«Mein ganzes Geld ist für Alkohol drauf gegangen», sagt Daniela Huber und nippt an ihrem Weinglas, das mit «Granita al Limone» und Prosecco gefüllt ist. Hier in der Destithek im Zürcher Niederdorf hat die 32-Jährige hinter der Bar gearbeitet, bevor sie für ihr Buch vom Nordkap bis Gibraltar gereist ist. Drei Monate lang von Bartheke zu Bartheke; über 80 Bars, jeden Abend bis zu drei verschiedene.
Für die Übernachtung blieb nicht viel übrig. So lehnte sie auch ungewöhnlichere Schlafplatz-Angebote nicht ab: «In Finnland habe ich einen Drehbuchautor kennengelernt. Er bot mir an, bei ihm zu übernachten. Weil seine Wohnung so klein war, hatte es einzig unter dem Küchentisch Platz.» Also habe sie es sich mit einer Campingmatte gemütlich gemacht. «War gar nicht so unbequem.»
Was sie antrieb: Die Geschichten der Menschen in den Bars einzufangen. «Alkohol macht alle zutraulicher. Eine Bar bietet den Rahmen, dass sich die Leute schneller öffnen.» Sie selber sei nie auf die Leute zugegangen, sondern habe sich mit ihrem Notizbuch an die Theke gesetzt und die Beobachtungen aufgeschrieben. Deswegen sei sie auch schnell mit anderen Besuchern ins Gespräch gekommen. «Ich habe viele verrückte Dinge gehört.» Geschichten von Leuten, die verlassen worden sind oder über die Angst vor dem Tod.
Wer in ihrem Buch «Bargeschichten» Storys über ihre Reise oder persönliche Erlebnisse lesen möchte, sucht vergebens: «Ich finde, es gibt nichts Blöderes, als wenn man ein Buch darüber schreibt, was man auf Reisen alles erlebt hat. ‹Dort hatte ich kalte Füsse, dort eine Lebensmittelvergiftung›, das ist nicht bewegend.», sagt die Autorin. Es gehe nicht um sie, sondern darum, dass die Lesenden in die Köpfe der Leute in den Bars schauen können und sich fühlen, als würden sie auch in der Bar sitzen.
Deshalb liest man in ihrem Buch auch die Geschichte vom «Grüsel», wie sie ihn nennt, in Graz nicht, der ihr eine Suppe offerierte und nicht mehr aufhörte, ihre Brüste anzustarren. Von ihrem versehentlichen Besuch in einer Kontaktbar in Tallinn erzählt sie zwar, aber nüchtern, ohne explizite Erzählweise und ohne eigene Gefühlserfahrungen zu vermitteln – genau wie von einem Abend in einer herkömmlichen Bar.
Auf ihrer Reise vom Norden in den Süden hat sich auch die Stimmung in den Bars verändert: «Je südlicher du reist, desto weniger spielt es eine Rolle, was du trinkst. Ob das Bierglas halb voll oder halb leer ist: scheissegal, alle sind am Tanzen.» Im Norden stehe der Cocktail und die Bar im Mittelpunkt. «Die Leute gehen da hin, weil die Bar in ist.» So nimmt sie es auch in der Schweiz wahr: Weniger Lebensfreude, dafür gäben die Einwohner mehr Geld für Drinks aus. «Die Mentalität des Landes widerspiegelt sich auch in den Bars.»
Auf die Frage, ob sie selber mal eine Bar führen wolle winkt sie schnell ab: «Nein! Das wäre viel zu viel Routine für mich. Jeden Tag Barhocker rauf- und runterstellen, Kaffeemaschine putzen.» Sie sei eine Reisende, immer auf der Jagd nach dem Fremden und Fernen.