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Wirtschaft

Chef der Swisscom-Tochter Blue rechnet mit 8 neuen Streamingdiensten ab

Wolfgang Elsässer.
Wolfgang Elsässer.bild: zvg
Interview

Blue-Chef im Interview: «Es ist immer schwieriger, an einem Ort alles zu finden»

Die Swisscom-Tochter «blue» vereinigt Kinos, Pay-TV und ein Newsportal unter einem Dach. Ihr Chef Wolfgang Elsässer sieht in Netflix einen Freund – und sagt, wann Sportrechte auch für ihn zu teuer sind.
28.06.2021, 05:3928.06.2021, 06:14
Stefan Ehrbar / ch media
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Mitten im Zürcher Kreis 5 hat die Swisscom-Tochter blue neue Büros bezogen. Die Räume duften noch neu, die unteren Stockwerke sind leer. Blue-Chef Wolfgang Elsässer empfängt im Sitzungszimmer «James Bond» in aufgeräumter Stimmung: Er hat Tickets für das nächste Spiel der deutschen Elf an der Euro ergattern können.

Herr Elsässer, zurzeit läuft die Uefa Euro 2020 auf allen Bildschirmen. Wären die Rechte daran auch etwas für blue?
Wolfgang Elsässer: Nein. Aus meiner Sicht gibt es klassische Free-TV-Rechte und klassische Pay-TV-Rechte. Die Euro gehört in das Free TV – genauso wie die WM, Olympische Spiele und der Skisport. Pay-TV-Rechte sind solche, die wir schon haben – nationale Fussballligen oder die Champions League.

Wie hat sich die Nutzung der Super League und der Champions League letztes Jahr entwickelt im Vergleich zu Vorjahren?
Wir hatten in den letzten 12 Monaten ein starkes Abowachstum. Die Menschen waren auf der Suche nach Gemeinschaftserlebnissen, auch wenn diese nur virtuell waren. Live-Sport wird gemeinschaftlich zur gleichen Zeit konsumiert, auch wenn es schöner ist, wenn Publikum im Stadion ist.

Ist auch die Nutzung gestiegen?
Die Abos und die Nutzung stiegen gleichermassen. Das Abo-Wachstum war enorm. Es war einer der grössten Anstiege, den wir je gesehen haben.

Wie viel geben sie aus für die Rechte an den einzelnen Ligen?
Genug.

Kommen sie an einen Punkt, an dem es zu teuer wird?
Jedes Recht, das wir erwerben, folgt einer kommerziellen Logik. Es muss für unseren Businessplan Sinn ergeben. Früher bot man für Rechte, einfach nur, um sie zu haben. Diese Zeiten sind vorbei. Die Preise sind bis vor zwei Jahren immer gewachsen. Jetzt gibt es Stagnation und teilweise einen leichten Rückgang. Sport bleibt aber hochinteressant für Zuschauer und Anbieter.

Beliebt, aber im Einzelabruf mit bis zu 10 Franken pro Spiel nicht billig: Die Champions League bei blue.
Beliebt, aber im Einzelabruf mit bis zu 10 Franken pro Spiel nicht billig: Die Champions League bei blue.bild: zvg

Gemunkelt wird: Für sich alleine funktioniert Fussball bei blue nicht, sondern nur, weil das Angebot auch Marketing-Effekte bringt und Kunden zum Abschluss von blue TV bewegt.
Früher haben Anbieter versucht, Exklusiv-Inhalte bei sich zu bündeln. Wir bieten unsere Inhalte diskriminierungsfrei zum gleichen Preis bei allen Plattformen an. Für den Kunden ist das toll: Es gibt alle Inhalte überall zum gleichen Preis.

Aber es fällt ein Argument weg, um blue TV zu abonnieren.
Blue TV ist nicht ohne Grund die mit Abstand grösste TV-Plattform der Schweiz. Für den Kunden ist sie das beste Fernseherlebnis – von den Features her, aber auch von der Art, wie Inhalte dargestellt und Apps wie Netflix oder Sky integriert werden. Dass blue Sport auch anderswo verfügbar ist, führt dazu, dass wir mit blue Sport signifikant wachsen.

«Für Kunden ist es immer schwieriger, an einem Ort alles zu finden.»

Rechte werden wie bei der Bundesliga an immer mehr Anbieter vergeben. Ist das für die Kunden nicht frustrierend?
Absolut. Für die Kunden ist das nicht gut. Im Fussball ist immerhin alles bis auf die Bundesliga bei uns. Bei fiktionalen Inhalten ist es ähnlich. Mittlerweile gibt es Inhalte, die gibt es nur bei Amazon, Disney oder Netflix. Für Kunden ist es immer schwieriger, an einem Ort alles zu finden. Mit unserem Paket blue Max können wir alle neuen Kinofilme anbieten. Insgesamt aber wird es undurchschaubarer und komplizierter. Darum ist eine Plattform wie blue TV, wo die Angebote alle gebündelt werden, wichtig.

Wie geht es in den nächsten Jahren weiter?
Es wird noch viel komplizierter: Es dürften in der Schweiz in den nächsten Jahren noch sieben bis acht Streaming-Angebote von Discovery, HBO Max, Hulu oder Peacock lanciert werden. Kunden werden im fiktionalen Bereich immer mehr Angebote nutzen müssen, um auf alle Inhalte zugreifen zu können. Im Moment sind die internationalen Anbieter sehr aggressiv unterwegs.

Ideal wäre aus Kundensicht, wenn auch in der Suche alle Angebote zusammengefasst würden.
Das wäre ideal. Im Moment beobachten wir, dass sich der Markt ausdifferenziert mit vielen Anbietern. Ich glaube, im fiktionalen Bereich wird es aber in fünf Jahren dann auch wieder einmal zu einer Konsolidierung kommen.

Welche Synergien gibt es zwischen blue News, blue Cinema, blue TV und blue Zoom?
Im letzten September haben wir aus verschiedenen Marken wie den Kitag Cinemas oder Teleclub eine einzige Marke gemacht – nämlich blue. Wir werden noch stärker versuchen, unsere Geschäftsfelder zu verbinden. Kino und Pay-TV beispielsweise haben viel miteinander zu tun. Verschiedene Inhalte entstehen an einem zentralen Ort und werden auf den diversen Plattformen ausgespielt. In den Kinos wird es beispielsweise künftig aktuelle Nachrichten aus dem Sport und Entertainment in der Pause geben. Kinobesucher interessieren sich für diese Inhalte. Schon heute hat man Hintergrundinformationen auf blue TV etwa zu Champions-League-Spielen.

Wie könnte eine Verknüpfung zwischen Pay-TV und Kino aussehen?
Bald kommt beispielsweise «The Fast and The Furious 9» ins Kino. Der hat eine grosse Fangemeinde. Das wird ein Knüller werden. Vielleicht hat jemand, der sich den Film im Kino anschaut, auch Interesse daran, die anderen acht der Reihe zu schauen. Diesen Kunden könnten wir einen Voucher für unser Video-On-Demand-Angebot zum Kinoticket geben. Das sind Ideen, über die wir nachdenken.

Blue betreibt mehrere Kinos in Deutschschweizer Städten.
Blue betreibt mehrere Kinos in Deutschschweizer Städten.bild: zvg

Wie hat sich das Kino entwickelt?
Es hat sich verändert. Der Anspruch der Schweizer ans Kino ist stark gewachsen. Unsere Multiplexe entwickeln sich zu Entertainment-Häusern, wo man auch gamen, bowlen oder Netflix-Filme sehen kann. Wir hatten etwa den Netflix-Film «The Irishman» zwei Wochen vor Ausstrahlung auf Netflix im Kino – und der war bis vier Wochen nach der Ausstrahlung auf dem Streamingportal auch noch sehr gut besucht.

Ist es nicht ein Problem fürs Kino, wenn Filme gleichzeitig auf Streaming-Portalen laufen?
Gar nicht. Wir haben intensive Kontakte mit Partnern wie Netflix. Die Zukunft liegt in intelligenten Partnerschaften. Netflix bringt immer mehr anspruchsvolle Filme, die in einem Kino gemeinsam besser anzuschauen sind als allein auf der Couch. Wir freuen uns über neue Partnerschaften.

Amazon übernimmt das Studio MGM und kann die Filme so auf seinem eigenen Streaming-Dienst zeigen. Gehen dem Kino die Filme aus?
Kino ist umsatzmässig immer noch deutlich wichtiger als Streaming. Während der Coronakrise wurden einige Filme nur auf Streaming-Diensten gestartet, etwa Mulan, das Multi-Millionen-Werk von Disney. Das ist wahrscheinlich der grösste Flop des Jahres geworden. Das Kino generiert nicht nur Zuschauer, sondern auch einen Marketingeffekt. Kunden, die ins Kino gehen, schauen einen Film oft auch noch Zuhause an. Das ist nicht zu unterschätzen. Wir glauben: Kino bleibt. Die unterschiedlichen Verwertungsketten machen Sinn. Dass Filme noch drei Monate exklusiv im Kino laufen, bezweifle ich aber. Die Fenster werden kürzer. Aber den Vermarktungseffekt des Kinos wollen auch Streaming-Anbieter.

Werden Sie die Kinopreise erhöhen?
Nein, wir sind gut aufgestellt in diesem Markt. Wir haben nicht nur das Kino, sondern auch die nächste Verwertungsstufe, also den elektronischen Verkauf von Filmen. In dieser Kette haben wir jetzt mehr Möglichkeiten, Kunden zu begeistern. Wenn ein Film nur noch vier Wochen exklusiv im Kino ist und danach auch elektronisch verfügbar, dann entwickelt sich das Geschäftsfeld stärker. Die Menge an Inhalten, die unseren Kunden zur Verfügung steht, wächst.

«Wenn man Kino als Kulturgut anschaut, müsste es auch entsprechend unterstützt werden.»

Sie mussten in Zürich das Frosch Kino schliessen. Stehen weitere Kinos auf der Kippe?
Standortpolitik ist wichtig. Wir müssen jeden Standort regelmässig anschauen: Wie rentabel ist er? Im Kinobereich wächst der Anspruch der Kunden. Ein Kino darf nicht mehr nur Kino sein, sondern muss einen Besucher mehrere Stunden lang begeistern können – neben Filmen mit Gastronomie, Gaming, Kinderbetreuung, Bowling und so weiter. Wir investieren in diese Geschäftsfelder. Kino wird sich verdichten. Es wird mehr Zulauf geben in die grossen Multiplex-Kinos. Jeder Standort hat ein Rentabilitätsziel.

In Bern betreiben sie keine Innenstadtkinos mehr, sondern ein Multiplex in Muri auf der grünen Wiese. Ist das nicht schade für das Kulturgut Kino?
Wenn man Kino als Kulturgut anschaut, müsste es auch entsprechend unterstützt werden. Das Innenstadt-Problem hat man überall in den Metropolen: Es gibt immer mehr Ketten, die sich gute Lagen leisten können. Kleine Restaurants und Cafés, die das Leben lebenswert machen, werden an den Rand gedrängt. Das gilt für das Entertainment auch. Wir betreiben noch viele kleine Kinos, etwa in Luzern, St. Gallen oder Basel. Dieses Geschäft muss man aber mit sehr spitzem Bleistift betreiben. Wir investieren aber auch: In unser Kino in Winterthur bauen wir eine Bowling-Bahn ein, und in Chur bauen wir ein neues Multiplex-Kino. Das wird das modernste und tollste Kino der Schweiz. Nächstes Jahr ist die Eröffnung.

Die Entwicklung geht klar hin zu grossen Kinos statt kleinen. Auch Filme in der Originalsprache gibt es immer seltener.
Das würde ich nicht unterschreiben. Das ist von Stadt zu Stadt sehr unterschiedlich. Viele Expats und Cineasten schätzen Originalversionen. Wir richten uns da an den Bedürfnissen der Kunden aus. Wir sind ein grosser Kinobetrieb und funktionieren wie eine Entertainmentfabrik. Wir sind kein Arthouse-Kino, sondern für das grosse Publikum da.

Täuscht der Eindruck, dass das Kino in der Krise steckt?
Zuletzt entwickelte sich Kino sehr gut. 2019 war ein sehr starkes Jahr. Das Kino ist aber sehr abhängig von verfügbaren Filmen. Dieses Jahr werden noch sehr viele starke Filme kommen. Dass Streaming den Kinomarkt zerstört, glaube ich nicht. Streaming konkurriert eher das fiktionale Angebot im linearen Fernsehen. Ich glaube, Streaming und Kino passen gut zusammen. Der Netflix-Chef ist übrigens der gleichen Meinung: Für ihn gibt es noch Streaming auf der einen und Kino auf der anderen Seite und dazwischen nichts. Gerade grosse Streaming-Anbieter wie Netflix und Disney suchen starke Partnerschaften mit Kinobetreibern. Kino bietet einzigartiges Erlebnis, das Home Entertainment nicht bieten kann.

2021 wird aber noch einmal ein Jahr zum Vergessen.
Ja. Wir sehen aber bereits heute, dass die Leute wieder zahlreich und gerne zurückkommen, und endlich sind auch die Kioske wieder offen. Als ich mit meinen Kindern zuletzt im Kino war, waren diese noch geschlossen. Mein Achtjähriger meinte dann, wenn es kein Popcorn gibt, braucht er gar nicht ins Kino zu gehen… (lacht).

(aargauerzeitung.ch)

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