«United by Music» lautet das Motto des Eurovision Song Contest (ESC). Von Verbindendem dürfte aber wenig zu spüren gewesen sein im Videocall zwischen den Vertretern der Stadt Zürich und der SRG am Freitagmorgen. Die SRG überbrachte die Nachricht, dass es Zürich nicht auf die Shortlist für die Austragung des ESC im nächsten Jahr geschafft hat, Basel und Genf hingegen schon. Über das Warum streiten sich nun die Parteien.
Als einen von zwei Hauptgründen habe die SRG das Risiko eines erfolgreichen Referendums angeführt, teilte die Stadt Zürich schon am Freitag mit. Tatsächlich hatten die EDU und die Junge SVP angekündigt, Unterschriften gegen den vom Parlament bewilligten 20-Millionen-Kredit der Stadt zu sammeln.
Die SRG widersprach: Referenden hätten keine Rolle gespielt. Dabei bleibt sie. Sprecher Edi Estermann sagt auf Anfrage:
Die Stadt Zürich bleibt bei ihrer Darstellung. Die SRG habe ihr zwei Gründe genannt: dass andere Städte ein Angebot gemacht hätten, das die SRG stärker finanziell entlaste – und das Risiko einer Volksabstimmung. «Diese möchte die SRG vermeiden», sagt Nadine Markwalder vom Präsidialdepartement der Stadt Zürich. Wieso die SRG anderes behaupte, darüber wolle die Stadt «keine Spekulationen anstellen».
Es ist nicht der einzige strittige Punkt. Bei der SRG heisst es etwa, das Projektteam habe den Vertretern von Zürich und Bern, die es nicht auf die Shortlist schafften, «ausführlich erklärt, welche Faktoren von den anderen Städten noch besser erfüllt wurden und was letztlich zum Ausscheiden führte». Die Stadt Zürich will davon nichts wissen: Ausser beim Kriterium Budget habe die SRG «keine substanzielle Rückmeldung» gegeben.
Bei harten Faktoren – etwa der Hallenkapazität, der Anzahl Hotelbetten oder der internationalen Anbindung – dürfte Zürich besser abgeschnitten haben als die Konkurrenz. Die SRG führte denn auch weiche Faktoren ins Feld, die den Ausschlag gegeben hätten, etwa «wie sehr eine Stadt den ESC will».
Wie sich die Begeisterung von Behörden messen lässt, darüber schweigt sich Sprecher Estermann aus. Das Engagement der Städte sei zusätzlich zum umfangreichen Anforderungskatalog in die Bewertung eingeflossen. Dazu zählten etwa die «spürbare Motivation», die Reaktionszeiten oder die Kreativität. So könnte nachteilig ausgelegt worden sein, dass die Stadt Zürich ihre Bewerbung am letzten Tag der Frist einreichte.
Letztlich bleibt der Auswahlprozess aber eine Blackbox. Die SRG will nicht öffentlich machen, bei welchen Faktoren die Städte wie beurteilt wurden. Zwar betont sie, dass der Wirtschaftsprüfer Pricewaterhouse-Coopers (PwC) den Prozess begleitet. Auf Anfrage bestätigt Estermann aber auch: In die Auswahl der Städte sind die PWC-Experten nicht involviert. Was ihr Mandat überhaupt vorsieht, gibt die SRG nicht bekannt.
Für Irritationen sorgte der Auswahlprozess auch in Bern, auch wenn sich die Stadtoberen mit Kritik zurückhalten. Dass die SRG ihre Bewerbung nicht berücksichtigte, lag für Beobachter von Anfang auf der Hand. Die Neue Festhalle, mit der die Bundesstadt ins Rennen stieg, wird erst Ende März 2025 fertig – ein zu grosses Risiko.
Allerdings: Bevor Bern seine Bewerbung ausarbeitete, fragte die Stadt bei der SRG nach. Diese habe signalisiert, dass eine Austragung in der Neuen Festhalle möglich wäre, «insbesondere auch, weil sie die modernste Festhalle der Schweiz sein wird». So steht es in einem Beschluss der Berner Stadtregierung. Weshalb die SRG nicht von Anfang an mit offenen Karten spielte und den Berner Behörden den Aufwand für die Erarbeitung eines Dossiers ersparte, will SRG-Sprecher Estermann nicht kommentieren.
Am Ende dürften die Basler und Genfer Behörden die Bedürfnisse der SRG besser antizipiert haben. Zürich war zwar bereit, viel Geld zu investieren – insgesamt dürfte es der höchste Betrag aller Kandidaturen gewesen sein. Auf dem Papier waren es «nur» knapp 29 Millionen Franken, während Genf 30 und Basel 30 bis 35 Millionen Franken in Aussicht stellten. Doch die Leistungen der Stadtpolizei wollte Zürich nicht verrechnen, was laut Ansicht von Experten einen Wert von weiteren bis zu 10 Millionen Franken gehabt haben dürfte.
Doch während Basel und Genf ihre Budgets so aufteilten, dass ein Teil des Betrags direkt an die SRG fliessen soll, verzichteten Bern und Zürich darauf. Die unter Spardruck stehende SRG dürfte eine für sie möglichst günstige Austragung schliesslich höher gewichtet haben als eine möglichst grosse Halle oder das beste Hotelangebot.
Hinzu kommt, dass der Deutschschweizer SRG-Ableger SRF unter dem Vorwurf der Zürich-Lastigkeit leidet. Dass die SRG für einmal eine andere Stadt ins Schaufenster stellen will als Zürich, dürfte in Hinblick auf die Halbierungsinitiative kein schlechter Schachzug sein. Ob es Basel oder Genf wird, will die SRG bis Ende August entscheiden. (aargauerzeitung.ch)