Im Dorf wusste man schon früh, dass am Donnerstag die Polizei auftauchen wird: «Die Polizei meldete sich und fragte, ob sie Einsatzfahrzeuge parkieren dürfe. Es gehe um eine Übung», heisst es von Anwohnern des Winterthurer Quartiers Stadel im Norden der Stadt. Als dann aber auch Absperrbänder gespannt wurden und die Forensik ihre Arbeit aufnahm, war allen klar: In der 300 Einwohnerinnen und Einwohner grossen Aussenwacht findet eine polizeiliche Grossermittlung statt.
Erste Medienberichte folgten gestern kurz vor 18 Uhr: «Züri Today» berichtete über eine Hausdurchsuchung, die mittlerweile von den Ermittlungsbehörden bestätigt wurde. Sie haben einen deutschen Staatsbürger festgenommen. Beteiligt am Einsatz war nicht nur die Kantonspolizei Zürich, sondern auch das Bundesamt für Polizei (Fedpol).
Solche Konstellationen gibt es dann, wenn eine Straftat in der Kompetenz der Bundesgerichtsbarkeit steht. Die Liste möglicher Delikte ist abschliessend und enthält nicht nur schwere Verbrechen wie Terrorismus oder Geldwäscherei, sondern auch Delikte, die von kriminellen Organisationen oder in mehreren Kantonen begangen wurden. In der Liste finden sich auch Straftaten, die im Zusammenhang mit «Sprengstoffen oder giftigen Gasen» stehen.
Letzteres löste zumindest bei einem Bewohner in Stadel ungute Gefühle aus. Ein Stadler, der unweit des Polizeieinsatzes wohnt, sagt zu watson: «Die Polizei sagte uns nur, dass sich Chemikalien in einer Wohnung befinden können. Was es war, sagte man uns nicht. Es könnten Drogen oder Sprengstoff sein, vor allem, weil es ja diesen Fall kürzlich gab. Ausserdem sahen wir zivile Polizeifahrzeuge mit einem Nummernschild aus Stuttgart.»
Der Bewohner bezog sich auf den Polizeifall, der vor gut einem Monat in der baden-württembergischen Hauptstadt Stuttgart Schlagzeilen machte: Die Polizei erwischte zwei junge Schweizer im Alter von 24 und 26 Jahren beim vermeintlichen Kauf von Sprengstoff.
Die Schweizer Bundesanwaltschaft dementiert aber diese Vermutung. Die Ermittlungen in Stadel wurden zwar durch ein Rechtshilfegesuch aus Baden-Württemberg ausgelöst, einen Zusammenhang zur Verhaftung in Stuttgart gebe es aber nicht. Die Kantonspolizei Zürich bestätigte gegenüber watson, dass Chemikalien in der Wohnung nicht ausgeschlossen werden konnten. Eine Gefahr für die Bevölkerung habe aber nicht bestanden und bestehe nach wie vor nicht.
Die Anwohnerinnen und Anwohner in der Aussenwacht – so werden Weiler wie Stadel im Raum Zürich genannt – wollten die idyllische Stimmung durch den Polizeieinsatz nicht trüben lassen. Das Restaurant im Quartier, welches den Parkplatz für die Einsatzfahrzeuge zur Verfügung stellte, gelangte wegen ersten Bildern von parkierten Polizeiautos unfreiwillig in die Schlagzeilen. Die Wirtsfamilie bekam daraufhin mehrere neugierige Anrufe, obwohl sich der eigentliche Einsatz rund 150 Meter weiter weg abspielte. «Wir sind gespannt, ob das eine gute oder schlechte Werbung für unsere Beiz war. Wir werden am Nachmittag normal öffnen», erklärte der Mann der Wirtin am Telefon.