Sie werden «Hirnstimulanzien», «Neuroenhancers» oder «smarte Pillen» genannt: Medikamente wie Ritalin und Prozac, die eigentlich zur Behandlung von Aufmerksamkeitsstörungen, Alzheimer oder Depressionen vorgesehen sind, . Drei Prozent der jungen Männer in der Schweiz putschen sich einer neuen Studie zufolge mindestens einmal im Jahr mit hirnstimulierenden Medikamenten auf. Nichtakademiker tun dies deutlich häufiger als Studenten, wie der jedoch auch als Aufputschmittel, Prüfungs- oder Partydroge verwendet werden könnenSchweizerische Nationalfonds (SNF), der die Studie finanziert hat, am Mittwoch mitteilte.
Gemäss der Studie des Teams um Gerhard Gmel vom Universitätsspital Lausanne (CHUV) hatten 180 von 5967 befragten Rekruten im zurückliegenden Jahr mindestens ein solches Medikament eingenommen. Die jungen Männer waren zwischen August 2010 und November 2011 bei Aushebungen in Lausanne, Windisch und Mels gefragt worden, ob, wie oft und warum sie Hirnstimulanzien konsumieren.
Die Konsummuster unterschieden sich deutlich zwischen Studenten und Nichtakademikern gleichen Alters, wie die Wissenschaftler im «International Journal of Environmental Research and Public Health» berichten. Studenten konsumieren im Schnitt fünf Mal im Jahr verschiedene hirnstimulierende Substanzen. Dabei geht es ihnen meist darum, ihre Leistungen etwa bei Prüfungen zu verbessern.
Ihre nichtakademischen Altersgenossen indes nehmen im Schnitt fast wöchentlich oder etwa 40 Mal im Jahr Stimulanzien ein. Dabei handelt es sich vorwiegend um Ritalin und andere Heilmittel, die gegen Aufmerksamkeitsstörungen verschrieben werden. Ihre Hauptmotivation sei es, länger wach zu bleiben – etwa an Partys – oder «high» zu sein, schreiben die Forscher.
Die Probanden wurden nach sechs Substanzgruppen befragt: wach machende Medikamente, Antidepressiva, Alzheimer- und Parkinson-Medikamente, Arzneien gegen die Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) sowie angstlösende Betablocker. ADHS-Medikamente wie Ritalin wurden am häufigsten benutzt.
Die Schweizer Zahlen lägen deutlich unter jenen in den USA, schreiben die Forscher. Dort greift jeder zwanzigste Student mindestens einmal im Jahr auf Hirnstimulanzien zurück, obwohl er weder an einem Aufmerksamkeitsdefizit noch an einer Depression leidet. Präventionsmassnahmen seien deshalb bisher vor allem auf (US-amerikanische) Studenten ausgerichtet gewesen.
Zumindest in der Schweiz jedoch würden die chemischen Schlaumacher in intensiverem Masse von Nichtakademikern verwendet, betonen die Forscher. Für sie gelte es neue Präventionsstrategien zu entwerfen. Denn manche der Pillen nützten den geistigen Fähigkeiten gar nichts, stellten jedoch ein Missbrauchs- oder Suchtproblem dar. (oku/sda)