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Tuberkulose zurück in der Schweiz: Wie man sich schützt und weitere Fakten

ARCHIVBILD ZU EINEM FALL VON TUBERKULOSE AN DER PRIMARSCHULE SUHR, AM FREITAG, 6. SEPTEMBER 2019 - Protective clothing in the corridor of the Sereal schoolhouse of the Public School Suhr, Canton of Aa ...
Die Schule in Suhr: Hier erkrankte ein Kind an Tuberkulose. Bild: KEYSTONE

Warum ist Tuberkulose noch immer ein Problem? Die 10 wichtigsten Antworten

Letzte Woche häuften sich die Meldungen über die Lungenkrankheit. Die Krankheit hat ihren Schrecken noch nicht überall verloren: Weltweit ist sie die gefährlichste Infektionskrankheit. Wir klären die wichtigsten Fragen dazu.
11.09.2019, 07:0211.09.2019, 08:53
Daniel Fuchs / ch media
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Wie steckt man sich an?

Die Tuberkel-Bakterien gelangen meist durch Tröpfcheninfektion via Lunge in den Körper. Auch Infektionen via Blut oder roher Milch sind möglich. Der Bund hält fest, dass Tuberkulose nicht sehr ansteckend ist. «Man steckt sich nicht einfach so an mit Tuberkulose, nur weil man sich mit einem Erkrankten im selben Supermarkt befindet», sagt Mark Witschi, Spezialist beim Bundesamt für Gesundheit (BAG).

Faktoren, die eine Ansteckung begünstigten: körperliche Nähe über eine längere Zeit mit einer erkrankten Person in einem mangelhaft durchlüfteten Raum. Grippe oder Masern etwa sind viel ansteckender.

Wie ansteckend sind Kinder?

Bei den bekannt gewordenen TB-Fällen von letzter Woche handelt es sich um Kinder. Sie sind aber kaum ansteckend, selbst wenn sie husten, scheiden sie nur wenige Bakterien aus. Überträger sind meist Erwachsene. Generell erkranken nur 5 bis 10 Prozent der angesteckten Personen. Rund ein Drittel der Weltbevölkerung ist infiziert und hat kaum Beschwerden.

ARCHIVBILD ZU EINEM FALL VON TUBERKULOSE AN DER PRIMARSCHULE SUHR, AM FREITAG, 6. SEPTEMBER 2019 - Interior view of the schoolhouse Vinci, one of the schoolhouses of the Public School Suhr, Canton of  ...
Blick in die Suhrer Schule.Bild: KEYSTONE

Ist Tuberkulose heilbar?

Wird die Krankheit früh diagnostiziert und richtig behandelt, kann sie gut geheilt werden. Nach drei Wochen sind die Erkrankten dann nicht mehr ansteckend. Die medikamentöse Therapie dauert aber mindestens sechs Monate.

Von den jährlich rund 500 Erkrankten in der Schweiz sterben nur einzelne. 2017 waren es zehn. Weltweit bleibt die Krankheit aber die gefährlichste Infektionskrankheit: Jährlich sterben rund 1.5 Millionen Menschen daran (HIV: 800'000 Tote).

Lässt sich Tuberkulose ausrotten?

Diese Hoffnung hatte man Mitte des 20. Jahrhunderts, als die ersten Tuberkulose-Antibiotika aufkamen. Doch es zeigte sich in den 80er-Jahren, dass manche Bakterienstämme dagegen immun wurden. Antibiotikaresistenzen sind heute ein grosses Problem.

Die Fälle in der Schweiz treten fast ausschliesslich durch Ansteckung im Ausland auf, bei Migranten, Geschäftsleuten oder Schweizern, die im Ausland Ferien gemacht haben.

Wie stark sind Flüchtlinge betroffen?

Die Zahl der Tuberkuloseerkrankungen stieg nach der europäischen Flüchtlingskrise 2015 auch in der Schweiz an. Generell gehen laut Mark Witschi vom BAG rund die Hälfte der Fälle auf die Migration zurück, also auch auf Asylbewerber.

Wo hat sich das afghanische Mädchen angesteckt?

Eines der angesteckten Kinder ist ein afghanisches Mädchen. Wo genau das Mädchen sich angesteckt hat, ist für das BAG nicht nachvollziehbar. Doch Mark Witschi kennt ähnliche Fälle. Typisch wäre: Das Mädchen trug die Krankheitserreger bereits in sich, als es in die Schweiz einwanderte. «Viele fühlen sich gesund, die Krankheit bricht manchmal erst viel später aus», erklärt Witschi.

Ihm sind Fälle bekannt von Gastarbeitern aus Portugal, die im Alter wegen einer anderen Krankheit eine Immunschwäche erleiden. «Dann kann die Tuberkulose ausbrechen.» Offenbar hatte die Familie des Mädchens letztmals drei Jahre vor der Diagnose Ferien in Afghanistan verbracht. Es ist also auch möglich, dass das Kind in den Ferien angesteckt wurde. «Ansteckungen in der Schweiz sind sehr unwahrscheinlich», so Witschi.

Werden Asylbewerber auf Krankheiten wie Tuberkulose getestet bei der Einreise?

Seit 2006 geschieht dies nicht mehr systematisch. Danach wurden nur Asylbewerber aus Hochrisikoländern oder mit typischen Symptomen auf Tuberkulose untersucht. Eine Gesetzesänderung auf Anfang 2019 schaffte allerdings auch diese Praxis ab. Nun werden Asylbewerber nur noch darauf hingewiesen, dass sie sich medizinisch untersuchen lassen können.

Steigt damit nicht die Gefahr, dass mehr Asylbewerber die Krankheit hier verbreiten?

Das weiss man noch nicht, laut Witschi wird die neue Praxis evaluiert. Die vorläufigen Zahlen der Tuberkulose-Ansteckungen von 2019 liegen aber im langjährigen Mittel.

Gibt es eine Tuberkulose-Impfung?

Doch, eine Impfung gibt es seit der 30er-Jahre. Standardmässig wurde sie nach dem 2. Weltkrieg eingeführt. 1998 wurde sie in der Schweiz wieder abgeschafft. Denn das Ansteckungsrisiko ist gesunken und der Impfschutz zudem mangelhaft. Es wird intensiv nach einem besseren Impfstoff geforscht.

Warum sind wir nicht längst immun gegen Tuberkulose?

Der wichtigste Erreger von TB gehört schon seit Jahrtausenden zum Menschen. Menschen sind immer von Bakterien umgeben und besiedelt, die im Normalfall keine Krankheit verursachen. Erst wenn das Immunsystem schwach wird oder wenn gewisse Menschen genetisch prädisponiert sind, bricht die Krankheit aus. Das ist auch bei anderen Erregern so. HIV-Infizierte sind deshalb auf TB besonders anfällig. Rauchen erhöht das Risiko einer Infektion ebenfalls.

(aargauerzeitung.ch)

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