Schlagen die Bergbahnen vor dieser Saison auf? Ja, das tun sie. Niemand senkt die offiziellen Tagespreise. Aber einige erhöhen sie. Somit steigen diese offiziellen Preise im Durchschnitt auch dieses Jahr wieder – wie sie es seit Jahren tun.
Das zeigt auch die neueste Saisonbilanz, die der Verband Seilbahnen Schweiz jährlich erstellen lässt. Unter 39 Bahnen wurde erhoben, was ein Erwachsener durchschnittlich zahlt für eine Tageskarte. In der letzten Saison waren es rund 66 Franken. Zehn Jahre zuvor mussten noch 9.60 Franken weniger hingelegt werden. In einem Jahrzehnt gab es also einen Preisaufschlag von knapp 17 Prozent. Das klingt happig, wo doch ohnehin laut über überteuerte Ticketpreise geklagt wird.
Aber die offiziellen Preise sind nur die halbe Wahrheit. Und vielleicht nicht einmal das.
Acht der zwölf grössten Schweizer Bergbahnen der Deutschschweiz gehen mit dynamischen Preisen in die neue Saison. Skifahren auf Schweizer Bergen wird damit zur Jagd nach Schnäppchen. Ist man schnell genug, kann man so wenig zahlen wie seit den Achtzigerjahren nicht mehr. Geiz darf geil sein. Das zeigt eine Umfrage der «Schweiz am Wochenende» unter den grössten Bergbahnen in der Deutschschweiz.
Laax hat zwar schon lange dynamische Preise, doch passt es diese an. Die Preisobergrenze von 89 Franken fällt weg, die Mindestpreise sinken. Frühbucher werden so stärker belohnt. Die Schnäppchen werden noch günstiger. Spätes Buchen wird hingegen teurer.
Ähnlich klingt es aus Zermatt. Die Dynamisierung der Preise werde intensiviert. Es gelte: früh buchen und profitieren. Engelberg Titlis führt neu dynamische Preise ein. Sind die Gäste früh genug dran, gibt es Tagestickets von nur 51 Franken. So wenig zahlten Gäste zuletzt in den Achtzigerjahren.
Insgesamt zeigt sich: Die offiziellen Preise täuschen. Denn längst nicht alle Wintergäste zahlen so viel. Viele greifen zu, wenn es Sonderaktionen gibt. Nochmals andere nutzen eben die dynamischen Preise für sich. Oder sie kaufen sich Saisonkarten, deren Preise in den letzten Jahren stark gesunken sind. Den Ausschlag für diesen Preisrutsch gab das «Wintermärchen» von Saas Fee. In einem Crowdfunding wurden nur 222 Franken für eine Saisonkarte verlangt – eine Sensation.
Das Wintermärchen endete im Desaster. Alle damals Verantwortlichen sind längst weg, auch die Schweizer Skilegende Pirmin Zurbriggen. Die Schweizer Bergbahn musste sich retten lassen, und zwar von Österreichs Skikönig Peter Schröcksnadel. Was hingegen vom Wintermärchen erhalten blieb, ist der allgemeine Preisrutsch.
Es geht ganz schön ins Geld, was da an Ersparnissen anfällt durch Sonderaktionen und dynamische Preise. Das zeigt wiederum eine Auswertung vom Verband Seilbahnen Schweiz. Im Mittel geben die Skigäste nämlich nur 32 Franken aus für einen Tag auf schweizerischen Bergen. Das ist nicht mal halb so hoch, wie es die offiziellen Preise im Durchschnitt sind. Ein happiger Unterschied. Und er erklärt sich mit Ermässigungen, Rabatten, Freikarten und günstigen Saisonkarten.
Derlei Rabatte gab es früher schlicht nicht. Ehe die dynamischen Preise eingeführt wurden, existierte nur ein einziger Preis für Tageskarten. Schnäppchenjäger hatten keine Chance. Geiz durfte nicht geil sein.
Die Wende kam mit dem Frankenschock und den dynamischen Preisen. Ab 2008 wertete sich der Schweizer Franken stark auf. In Deutschland galt Urlaub in der Schweiz bald als hoffnungslos überteuert und war gesellschaftlich geradezu verpönt. Die Schweizer Wintergäste wiederum flüchteten aus der Heimat nach Österreich. Es kam zu einem wahren Exodus.
So mussten die Bergbahnen etwas tun, irgendetwas. Dynamische Preise waren irgendetwas. So können sie den Kunden mehr bieten, die nach günstigen Preisen jagen wollen. Und sie brechen mit dem Bild einer überteuerten Schweiz, zumindest teilweise. Ab 2016 begannen dynamische Preise, sich in der Schweiz rasch zu verbreiten.
In Österreich dagegen hat der Branchenführer in Ischgl nach wie vor fixe Preise für Tages- und Saisonkarten. Und diese Preise sind Jahr für Jahr höher. Neu sind es 59.50 Euro, nur fünf Jahr zuvor waren es noch 48 Euro. So ist ein Preisaufschlag von fast einem Viertel zusammengekommen. In Österreich konnten sie sich dies erlauben. Dank des schwachen Euro waren sie für Schweizer Gäste noch immer günstig.
Bei den dynamischen Preisen geht es nicht nur um die Preise. Die Bergbahnen versprechen sich vieles mehr davon. In Randzeiten hat es mehr Gäste. An Spitzentagen wird es teurer, was eine Überbevölkerung der Pisten verhindern soll. Mehr Gäste kaufen ihre Tickets online. So verkürzen sich die Wartezeiten an den Schaltern, was in Zeiten von Corona sehr erwünscht ist. Langes Warten ist gemäss Umfragen das grösste Ärgernis überhaupt für Schweizer Gäste, mehr noch als Preisaufschläge. (aargauerzeitung.ch)
Einmal und nie wieder.