Geisteswissenschaftler sind eine Plage. Philosophinnen, Historiker, Ethnologinnen – alles das Gleiche: wohlstandsverwöhnte Dauerbekiffte, die entweder von staatlichen Almosen oder von Papas Geld leben. Mit richtigen, hochgebildeten Menschen wie Boris Johnson oder Christoph Blocher haben diese Pseudoakademiker nichts mehr gemein. Zumindest erzählt das die Wirtschaftshistorikerin Andrea Franc in einem Interview mit der NZZ.
Um diese happigen Vorwürfe zu überprüfen, hat sich watson auf die Suche nach einem Geisteswissenschaftler gemacht. Nach langem Suchen wurden wir fündig: Jonas Huber studiert Philosophie im 23. Semester. Er lebt in einer subventionierten Wohnung der Stadt Zürich. Wir haben ihn am späten Nachmittag zu einem Yerba-Mate getroffen. Etwas verschlafen stand er uns Rede und Antwort und es zeigte sich schnell: Frau Franc sollte in allen Belangen recht behalten.
Hey Jonas, was verdienst du eigentlich?
Jonas Huber: Ich messe meinen Verdienst nicht in Franken. Die aristokratische Hochschätzung von Reichtum ist, wie Platon schon sagte, mit der Dominanz irrationaler Seelenzentren verbunden.
Was heisst das?
Keine Ahnung, ich bin bekifft.
Scheint gutes Zeug zu sein.
Gorilla Glue! Das krieg ich mit meinem Gemüse-Abo vom Demeterhof mitgeliefert. Willst du mal ziehen?
Nein, danke. Zurück zu der Frage: Wie viele Franken wandern denn jetzt jeden Monat auf Dein Konto?
Etwa 19'000.
Was? Ich dachte, ihr Geisteswissenschaftler verdient nichts.
Tun wir auch nicht. Mit meinem 20-Prozent-Pensum in der anarchistischen Bibliothek Zürich verdiene ich nur rund 1000 Franken. Die anderen 18'000 stammen von meinen Eltern. Sie wollen mir in meinen jungen Jahren noch etwas unter die Arme greifen.
Aber du bist doch schon 37.
Eben.
Du schreibst nebenbei noch an deiner Dissertation. Kommst du voran?
Ja, ich schreibe meine Doktorarbeit über Heideggers Theorie der Unausweichlichkeit des Daseins aus dem Blickwinkel der Gefühlswelt eines non-binären Transmenschen. Ich hoffe, vor meinem 40. Geburtstag damit fertig zu werden.
Hast du nichts Besseres zu tun in deinem Leben?
Doch, eigentlich schon. Meine Eltern wollten einfach, dass ich studieren gehe. Sie sagen mir immer, dass ich das klügste Kind der Familie sei.
Wie viele Geschwister hast du denn?
Keines. Wieso?
Nur so. Die Wirtschaftshistorikerin in der NZZ hat gesagt, dass die heutigen Geisteswissenschaftler nicht einmal den Einbürgerungstest bestehen könnten.
Natürlich könnte ich das!
Ok, Überraschungsquiz: Wie viele Unterschriften braucht es für eine Initiative?
Lass mich rechnen ... Der Kreis 4 hat 27'000 Einwohner, davon sind mindestens 10'000 ausländische Drogendealer an der Langstrasse ... Daran trägt natürlich die SVP und die Wirtschaft die Schuld ... So 5000?
Richtig! Kannst du mir mal von einem typischen Tag in deinem Leben erzählen?
Klar. Ich stehe um 14 Uhr auf. Um mit der Bürde meiner Existenz klarzukommen, genehmige ich mir zuerst einen Hippie-Speedball.
Hippie-Speedball?
Doppelter Espresso und dazu eine lustige Zigarette.
Ich, äh ...
En Chruut-Wickel. E Guuge. Dröhntante. Johnny. Bobby. E Hanf-Schwarte!
Ich versteh schon. Und dann?
Um 16 Uhr gehe ich zur Bäckeranlage für ein ausgiebiges Hacky-Sack-Spiel, bevor ich mich mit den roten Falken im veganen Bistro treffe, um bei Daal und Thali gegen die Globalisierung zu wettern. Das dauert so bis 23 Uhr, je nachdem, wie viel Sake wir dazu trinken.
Wann gehst du denn an die Uni?
An die Uni gehe ich nur, um meine Legi zu validieren.
Wo siehst du dich eigentlich in fünf Jahren? In einer wichtigen akademischen Position? Oder als Corporate Responsibility Manager eines Hedge-Funds?
(lacht) Nein. Ich glaube, ich muss nach dem Studium erst einmal etwas chillen. Vielleicht arbeite ich irgendwann so 30 bis 40 Prozent, unterrichte Deutsch für Ausländer oder so ...
Denkst du, Teilzeit-Akademiker wie du sind eine Schweizer Wohlstandserscheinung?
Nur noch fünfzig Meter, dann hab ich den Rekord ...
Hey, Jonas, hier bin ich.
Oh, sorry. Ich musste nur noch schnell den besten Zwerg auf meinem Handy abschiessen. Willst du meine Ferienbilder sehen? Ich war die letzten sechs Monate in Goa, um mein Chi wieder in ein universelles Gleichgewicht zu bringen.
Danke, aber nein danke. Machst du dir keine Sorgen, dereinst zu wenig Geld in deiner Pensionskasse zu haben? Oder auf Kosten der echten Büezer aus den Wirtschaftsstudiengängen oder den Berufsausbildungen zu leben?
Bis ich ins Pensionsalter komme, lebe ich selbstversorgerisch auf einem Bauernhof. Dann bin ich Handwerker, Bauer und Start-Up-Unternehmer in einem! Meine Eltern haben schon einen hübschen Hof für mich gefunden.
Viel Glück dabei.
243 Meter! Rekord!
Bei manchen Kommentarschreiber frage ich mich aber, ob sie den Artikel wirklich nicht verstanden haben oder ob sie einfach zurück trollen wollen. Ich denke ersteres, hoffe aber letzteres...