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Zürich

Naturschutz-Präsident wohnt am See und seine Familie verbaut den See

Uferweg-Gegner wohnt am See, ist Naturschutz-Präsident – und seine Familie verbaut den See

Im März stimmt der Kanton Zürich über den Uferweg am Zürichsee ab. Im Gegner-Komitee sitzt Thomas Isler, der selbst am See wohnt und die Landschaft schützen will, während seine Familie am See baut. Das sorgt für Unmut.
06.02.2024, 05:0009.02.2024, 17:38
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«Raus aus meinem Garten» lautet der Slogan der Uferweg-Gegner. Auf ihrer Website haben sie ein Werbevideo mit einer klaren Message veröffentlicht: Eine fröhliche, am Zürichsee wohnende Familie wird beim Picknick in ihrem Garten von Badegästen gestört, die über ihr Grundstück rennen, um an den See zu kommen – und dabei allerlei Abfall liegen lassen.

Nun, die Gegner der Uferinitiative wissen, wovon sie sprechen. Schliesslich sitzt im Komitee von «Nein zur schädlichen Uferinitiative» ein Mann, der selbst ein Grundstück direkt am Zürichsee bewohnt: Thomas Isler aus Rüschlikon. Als Präsident des Vereins Zürichsee Landschaftsschutz fungiert er als Stimme der Naturschützer, die den Uferweg verhindern wollen.

«Raus aus meinem Garten» – Video der Uferweg-Gegner

Video: youtube/Uferinistiative Nein

Was viele aber nicht wissen: Islers Familie baut derzeit am Zürichsee. Direkt neben seinem Anwesen gab es lange Zeit eine Wiese, die mittlerweile einer Grossbaustelle weichen musste.

«Unglaubwürdig»

watson hat Thomas Isler zu seiner Doppelrolle befragt. Er schreibt per E-Mail: «Die Baustelle gehört nicht uns.» Isler erwähnt jedoch nicht, dass die Baubewilligung der Gemeinde auf einen seiner Söhne ausgestellt ist (das Dokument liegt watson vor). Gebaut wird laut der Baubewilligung ein «Einfamilien- und Zweifamilienhaus mit Unterniveaugarage».

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Vorher/Nachher: So steht es um das betroffene Grundstück am See.zvg

Über diese Baustelle stört sich Julia Gerber Rüegg, die Initiantin der Uferinitiative und Befürworterin eines durchgehenden Uferwegs am Zürichsee. Sie sagt zu watson: «Die Baustelle ist rechtlich einwandfrei, aber mich stört die Doppelmoral von Herrn Isler und seiner Familie, die Landschaft schützen zu wollen und sie gleichzeitig so dicht wie nur möglich zu verbauen. Das macht ihn als Präsidenten des Zürichsee Landschaftsschutzes unglaubwürdig.»

Es sei für sie eine «Enttäuschung, dass durch die Baustelle eines der wenigen freien Grundstücke am See in Rüschlikon nun auch noch zubetoniert» werde. Hervorheben möchte Gerber Rüegg jedoch, dass der Verein Zürichsee Landschaftsschutz einiges für den Landschaftsschutz leiste, in erste Linie aber am oberen noch unverbauten Zürichsee und weniger da, wo die privaten Villen am See liegen.

Uneinigkeit über Littering-Problem

Auch Thomas Isler, der früher als Gemeindepräsident von Rüschlikon amtete, erwähnt vergangene Erfolge des Vereins. Wie der Verein etwa den Bau einer «grossen Fabrik im Raum des Frauwinkels im Kanton Schwyz verhinderte». Mittlerweile fokussiere man sich jedoch darauf, wie Menschen, die am Seeufer wohnen, «ihre Grundstücke biologisch aufwerten und naturnäher gestalten können». Isler schreibt: «Der Verein versteht sich nicht als Verhinderungs- und Blockierungsorganisation. Das erscheint uns angesichts des enormen Siedlungs- und Nutzungsdrucks und der insgesamt doch recht klaren rechtlichen Rahmenbedingungen nicht sinnvoll.»

Verhindern wollen Isler und sein Verein jedoch den durchgehenden Uferweg, der im März zur Abstimmung kommt. «Die langjährige Erfahrung zeigt, dass öffentlich genutzte Seeufer durch Emissionen wie Lärm und Abfall, Badende und Hunde in ihrer biologischen Wertigkeit für Fauna und Flora erheblich beeinträchtigt werden.»

Laut Isler, dessen Familie «seit über hundert Jahren» am See wohnt, würden die Grundstückseigentümer sorgfältig mit der Natur am See umgehen: «Ich investiere viel Zeit und Geld in die Bewahrung einer intakten Uferlandschaft. Dieses Engagement kann man von Eigentümern von Seeuferliegenschaften auch erwarten. Man steht teilweise rechtlich, aber auch moralisch in der Pflicht.»

Von diesen Argumenten nicht überzeugt ist Julia Gerber Rüegg. Sie sagt: «Littering ist kein Problem des Seeuferwegs, sondern ein Problem der Konsumgesellschaft. Wer mit Littering argumentiert, der müsste der ganzen Stadt Zürich sagen, dass sie ihre Seeufer zumachen müssen. Littering-Probleme löst man nicht, indem man öffentliche Plätze schliesst.»

Julia Gerber-Rüegg
Initiantin der Uferinitiative: Julia Gerber Rüegg.Bild: zvg

Zur Verantwortung und Pflege der Grundstückeigentümer gegenüber der Uferlandschaft sagt Gerber Rüegg: «Ich bin sicher, dass es Menschen gibt, die wie Herr Isler gut zur Natur schauen. Aber erstens gibt es unzählige Villen am See mit englischen Rasen und chemiegefüllten Pools direkt im Gewässerraum, welche das Ufer und die Biodiversität nicht aufwerten. Und Naturschutz endet nicht an der Parzellengrenze. Der See ist öffentlich und die Ufer gehören dazu, weshalb es nur richtig ist, wenn sich die öffentliche Hand darum kümmert.» Es gehe bei der Uferinitiative schliesslich auch um eine ganzheitliche Renaturierung und Pflege des Ufers am Zürichsee.

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221 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Leuchtfeuer
06.02.2024 05:43registriert August 2018
Die kampangne der gegner, zeigt ganz klar was die villen besitzer vom rest der bürger hält. Wirkönnten zur alternative aus dem seeufer ein naturschutz gebiet machen. So wären bestimmt beide seiten zufrieden.
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Schüüül
06.02.2024 06:08registriert November 2023
Irgendwie bestätigt das mein Verdacht. Egal ob beim Uferschutz, Fliegen, Solaranlagen oder Windkraftwerken. Die meisten wollen Umweltschutz, aber wehe in meinem Umfeld und Sichtweite, dann schreitet der oder die Schweizerin zur Tat....
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chrimark
06.02.2024 06:31registriert November 2016
Bitte hört auf Landschaftschützer als Umweltschützer zu bezeichnen, das sind zwei unterschiedliche paar Schuhe. Den ersteren geht es vor allem um konservative ästhetische Aspekte und nicht um intakte Natur. Daher kommt eben auch der überdüngte Tennisrasen am Seeufer vor Uferweg und natürlichem Schilfbewuchs. Oder man bekämpft aus der ferne sichtbare Windräder im Wald ohne sich an dessen Übernutzung zu stören.
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