Auf zweitem Bildungsweg mit 26 Jahren ein Uni-Studium zu absolvieren und daneben 60 Prozent zu arbeiten, war intensiv. Doch es hat sich gelohnt. Nun ist alles vorbei und ich habe meinen Master abgeschlossen.
Gestern habe ich aufgezählt, welche Dinge des Studentenlebens ich so gar nicht vermisse. Heute sind die Highlights dran.
Das Leben als Student ist grösstenteils herrlich – vor allem für diejenigen, die daneben nicht arbeiten. Stressig ist es primär in der Lern- und Prüfungsphase. Während des Semesters war ich relativ frei in der Wochengestaltung.
Natürlich, es gibt einige Studiengänge mit Anwesenheitspflicht, mit Leistungsnachweisen (z. B. Vorträge, schriftliche Arbeiten) auch während des Semesters. Letztendlich – und da bediene ich mich gerne der oft verwendete Floskel – studiert man aber für sich selbst.
Es gibt keine nervigen Vorgesetzten, Vorlesungen sind eher selten auf 8 Uhr angesetzt, als Student hat man auch unter der Woche problemlos Zeit für Termine aller Art.
Und wenn Publizistik-Studentin Julia und ihr Biologie-Kommilitone Sven an einem schönen Sommertag mal keine Lust auf ihre Seminare haben und lieber am See chillen möchten, dann ... machen sie das einfach und es kümmert kein Schwein.
McKinsey-Unternehmensberater würden von einem «Asset» sprechen. Im Wirtschaftsjargon ein Vermögenswert eines Unternehmens. Der Akademische Sportverband Zürich ASVZ bietet über 120 Sportarten an. Täglich kann man sich von früh bis spät physisch und auch mental betätigen. Kosten tut das die Studentinnen und Studenten 30 Franken pro Semester.
Von Aikido, Drytooling und Flag Football bis zu Hochtouren, Meditation und Salsa, die Auswahl ist beinahe grenzenlos. Natürlich, einige Abstriche im Vergleich mit einem Yuppie-Gym-Schuppen in der Innenstadt muss man in Kauf nehmen. Zu Stosszeiten ist es speziell in den Garderoben der Polyterrasse mindestens 200 Grad heiss und dazu viel zu eng. Beliebte Kurse sind schnell ausgebucht. Aber insgesamt ist das Preis-Leistungs-Verhältnis unschlagbar und auch für Alumnae aller möglichen Hochschulen günstig zu haben.
*Korrekt, müsste eigentlich «der» heissen, da «Verband» ja ein männliches Nomen ist. Aber alle, die ich kenne, gehen «ins» ASVZ.
Klein, aber fein und etwas versteckt im Asien-Orient-Institut gibt es für wenig Geld richtig gutes Essen. Seit einigen Jahren bietet die Universität Zürich – auch im Zuge von Nachhaltigkeitsbestrebungen – eine sehr gut besuchte vegane Mensa an. Von Montag bis Freitag isst man über Mittag für 6.90 Franken eines der beiden täglich wechselnden Menüs.
Auf den Tisch kommen Gerichte wie «vegane Cevapcici aus Soja mit Ajvarsauce, Wildreismix, Ofengemüse & Petersilie» oder «Fünfkorn-Tagliatelle mit Kürbisrahmsauce, Rosenkohl & Kichererbsen im Ofen gebacken, geröstete Walnüsse & Schnittlauch».
Getoppt wird der ohnehin schon sehr faire Preis durch die Tatsache, dass Studenten mit grossem Hunger gratis einen Nachschlag erhalten. Ich habe mich einige Male nochmals in die Reihe gestellt – und mich immer ein bisschen geschämt.
Und bevor nun das Geschrei losgeht und die Uni Zürich als elitäre und von Weltverbesserer-Gedankentum indoktrinierte Fleisch-Wegnehm-Öko-Mafia betitelt wird: In der Hauptmensa gibt's von Bratwurst über Schnitzel bis zu Burger regelmässig alles, was sich aus Tieren herstellen lässt.
Mindestens halbjährlich und regelmässig auch während des Semesters bauen sie sich auf wie gefürchtete Löwen: die universitären Pflichten. Vorträge und Hausaufgaben, aber vor allem Prüfungen und Seminararbeiten.
Die Stressphase davor kann sehr belastend sein, das Gefühl danach ist unbezahlbar. Als Student weiss man ab diesem Zeitpunkt: Jetzt habe ich einige Wochen oder sogar Monate Luft. Was mich gleich zum nächsten Punkt bringt.
BWL-Abgänger Sebastian, der nun als Junior Berater bei McKinsey tätig ist, würde hier ebenfalls von einem Asset sprechen, und das ist es auch, definitiv. Gerade die Semesterferien im Sommer können durchaus mal drei Monate dauern. Auch wenn sich im Rahmen der New-Work-Bewegung immer mehr Unternehmen für flexibles Arbeiten starkmachen, keine normal berufstätige Person hat drei Monate Ferien, von unbezahltem Urlaub einmal abgesehen.
In dieser unanständig langen Zeit kann man reisen, sich mit einem Sommerjob ein finanzielles Polster verdienen oder einfach jeden Tag in die Letten-Badi. Beim Übertritt ins Berufsleben fallen dann einige Studenten zunächst mal bös auf die Schnauze. Es bleibt zu hoffen, dass sie sich an ihre fünf Wochen Ferien gewöhnen, die sie in den nächsten 40 Jahren im Schnitt beziehen können.
... sind eine absolute Wohltat.
Meiner Erfahrungen nach sind es oft die jüngeren Dozierenden, etwa Postdocs, die am Anfang ihrer wissenschaftlichen Karriere stehen und besonders motiviert sind. In meinem letzten Semester besuchte ich ein Seminar bei einer jungen Dozentin, die zwar sehr viel forderte, jedoch absolut für ihren Forschungsbereich brannte. Die Lektionen und Diskussionen waren spannend, lebhaft und wissenserweiternd.
Natürlich gibt es auch sehr viele Dozierende, die auch nach Jahren und Jahrzehnten an der Uni nichts von ihrem Feuer verloren haben und ihre Vorlesungen spannend und unterhaltsam gestalten.
Was man in einschlägigen Kommentarspalten über Studenten lesen kann, trifft teilweise tatsächlich zu. In den Räumlichkeiten der Universität Zürich treiben sich einige der allergrössten und nervtötendsten Klugscheisser dieses Landes herum.
Da wird über die Naturphilosophie Hegels, über mikroökonomische Konzepte, elektrolytische Dissoziationen und indogermanische Laut-Regelmässigkeiten diskutiert, als ginge es um ein Fussballspiel.
Der geistige Austausch kann – auf einem vernünftigen Niveau – aber auch sehr bereichernd sein und findet im alltäglichen Leben wohl nicht in dieser Form statt. Als Student wird man mit Wissen aus diversen Bereichen konfrontiert, hinterfragt Gesagtes, kreiert Neues, präzisiert Bestehendes, falsifiziert Definiertes. Diesen Ort der Debatte und Deliberation werde ich definitiv vermissen.
In keiner Situation kann man einfacher vorübergehend in einen fremden Alltag eintauchen wie mit einem Austauschsemester. Der Rahmen ist durch die Universität gegeben und anders als in der Arbeitswelt kann man nach einem halben Jahr ohne Probleme wieder zurück in die Heimat.
Wie bei den Sportkursen ist auch die Anzahl an möglichen Austauschdestinationen riesig. Von Singapur über Kamerun bis Maastricht ist fast alles mit dabei. Auch BWL-Student Sebastian hat ein Austauschsemester absolviert, er musste zwar seine «comfort zone» verlassen, fand die Erfahrung aber total «amazing».
Sei es in Vorlesungen und Seminaren, beim Sport oder an Studentenpartys: An der Universität lernt man früher oder später Leute kennen. Und all diese Kommilitonen werden früher oder später Teil der Arbeitswelt.
Man kann sich im Studium also ohne grösseren Aufwand ein erstes Netzwerk aufbauen und davon in Zukunft profitieren.
Besonders nützlich ist die Universität übrigens für angehende Journalistinnen und Journalisten. Brauche ich als Polit-Reporter heute für eine Geschichte eine Expertise, rufe ich einfach meine ehemaligen Professorinnen und Professoren an.
Die Legi – Kurzform für Legitimationskarte – wird ihrem Namen absolut gerecht. An zahlreichen Orten gibt es einen Legi-Rabatt, etwa bei kulturellen Veranstaltungen oder an Sportanlässen.
Auch wenn die Reduktion in den meisten Fällen nur einige Franken beträgt, das Gefühl, ein bisschen was gespart zu haben, ist wunderbar.