalls aufgeführten Faktencheck nicht standhalten würden.
Die Studierenden erwarten deswegen «eine klare Distanzierung von den diffamierenden Aussagen». Die Leitung der Universität müsse sich hinter die Studierenden stellen, wenn diese «diskreditiert und unter Generalverdacht gestellt werden». Rund 100 Studierende aus allen Fakultäten haben den Brief bisher unterschrieben, die Unterschriftensammlung läuft noch.
Die Uni Luzern gibt sich derweil zurückhaltend. «[Francs] Meinung deckt sich nicht mit der Ansicht und den Erfahrungen der Universität Luzern. Wir haben einen völlig anderen Eindruck von unseren Studierenden», sagt Kommunikationsbeauftragter Lukas Portmann. Man stelle zudem fest, dass die Absolvierenden der Geisteswissenschaften sich hervorragend in den Arbeitsmarkt integrieren können. Darüber hinaus wolle man keine Stellung nehmen. Auch von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät sei keine Stellungnahme vorgesehen.
Deutlicher wurde Martin Hartmann, Dekan der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät an der Universität Luzern. Die NZZ gewährte ihm einen Gastkommentar. Darin kritisiert er Franc scharf.
Die Wirtschaftshistorikerin lasse ein «kühles, ja brutales Menschenbild» durchschimmern, «das alles, was nicht effizient im ökonomischen Sinne ist, beschneiden oder wenigstens ökonomisch bestrafen will.»
Hartmann beschuldigt Franc zudem, sich zu sehr auf ihre Intuition zu verlassen und öffentlich zugängliche Daten, zum Beispiel des Bundesamtes für Statistik, zu ignorieren. So werfe Franc den Studierenden in Sachen Teilzeitarbeit lieber vor, aus rein privaten Motiven keiner Vollzeittätigkeit nachgehen und vom Wohlstand anderer leben zu wollen, anstatt sich den wirklichen Gründen zu widmen. «Das ist einseitig und legt einen extrem engen Begriff gesellschaftlicher Effizienz zugrunde.»
Einmal greift jedoch auch Hartmann zur anekdotischen Evidenz, als es um die Frage ging, ob Geistes- und Sozialwissenschafter unmotiviert und überfordert seien:
Es sind jedoch nicht nur die Studierenden der Universität Luzern, die über die Aussagen Francs erbost sind. Wirtschaftshistorikerin Franc lehrt nämlich auch noch an der Universität Basel. Dort ist sie Privatdozentin im (geisteswissenschaftlichen) Fach Geschichte.
«Was Frau Franc erzählt hat, ist einfach fernab jeglicher Realität», sagt Valentin Messmer, Präsident von «skuba», der offiziellen Studierendenvertretung der Universität Basel. «Es wurde ein Bild gezeichnet vom faulen Studierenden, der à la 60er-Jahre nur bekifft ist. Das stimmt so einfach nicht.» Der Grossteil der Studierenden würde neben ihrem Vollzeitstudium noch arbeiten und dementsprechend das 100-Prozent-Pensum bei Weitem überschreiten.
Die «skuba» plant deswegen ebenfalls, das Rektorat und Frau Franc in einem Brief zu konfrontieren. «Das Ziel ist es, eine Entschuldigung für diese unhaltbaren Aussagen zu kriegen», so Messmer.
Die Uni Basel verweist auf Anfrage auf ihren «Code of Conduct». Darin stehe, dass man wertschätzend und respektvoll kommuniziere und Kritik konstruktiv äussere. «Die von Frau Franc verwendete Wortwahl entspricht nicht diesem Selbstverständnis», sagt Matthias Geering, Kommunikationsleiter der Uni Basel.
(Ironie)