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Darum darf die SNB vielleicht bald nicht mehr in Ölkonzerne investieren

Darum darf die Nationalbank vielleicht bald nicht mehr in Ölkonzerne investieren

Die Klima-Allianz und ein Mitte-Links-Bündnis im Parlament machen Druck auf die Klimapolitik der Nationalbank. Bereits die Abstimmung vom 18. Juni über das Klimaschutzgesetz könnte aber Folgen haben.
28.04.2023, 07:40
Othmar von Matt / ch media
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ARCHIVBILD - SNB MILLIARDEN VERLUST - The facade of the Swiss National Bank SNB pictured at the Federal square (Bundesplatz) prior to an end-of-year press conference of Swiss National Bank (SNB BNS),  ...
Die Abstimmung über das Klimaschutzgesetz könnte Auswirkungen haben auf die SNB-Anlagepolitik.Bild: keystone

Die Generalversammlung der Nationalbank (SNB) vom Freitag verspricht Spannung. In erster Linie geht es zwar um UBS und Credit Suisse. Doch auch der Klimaschutz wird ein Thema sein.

Akteure der Klima-Allianz wollen an der Generalversammlung das Wort ergreifen. Die Allianz ist ein Bündnis von 140 Organisationen für den Klimaschutz. Sie planen, die SNB mit der Frage zu konfrontieren, weshalb sie noch immer Aktien im Wert von insgesamt 16.2 Milliarden Dollar an fossilen Konzernen hält. Darunter 1.87 Milliarden am Mineralölkonzern Exxon Mobil, 1.36 Milliarden am Ölkonzern Chevron Corporation und 0.88 Milliarden am Mineralölkonzern Shell Plc.

170 Personen der Klima-Allianz hatten vor der Generalversammlung SNB-Aktien im Wert von 800'000 Franken gekauft. Damit wollten sie erreichen, dass sie am Freitag drei Anträge stellen können: Die SNB soll einen Transitionsplan erarbeiten, um ihr Devisenportfolio an den Zielen des Pariser Klimaabkommens auszurichten. Der Schweizer Finanzplatz brauche zudem zusätzliche Regulierungen und mehr Eigenkapital - und es sei ein Ethikrat für die SNB nötig.

Die Anträge kommen aber gar nicht erst zur Abstimmung. Die Nationalbank hat entschieden, sie nicht zuzulassen. Sie stellt sich auf den Standpunkt, Aktionäre hätten kein Recht, in die Anlagepolitik einzugreifen. «Die SNB sitzt hier am längeren Hebel», sagt Jonas Kampus, bei der Allianz für Finanzplatz, Klima und Biodiversität zuständig. «Aber wir werden die Anträge in der Generalversammlung thematisieren - und SNB-Präsident Thomas Jordan muss dann darauf antworten.»

Die Nationalbank gerät aber so oder so immer stärker unter Druck in Sachen Klimaschutz. Das hat einerseits mit fünf parlamentarischen Initiativen und einer Volksinitiative zu tun - und andererseits mit der Abstimmung zum Klimaschutzgesetz vom 18. Juni.

Das Parlament hebelt den Bundesrat bewusst aus

Weitgehendes geschah, mehr oder weniger unbemerkt, in der Frühlingssession. Parlamentsmitglieder aus fünf Parteien reichten fünf gleichlautende parlamentarische Initiativen zur Nationalbank ein. Darin verlangen sie, Artikel 5 des Nationalbankgesetzes müsse ergänzt werden. Mit dem Zusatz, dass die SNB in ihrer Geld- und Währungspolitik auch Klima- und Umweltrisiken berücksichtigt.

Aktiv geworden war die Genfer Grüne Delphine Klopfenstein. Sie überzeugte mit Jacqueline Badran (SP), Roland Fischer (GLP), Lilian Studer (EVP) und Martin Landolt (Mitte) vier Parlamentsmitglieder aus vier Parteien, deckungsgleiche parlamentarische Initiativen einzureichen.

«Wir haben die Begründung der Initiative gemeinsam diskutiert», sagt Klopfenstein. Mit einem Satz hätten sich alle identifizieren können, weshalb er zentral sei: «Die parlamentarische Initiative ist Ausdruck davon, dass Klimarisiken weltweit als signifikante finanzielle Risiken eingestuft werden, welche die Finanz- und Preisstabilität gefährden können.»

Klopfenstein weist auf die Risiken hin, die klimaschädliche Praktiken für die Schweiz als Land haben könnten: «Sie sind enorm, wenn die Nationalbank etwa in Fracking investiert und es dabei zu Konkursen kommt.» Die Genferin hat bewusst das Instrument der parlamentarischen Initiative gewählt, um den Bundesrat politisch ausser Gefecht zu setzen.

Zwar darf die Regierung Stellung nehmen. Es ist aber das Parlament, das entscheidet. «Die Chancen stehen gut, dass die parlamentarische Initiative durchkommt», sagt Klopfenstein. «Auch wenn wir noch Überzeugungsarbeit leisten müssen.» Sie ist auch im Austausch mit der FDP.

Parallel dazu arbeitet die SP mit Umweltverbänden und der Klima-Allianz an einer Finanzplatz-Initiative. «Die SP ist auch im Gespräch mit verschiedenen Parteien», sagt Sprecher Nicolas Haesler. In der Initiative gehe es darum, dass Banken oder Versicherungen das Pariser Klimaabkommen respektierten und die Klimakrise nicht länger anheizten. «Verhindert werden sollen vor allem Investitionen in neue Kohleminen, in den Abbau von Ölsand oder in Projekte, die zur Abholzung des Regenwaldes führen.» Noch unklar ist, wann die Initiative lanciert wird.

Bringt die Abstimmung zum Klimaschutzgesetz eine Wende?

Zu einem Wendepunkt in der Klimapolitik der Nationalbank könnte aber schon der 18. Juni werden. An diesem Tag stimmt die Schweizer Bevölkerung über das Klimaschutzgesetz ab. Wird es angenommen, hat das mit hoher Wahrscheinlichkeit Folgen für die SNB.

Für sie war es schon ein Zeichen, dass die Stimmbevölkerung am 13. Juni 2021 das CO2-Gesetz ablehnte. Sie konnte damit ihre Klima- und Umweltschutzpolitik fortsetzen, wie sie diese zuvor definiert hatte: Seit 2013 schliesst sie Anlagen von Unternehmen aus, die gravierende Umweltschäden verursachen, Menschenrechte verletzen oder geächtete Waffen produzieren. Im Dezember 2020 kam der Ausschluss von Unternehmen hinzu, die primär Kohle abbauen.

Ein Ja zum Klimaschutzgesetz würde eine Überprüfung dieser Politik nötig machen. Zwar wird die Nationalbank im Gesetz nicht erwähnt. Mit einem Ja würden sich aber die «grundlegenden Normen und Werte der Schweiz» verschieben, an denen die SNB ihre Anlageentscheide ausrichtet: Das Netto-Null-Ziel bis 2050 wäre gesetzlich verankert und in Artikel 9 hiesse es: «Der Bund sorgt dafür, dass der Schweizer Finanzplatz einen effektiven Beitrag zur emissionsarmen und gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähigen Entwicklung leistet.» Zudem könnte der Bund Vereinbarungen mit der Finanzbranche abschliessen «zur klimaverträglichen Ausrichtung der Finanzflüsse». Dazu kämen Verordnungen, die der Bundesrat bei einem Ja ausarbeitet.

Das zeigt: Der 18. Juni könnte für die Nationalbank Entwicklungen auslösen, welche die Öffentlichkeit bisher nicht auf dem Radar hatte. (aargauerzeitung.ch)

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