Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat auch im ersten Quartal 2022 Devisenkäufe zur Schwächung des Schweizer Frankens getätigt. Von Januar bis März beliefen sich die Interventionen der SNB auf 5,7 Milliarden Franken, wie einer am Donnerstag publizierten SNB-Statistik zu entnehmen ist.
Das entspricht einer Verlangsamung der Devisenkäufe im Vergleich zum vierten Quartal 2021, als die Nationalbank noch 12,6 Milliarden Franken für Devisenmarkt-Interventionen in die Hand genommen hatte. Im gesamten Jahr 2021 hatte die SNB Fremdwährungen in Höhe von 21,1 Milliarden Franken erworben, um eine unerwünschte Aufwertung des Frankens zu verhindern – das war allerdings weit weniger als die massiven Interventionen im Coronajahr 2020 in Höhe von rund 110 Milliarden Franken.
Aufgrund der umfangreichen Devisenkäufe der vergangenen Jahre hält die SNB weiterhin einen hohen Bestand an Devisenanlagen. Per Ende Mai war dieser gemäss SNB-Statistik mit 959 Milliarden Franken bewertet, was etwas unter dem Stand von Ende 2021 (966 Milliarden) lag.
Angesichts der steigenden Inflation hat die SNB allerdings mittlerweile eine Kehrtwende vollzogen: An der letzten Lagebeurteilung von Mitte Juni erhöhte sie nicht nur überraschend den Leitzins auf -0,25 Prozent von -0,75 Prozent, sondern erklärte auch, dass sie den Franken nicht mehr als überbewertet erachte.
Zwar bleibe die Nationalbank weiterhin am Devisenmarkt aktiv und wäre bei einer «übermässigen Aufwertung» bereit, Devisen zu kaufen, sagte SNB-Präsident Thomas Jordan damals. Würde sich der Franken hingegen abschwächen, würde die SNB umgekehrt aber auch Devisenverkäufe erwägen, betonte er.
Im Moment dürften allerdings solche Devisenverkäufe kein Thema sein. Notierte der Euro/Franken-Kurs Mitte Juni noch bei rund 1.04 Franken, so ist er am (gestrigen) Mittwoch nun unter die Parität gerutscht. Am Donnerstagvormittag war der Euro mit 0.9975 Fr. weiterhin weniger wert als ein Schweizer Franken.
Devisenverkäufe der SNB schienen nun aber wahrscheinlicher als Devisenkäufe, kommentiert Credit-Suisse-Ökonom Maxime Botteron in einer aktuellen Studie. Devisenkäufe bei gleichzeitiger Anhebung der Leitzinsen wären seiner Ansicht nach jedenfalls wenig sinnvoll. Die SNB müsse zudem mit einer Aufwertung des Frankens gerechnet haben, als sie die Finanzmärkte mit einem Leitzins überrascht habe, so Botteron.
Konkret rechnet der CS-Ökonom damit, dass die SNB bei einem Anstieg der Euro-Franken-Wechselkurses auf 1.04 bis 1.05 zu Devisenverkäufen schreiten würde.
Gleichzeitig hält es Botteron allerdings nicht für realistisch, dass sich die Inflation in der Schweiz durch Devisenmarktinterventionen bekämpfen lässt. Nur eine sehr deutliche Aufwertung des Frankens hätte ausreichend starke Auswirkungen: Gemäss seinen Schätzungen müsste der Euro zum Franken auf etwa 0.80 Rappen sinken, damit die Inflation hierzulande unmittelbar unter 2 Prozent fallen würde.
ZKB-Ökonom David Marmet hatte sich vergangene Woche ähnlich geäussert: Um die Inflation spürbar zu dämpfen, müsste der Franken «richtig stark» werden. Damit würde sich die Schweiz aber ein «gröberes Wachtumsproblem» einhandeln. Er gehe davon aus, dass die SNB weitere Zinsschritte machen werde, sagte er in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen. (sda/awp)