Es ist Mittag am Sechseläuten-Montag, als wir Herbert J. Scheidt im obersten Stock der Bank Vontobel im Zürcher Enge-Quartier zum Interview treffen. Für den kleinen Hunger gibt es Sandwiches. Unten im Häusergewirr machen sich die Zünfter für den traditionellen Umzug bereit.
Als Sie im Herbst 2016 Ihr Amt antraten, setzten Sie sich das Ziel, das Ansehen der Bankbranche wieder zu steigern. Ist Ihnen das bislang gelungen?
Herbert Scheidt: Ja, es ist der Branche gelungen. Sie hat den Strukturwandel der letzten Jahre sehr gut gemeistert. Wir sind heute eine transparente Branche und haben den automatischen Informationsaustausch eingeführt. Mittlerweile ist allen klar, dass man in der Schweiz keine Gelder mehr verstecken kann. Dieser Prozess hat dazu geführt, dass der Finanzplatz international mit anderen Augen betrachtet wird. Darauf können wir als Branche, aber auch als Land stolz sein.
Und doch haben die Banken weiterhin mit Altlasten zu kämpfen, wie das Beispiel der Milliardenbusse gegen die UBS in Frankreich zeigt. Wie lange bleibt das noch so?
Aus unserer Sicht ist die Vergangenheit abgeschlossen. Es gibt aber noch eine Reihe von Staaten, die leere Kassen haben und gerne in die Vergangenheit blicken, um etwas finden zu können, woraus sie einen materiellen Mehrwert schlagen können.
Wenn man heute über die Banken spricht, dann spricht man über die hohen Saläre der Grossbankenchefs. Diese Saläre beschädigen doch den Ruf der ganzen Branche!
Als Branche haben wir viel unternommen und damit den Ruf verbessert: Wir haben die Regulierungswelle bewältigt und dafür gesorgt, dass auch kleinere Banken wettbewerbsfähig bleiben können. Wir haben die Überwachungsfunktionen in den Banken, die sogenannte Compliance, massiv ausgebaut. Heute sind unsere Banken stabil, transparent und sehr gut kapitalisiert. Dann haben wir international viel für das Ansehen des Bankenplatzes getan. Mit Ueli Maurer haben wir einen Bundesrat, der sich wie kein zweiter für den Finanzplatz starkmacht. Er hat erkannt, was notwendig ist, um den Bankenplatz international auszurichten. Er ist ein ausgezeichneter Botschafter.
Nochmals unsere Frage: Wie vertragen sich hohe Bankerlöhne mit Ihrem Anspruch, einen guten Ruf in der Öffentlichkeit aufzubauen?
Zum Thema Löhne möchte ich nichts sagen. Das ist eine Angelegenheit der Generalversammlungen der einzelnen Institute, und das ist auch durch die Bestimmungen der Minder-Initiative geregelt. Das, was die Reputation der Banken wesentlich ausmacht, ist die Qualität ihrer Services und ihre Rolle innerhalb der Volkswirtschaft.
Wir können verstehen, dass Sie sich nicht zu einzelnen Löhnen äussern wollen, aber unterschätzen Sie nicht die Sprengkraft der Bezüge der beiden Grossbankenchefs und der Führungsleute bei Raiffeisen, wo die Spitzenlöhne ebenfalls gestiegen sind?
Die Branche besteht aus 253 Banken und über 130'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, nicht nur aus zwei Grossbanken und Raiffeisen. Darüber hinaus stehen die Grossbanken im weltweiten Wettbewerb und müssen darauf schauen, was weltweit bezahlt wird. Die Schweiz will zwar internationale Gesellschaften hier haben, auch grosse Pharmafirmen wie Roche und Novartis. Aber bei den Löhnen will man Schweizer Standards. Das ist die Problematik.
Der Vergleich stimmt doch nicht. Richtig ist, dass Roche, Novartis und Nestlé weltweit in der ersten Liga spielen. Bei den Grossbanken dagegen ist das nicht mehr so. Die UBS und Credit Suisse sind im Vergleich zu den US-Banken massiv zurückgefallen. Nur bei den Löhnen will man weiterhin in der Topliga mitspielen.
Es war ja keine freiwillige Aktion der Schweizer Grossbanken, die Bilanzen zu halbieren. Sie mussten sich von Teilen des Investmentbankings verabschieden. Das war das erklärte Ziel der Regulierung.
Das ist der Punkt. Die Banken sind geschrumpft, aber die Löhne sind es eben nicht …
Wie gesagt, diese Banken stehen im internationalen Wettbewerb.
Als Verband sind Sie auch politischer Akteur. Es gibt viele Themen, die die Bankiervereinigung adressiert: AHV-Steuerdeal, Konzernverantwortungsinitiative oder Rahmenabkommen. Kann Ihre Branche angesichts der neuentfachten Boni-Debatte noch glaubwürdig für das Rahmenabkommen werben, ohne dass das Ihnen negativ ausgelegt wird?
Beim Rahmenabkommen stehen für uns vor allem volkswirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Sie wissen auch, dass die Bankbranche einen sehr begrenzten Marktzugang zu Europa hat.
Was sich ja mit dem Rahmenabkommen ja nicht ändern würde ...
Wir gehen davon aus, dass sich ohne Rahmenabkommen der Status quo über die Zeit drastisch verschlechtern würde und damit auch die Möglichkeit, einen besseren Marktzugang zu erhalten. Die EU ist unser allerwichtigster Handelspartner. Deshalb erachten wird das Rahmenabkommen als einen wichtigen und gewichtigen Schritt für die gesamte Volkswirtschaft.
Mit welchen konkreten Verschlechterungen rechnen Sie?
Die Frage wird sein, in welchem Ausmass eine Schweizer Bank noch grenzüberschreitende Dienstleistungen anbieten kann. Kann sie das nur noch bei bestehenden Kunden? Darf sie neue Kunden noch ansprechen? In der Vergangenheit war das toleriert. Heute ist das immer weniger möglich.
Wie viel Geld steht da auf dem Spiel?
Wir verwalten 1000 Milliarden an Geldern aus der EU, das sind 44 Prozent des gesamten Kuchens im grenzüberschreitenden Geschäft. Daraus werden jährlich Steuereinnahmen von 1,5 Milliarden Franken generiert. Etwa 20'000 Bankmitarbeiterinnen und -mitarbeiter arbeiten heute in diesem Bereich. Das Gefährliche ist, dass alle sagen, es passiert nichts, wenn das Abkommen nicht unterschrieben wird. Klar, es wird keinen Knall geben, aber es wird in einer schleichenden und im Endeffekt drastischen Verschlechterung unserer Konkurrenzfähigkeit resultieren.
Unabhängig vom Rahmenabkommen: Wird die Zahl der Arbeitsplätze auf dem Schweizer Bankenplatz weiterhin schrumpfen?
Die Banken und Vermögensverwalter beschäftigen in der Schweiz aktuell rund 136'000 Menschen. Diese Zahl ist gleich gross wie vor zehn Jahren. Hinzu kommen – ganz wichtig – weitere 173'000 indirekte Banken-Beschäftigte in der Schweiz. Das sind Jobs, etwa in der IT.
Und diese Zahl ist wegen der Auslagerungen gestiegen?
Richtig. Weil die Banken zunehmend Lösungen extern einkaufen ist die Zahl der indirekt Beschäftigten, also Leute, die in einer anderen Branche, aber vor allem für die Banken arbeiten, innerhalb der letzten fünf Jahre um rund 30'000 gewachsen.
Ein Mega-Thema ist der Klimawandel. Banker gelten als sehr flugfreudig. Wie ist Klimaschutz für Sie ein Thema?
Persönlich versuche ich Flüge zu vermeiden, die nicht zwingend sind. Wenn möglich nehme ich den Zug oder das Auto. Aus ökologischen Gründen, aber auch weil es effizienter ist: Man hat weniger Unterbrüche und kann besser arbeiten.
Nach Asien – wo die Schweizer Banken wachsen – ist das schwieriger ...
Die Schweiz, nicht nur der Finanzplatz, ist mit der ganzen Welt vernetzt. Da wird Fliegen unvermeidlich bleiben. Doch jede Branche und insbesondere die Fluggesellschaften müssen sich mit dem Klimaschutz beschäftigen. Für die Schweizer Banken ist er eine Chance: Wir bekennen uns als Branche seit längerem zu den ESG-Anlagekriterien (ökonomische und soziale Standards, die Red.) und haben sehr innovative Angebote. In der Schweiz werden über 400 Milliarden Franken nachhaltig verwaltet.
Sehen Sie es als Aufgabe der Banken, die Welt besser zu machen, die Anleger zu erziehen?
Wir können zur Bewusstseinsänderung beitragen und tun dies auch. Ich glaube in der Tat, dass wir mit nachhaltigem Anlegen die Einstellung der Bürgerinnen und Bürger verändern können. Dass letztlich die Anleger entscheiden, wie sie investieren möchten, das ist klar.
Die EU macht Druck und will Fonds nur noch zulassen, wenn sie ökologischen Standards entsprechen. Anlagen in Kohlekraftwerke werden zum No-Go.
Die EU hat bereits Regelwerke erlassen. So gut die Absicht ist, so gefährlich wäre es, wenn sie einen neuen bürokratischen Super-Tiger daraus machen würde. Wir sind überzeugt, dass das verantwortungsvolle Anlegen eine Sache der Banken und Anleger ist, denn wir haben alle Interesse daran. Genau das tun wir als Branche. Es braucht nicht mehr staatliche Regulierung.
Eine Belastung für die Banken bleiben die Negativzinsen der Nationalbank. Wie weiter?
Wir sehen und anerkennen das Motiv der Nationalbank, mit den Negativzinsen die Frankenstärke einzudämmen. Doch sie sind ein grosses und wachsendes Problem für Sparer, Pensionskassen und Banken. Allein die Banken lieferten letztes Jahr 2 Milliarden Franken an die Nationalbank ab. Auf Dauer beschädigen die Negativzinsen die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Banken und somit die Volkswirtschaft.
Auch natürlich sind Arbeitsplätze in Gefahr wenn wir das Rahmenabkommen nicht annehmen. Wenn wir es aber annehmen dann ist wohl nahezu der gesamte MIttelstand in Gefahr.
Das Abkommen ist leider nicht viel mehr als Erpressung seitens der EU. Unsere Leute haben da nicht sehr vorteilhaft verhandelt. Faires Verhandeln auf Augenhöhe sieht anders aus....
Ich weiss, stimmt nicht ganz diese Rechnung, aber: 2015 bezahlte die CS 2'300'000'000.- an Boni. Nehmen wir also diese Zahl und teilen sie durch die 20'000, ergibt das 115'000.-. Ein ganz schöner Lohn für 20'000 Angestellte.
So gesehen sollte die Bank ganz andere Probleme lösen, als die Schuld an andere abzuschieben, damit sie wieder Rückhalt in der Bevölkerung geniesst.
Nein zu Lohndumping und der Aufhebung der flankierenden Massnahmen zum Schweizer Lohnschutz
Nein zur Aushebelung der CH Demokratie durch Automatische Übernahmen, welche verpflichtend sind, da die CH sonst einklagbar ist ;-)
Rahmabkommen /= Bilaterale