Zürcher Gericht spricht zwei frühere IV-Gutachter frei
Das Bezirksgericht Zürich hat zwei ehemalige IV-Gutachter vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen. Ihnen wurde vorgeworfen, einen Mann trotz psychischer Probleme fälschlicherweise als arbeitsfähig eingestuft zu haben.
Ein früherer IV-Gutachter wehrte sich am Montag am Bezirksgericht Zürich gegen Betrugsvorwürfe. Sein damaliger Chef blieb der Verhandlung bereits zum zweiten Mal aus gesundheitlichen Gründen fern.
Das Strafverfahren dauert bereits über sieben Jahre. Die Beteiligten waren darum einverstanden, die Verhandlung in Abwesenheit des 72-jährigen Ex-Chefs durchzuführen.
Das Gericht sprach beide Ärzte von den Betrugsvorwürfen frei. Für ein arglistiges Vorgehen durch die Beschuldigten fehlten die Beweise, sagte der Richter bei der Urteilseröffnung. Einzelne falsche Angaben wertete das Gericht als Versehen.
Die Verfahren wegen Urkundenfälschung stellte das Gericht ein. Der Vorwurf sei verjährt, sagte der Richter.
Für die Arbeit der Anwälte werden die Beschuldigten entschädigt. Geforderte Genugtuungen über 5000 Franken erhalten sie nicht. Der Privatkläger erhält keine Entschädigung durch die Beschuldigten. Die Urteile können noch an das Zürcher Obergericht weitergezogen werden.
Bekannt durch «Kassensturz»
Der Fall erlangte Bekanntheit, als die Fernsehsendung «Kassensturz» 2018 darüber berichtete. Der Privatkläger hatte das Gespräch mit dem Gutachter 2013 heimlich aufgenommen und dem Deutschschweizer Radio und Fernsehen SRF die Aufnahme weitergeleitet.
Die Firma PMEDA ging 2023 in Liquidation. Zuvor hatte der Bund beschlossen, die Zusammenarbeit aufzukündigen. Neben der Invalidenversicherung (IV) waren, wie in dem nun verhandelten Fall, auch private Versicherungen Auftraggeber der Firma.
Die Staatsanwaltschaft warf den beiden Ärzten vor, in der Begutachtung Falschaussagen gemacht zu haben. Der beschuldigte Gutachter wiederum sprach am Gericht von «möglichen Ungenauigkeiten».
Verfahren gegen Kläger eingestellt
Der Staatsanwalt sprach sich für eine Verurteilung aus, obwohl er das Verfahren ursprünglich einstellen wollte. Auf Anweisung des Zürcher Obergerichts musste er die Ärzte anklagen.
Dennoch zeigte er sich überzeugt: «Der Sachverhalt ist gleich mehrfach bewiesen». Von der Befragung gebe es die Aufzeichnung und die Aussagen des Klägers. Diese zeigten, dass die Befragung viel kürzer gewesen sei und Aussagen des Klägers im Gutachten falsch wiedergegeben worden seien.
Die heimliche Aufnahme brockte dem Privatkläger ein eigenes Verfahren wegen unzulässiger Aufzeichnung eines Gesprächs ein. Dieses wurde jedoch mittlerweile wegen Verjährung eingestellt,
Der Staatsanwalt forderte Freiheitsstrafen von drei beziehungsweise zwei Jahren. Der Chef des Gutachters habe den «Pfusch» des Mitarbeiters unterzeichnet, obwohl er fachfremd gewesen sei. «Gutachter dürfen nie und nimmer so arbeiten. Solche Gutachten wollen wir nicht», sagte der Staatsanwalt. Das Verhalten erschüttere das Vertrauen der Gesellschaft.
«Aufnahme rechtswidrig erlangt»
Der Verteidiger des 52-Jährigen forderte einen Freispruch. Der Kläger habe erst fünf Jahre nach der Befragung Strafanzeige eingereicht. Die heimliche Aufnahme bezeichnete der Verteidiger als nicht verwertbar. Diese sei rechtswidrig erlangt worden und könnte unvollständig sein, hielt er fest. «Ein strafbares Verhalten kann meinem Klienten auch mit der Aufnahme nicht nachgewiesen werden», sagte er.
Der Verteidiger des Chefs der Firma meinte, was seinem Klienten vorgeworfen werde, sei nicht strafbar. Sein Mandant habe das fragliche Gutachten nicht materiell geprüft, sondern nur formal.
Dass der Bund später die Zusammenarbeit mit der Firma PMEDA beendete, habe nichts mit dem beanstandeten Gutachten zu tun, war von den Anwälten zu hören. Die Forderungen der Staatsanwaltschaft, neben Freiheitsstrafen Tätigkeitsverbote und Landesverweisungen, wies der Anwalt des Gutachters als «absurd und unverhältnismässig» zurück.
«Lücke im System ausgenützt»
Der Anwalt des Privatklägers sagte hingegen, die Firma habe bewusst Versicherungen und Patienten getäuscht. Sie habe eine Lücke im System ausgenützt und die Rahmenbedingungen für falsche Gutachten geschaffen.
Der beschuldigte Gutachter betonte in seinem Schlusswort, er sei überzeugt, dass «das Gutachten sämtlichen Anforderungen genügte». (sda)


