Dunkle Wolken über Jobmarkt – in diesen Kantonen werden besonders viele Stellen gestrichen
Gerade einmal 0,1 Prozent mehr Stellen als ein Jahr zuvor zählte die Schweiz im dritten Quartal. Umgerechnet auf Vollzeitstellen nahm das Beschäftigungsvolumen gar um 0,1 Prozent ab, wie das Bundesamt für Statistik kürzlich mitteilte. Das wird zum Problem für Stellensuchende, denn die Bevölkerung wächst noch immer deutlich schneller, womit die Konkurrenz zunimmt. Eine Übersicht.
So viele arbeiten in den Regionen
Der Bund liefert Beschäftigtenzahlen für Grossregionen, die mehrere Kantone umfassen. Die Kantone Zürich und Tessin bilden eine eigene Grossregion. Am aussagekräftigsten für einen Vergleich der Beschäftigungssituation ist die Zahl der Vollzeitäquivalente, also alle Jobs umgerechnet auf die Anzahl Vollzeitstellen.
Bei den grössten Regionen gab es in den vergangenen Jahren drei Verschiebungen: Im Jahr 2019 überholte der Kanton Zürich erstmals die Region Espace Mittelland mit den Kantonen Bern, Freiburg, Jura, Neuenburg und Solothurn. Gut ein Jahr später gelang das auch der Genferseeregion mit den Kantonen Genf, Waadt und Wallis.
Im zweiten Quartal dieses Jahres kam es zu einer erneuten Premiere: Erstmals zählt die Genferseeregion mehr Vollzeitäquivalente als der Kanton Zürich. Im Kanton Zürich hinterlässt das Aus der Credit Suisse und der Abbau bei anderen Finanzfirmen Spuren.
Besonders hart traf dies die Stadt Zürich, wo etwa jeder zehnte Beschäftigte der Schweiz arbeitet. Die Stadt zählte im dritten Quartal dieses Jahres noch 409'100 Vollzeitstellen – 12'300 weniger als auf dem bisherigen Allzeitrekord im ersten Quartal 2024. Immerhin stieg diese Zahl nun zum ersten Mal seit sechs Quartalen wieder. Im ganzen Kanton Zürich war der Einbruch in der gleichen Periode deutlich weniger dramatisch.
In diesen Regionen droht der Abbau
Es ist denn auch nicht der Kanton Zürich, in dem die Firmen besonders pessimistisch sind. Das zeigt eine Umfrage des Bundesamts, in der das Management der Firmen gefragt wird, mit welcher Entwicklung des Personalbestands es rechnet. Diese Zahlen werden nach Anzahl der Beschäftigten gewichtet.
Im Kanton Zürich rechnen Betriebe, die 3,5 Prozent der Beschäftigten repräsentieren, mit einer Reduktion des Personalbestands in nächster Zeit. Das ist der tiefste Wert aller Grossregionen.
Im Kanton Tessin liegt dieser Wert bei 4,7 Prozent, in der Zentralschweiz bei 4,9 Prozent. In der Grossregion Espace Mittelland hingegen ist er auf 5,3 Prozent gestiegen, in der Genferseeregion auf 5,4 Prozent. Am düstersten sieht es in der Nordwestschweiz (Kantone Aargau, Basel-Landschaft und Basel-Stadt) sowie in der Ostschweiz (beide Appenzell, Glarus, Graubünden, St. Gallen, Schaffhausen und Thurgau aus): Hier ist dieser Wert auf 7,0 respektive 7,3 Prozent geklettert. In der Ostschweiz war er seit 2019 in keinem dritten Quartal höher. Neue Entwicklungen wie der von Novartis angekündigte Abbau von 550 Stellen in Stein AG oder die Streichung von 75 Stellen beim Industriekonzern SFS in Flawil SG bestätigen diese Zahlen. In anderen Regionen machte etwa der Abbau von 900 Stellen bei der SRG oder von 45 Stellen bei Swissmedic Schlagzeilen.
Es werden weiter Stellen geschaffen – aber stetig weniger
Das Bild, das die Abbau-Zahlen vermitteln, ist für sich genommen zu pessimistisch. In allen Regionen ist der sogenannte Beschäftigungsindikator immer noch im positiven Bereich, wenn auch nur noch knapp. In der ganzen Schweiz liegt er bei 1,02 – der tiefste Wert seit fünf Jahren. Bei 1 würde die Beschäftigung stabil bleiben, darunter würde eine Abnahme resultieren. Der positive Wert liegt daran, dass ein Grossteil der Firmen mit einem stabilen Personalbestand rechnet – und leicht mehr Firmen einen Ausbau planen als die Streichung von Stellen.
Die Abkühlung zeigt sich aber auch hier: In allen Regionen ist die Zahl der Firmen, die eine zunehmende Beschäftigung erwarten, im dritten Quartal auf den tiefsten Stand seit mindestens drei Jahren gefallen. In der Zentralschweiz war er gar seit mindestens 2019 nie mehr so tief.
Sind die Zahlen zu pessimistisch?
Die Befragung der Firmenlenker geschah, bevor die Schweiz vor einem Zoll-Deal mit den USA stand. Nun ist absehbar, dass die Schweiz für Exporte in die USA mit einem Zollsatz von 15 statt bisher 39 Prozent rechnen kann, was bei vielen betroffenen Firmen für Erleichterung sorgt. Deren Manager würden eine Frage nach dem geplanten Personalbestand heute möglicherweise optimistischer beantworten.
Allerdings ist der Zoll-Deal weiterhin nicht umgesetzt, und die ökonomischen Unwägbarkeiten bleiben hoch. Für grosse Teile der Schweizer Wirtschaft ist sowieso wichtiger, wie es der deutschen Wirtschaft geht, die schon seit Jahren stagniert. Ob Milliarden-Investitionen der neuen Regierung langfristig positive Impulse zu setzen vermögen, ist offen.
Welche Regionen sind in langer Frist erfolgreich?
Ungeachtet von der aktuellen wirtschaftlichen Situation gibt es in den vergangenen 30 Jahren einen klaren Gewinner: Nirgendwo wuchs die Zahl der Stellen, gemessen an Vollzeitäquivalenten, so stark wie in der Genferseeregion. Dort legte sie in diesem Zeitraum um 52,6 Prozent zu.
An zweiter Stelle folgt die Zentralschweiz mit einem Plus von 48,3 Prozent, an dritter Stelle der Kanton Zürich mit einem Plus von 39,9 Prozent.
Weniger stark war das Stellenwachstum im Tessin (+26,1 Prozent), in der Region Espace Mittelland (+23,6 Prozent) sowie in der Ostschweiz (+21,6 Prozent). Am schwächsten wuchs die Zahl der Beschäftigten in der Nordwestschweiz, wo ein Plus von 20,0 Prozent in den Büchern steht.
Wie sieht es mit dem Anteil am BIP aus?
Die Zahl der Beschäftigten ist nicht gleichzusetzen mit der Grösse der Wirtschaft. Dafür massgebend ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Diesbezüglich ist der Kanton Zürich mit 164 Milliarden Franken im Jahr 2022 immer noch führend, vor der Region Espace Mittelland (156 Milliarden Franken) und der Genferseeregion (148 Milliarden Franken).
Die Verteilung des BIP über die Kantone ist einigermassen stabil. Zwischen 2008 und 2022 – aktuellere Daten stehen nicht zur Verfügung – zeigen sich aber dennoch Verschiebungen.
Ihren Anteil am BIP am stärksten steigern konnten die Kantone Zug (+0,56 Prozentpunkte), Waadt (+0,51 Prozentpunkte) und Luzern (+0,28 Prozentpunkte). Auf der anderen Seiten verloren die Kantone Zürich (-1,3 Prozentpunkte), Bern (-0,62 Prozentpunkte) und Aargau (-0,43 Prozentpunkte) am stärksten. Dieser Vergleich ist allerdings mit Vorsicht zu geniessen, da die Zahlen des Jahres 2022 stark von der Coronakrise geprägt sind, die die Kantone unterschiedlich stark traf. (aargauerzeitung.ch)
