Es ist ein Schicksal, wie es tausenden diesen Frühling widerfahren ist: Die 27-jährige Anna K. arbeitete in einem Zürcher 5-Sterne-Hotel in der Küche. Bis Mitte März. Dann wurden die Mitarbeiter informiert, dass das Hotel bis auf weiteres geschlossen wird. Die Touristen blieben aus, die Geschäftsreisenden auch. Anna K. verlor von einem Tag auf den nächsten ihren Job. Zumindest theoretisch, auf Papier ist sie immer noch angestellt.
Doppelt bitter: Da sie erst seit vier Monaten im Hotel angestellt war und auf Stundenlohnbasis arbeitete, hat sie keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung. Dafür müssen Stundenlöhner nämlich mindestens seit sechs Monaten an einem Ort angestellt sein.
«Mir blieb also keine Wahl, als mich beim RAV zu melden.» Anna K. reicht alle Unterlagen ein, fristgerecht. Lohnauszüge der letzten zwei Jahre, Arbeitszeugnisse und Nachweise von mindestens zwölf Bewerbungen im Monat. Aber ein Job in der Gastrobranche ist in diesen Zeiten unmöglich zu finden.
Mittlerweile ist Mitte September und Anna K. wartet noch immer auf Geld. Die 27-Jährige ist verbittert. «Ich rufe die Arbeitslosenkasse jede zweite Woche an und frage nach dem Stand der Dinge. Mal heisst es, in den nächsten zwei Wochen sollte etwas kommen, mal heisst es, ich soll in einem Monat nochmals anrufen, meistens aber weiss einfach niemand, was genau vor sich geht.»
Anna K. nervt es, dass von ihr immer verlangt wird, jeden Monat fristgerecht ihre Unterlagen einzureichen. Die für ihre Auszahlungen zuständige Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich lässt sich aber monatelang Zeit. Geld hat sie schon lange keines mehr, Freunde und Familie unterstützen sie. Zum Sozialamt will sie trotzdem nicht.
Auch andere berichten von ähnlichen Strapazen. Peter S. zum Beispiel. Der 40-Jährige aus Zürich wartet seit Februar auf Geld der Arbeitslosenkasse. Vorher hat er im Einkauf für ein grosses Pharmaunternehmen gearbeitet.
Seine Schilderungen decken sich mit jenen von Anna K.. Auch er reicht seine Unterlagen jeden Monat fristgerecht ein, trotzdem wartet er seit über einem halben Jahr auf Geld. Bei ihm reichen die Reserven zwar noch, genervt ist er trotzdem.
Auf Anfrage sagt Lucie Hribal, Kommunikationsleiterin beim Amt für Wirtschaft und Arbeit im Kanton Zürich, dass die kantonale Arbeitslosenkasse «seit März 2020 mit einem stark angestiegenen Antragsvolumen konfrontiert» sei. Auch gibt sie den Antragsstellern eine Mitschuld: «Der Zusatzaufwand hat erheblich zugenommen, weil bei unvollständigen Anträgen die notwendigen Unterlagen eingefordert werden müssen.»
Für Anna K. sind diese Aussagen ein Hohn. Zweimal wurden von ihr eingeschickte Unterlagen verloren, «mir wurde gesagt, sie seien nie angekommen». Auch als sie umgezogen ist und ihre Adresse wechseln wollte, brauchte es sechs Anläufe. «Zuerst per Brief, dieser sei aber anscheinend nie angekommen, wurde mir ein paar Wochen später am Telefon gesagt.» Daraufhin schickte sie ein E-Mail, doch nichts passierte. Sie rief an, aber auch das E-Mail war nicht auffindbar. Also schickte sie einen weiteren schriftlichen Brief. Es geschah weiterhin nichts. Erst beim letzten Anruf klappte es. «Lustigerweise fand man dann den Brief, den ich zuerst geschickt habe. Und das E-Mail auch.»
Dass die Fälle von Anna K. und Peter S. keine Einzelfälle sind, will die Arbeitslosenkasse nicht direkt bestätigen. Aber auch nicht ausschliessen. Sie gibt jedoch zu, dass es zu Kapazitätsengpässen gekommen sei aufgrund von zu wenig Personal. «Wir können nicht ausschliessen, dass weitere Versicherte von einem mehrmonatigen Auszahlungsrückstand betroffen sind».
Um den Rückstand wett zu machen, sei das Personal schrittweise aufgestockt worden. «Zu Beginn stand die Auszahlung der Kurzarbeitsentschädigung stark im Vordergrund», heisst es vom Zürcher Amt für Wirtschaft und Arbeit weiter. Seit Mitte Jahr seien 105 zusätzliche Personen befristet angestellt worden, ein Teil davon wird immer noch für die Auszahlung von Arbeitslosenentschädigung ausgebildet. Denn: «Der Prozess der Arbeitslosenentschädigung ist komplex.»
Auch andere Kantone mussten ihr Personal aufstocken, um der Flut an Anträgen Herr zu werden. So berichtet die Arbeitslosenkassen der Kantone Basel-Stadt und Bern von einer «Ressourcenanpassung». Ob es aufgrund der erhöhten Arbeitslosenzahlen zu Verzögerungen gekommen ist, möchte keine der beiden Kassen kommentieren. Nur so viel: «Die Gesuche werden laufend und in der Regel innert Monatsfrist bearbeitet.»
Für Anna K. und Peter S. ein schwacher Trost. Die Nachweisformulare für Bewerbungen sind für den Monat September bereits abgeschickt. Grosse Hoffnungen, Ende Monat Geld auf ihrem Konto zu sehen, haben sie keine.
«Der Prozess der Arbeitslosenentschädigung ist komplex.»
Dann macht es schlanker ihr D....!!
Ähm nein, die Antragsteller laufen auf dem Zahnfleisch! Was sollen die denn machen wenn das Konto schon im Minus ist, die Rechnungen sich stapeln und der Kühlschrank leer ist? Als ob es den Vermieter, die Krankenkasse etc. interessieren würde warum nicht bezahlt wird.