«Raus aus meinem Garten» lautet der Slogan der Uferweg-Gegner. Auf ihrer Website haben sie ein Werbevideo mit einer klaren Message veröffentlicht: Eine fröhliche, am Zürichsee wohnende Familie wird beim Picknick in ihrem Garten von Badegästen gestört, die über ihr Grundstück rennen, um an den See zu kommen – und dabei allerlei Abfall liegen lassen.
Nun, die Gegner der Uferinitiative wissen, wovon sie sprechen. Schliesslich sitzt im Komitee von «Nein zur schädlichen Uferinitiative» ein Mann, der selbst ein Grundstück direkt am Zürichsee bewohnt: Thomas Isler aus Rüschlikon. Als Präsident des Vereins Zürichsee Landschaftsschutz fungiert er als Stimme der Naturschützer, die den Uferweg verhindern wollen.
Was viele aber nicht wissen: Islers Familie baut derzeit am Zürichsee. Direkt neben seinem Anwesen gab es lange Zeit eine Wiese, die mittlerweile einer Grossbaustelle weichen musste.
watson hat Thomas Isler zu seiner Doppelrolle befragt. Er schreibt per E-Mail: «Die Baustelle gehört nicht uns.» Isler erwähnt jedoch nicht, dass die Baubewilligung der Gemeinde auf einen seiner Söhne ausgestellt ist (das Dokument liegt watson vor). Gebaut wird laut der Baubewilligung ein «Einfamilien- und Zweifamilienhaus mit Unterniveaugarage».
Über diese Baustelle stört sich Julia Gerber Rüegg, die Initiantin der Uferinitiative und Befürworterin eines durchgehenden Uferwegs am Zürichsee. Sie sagt zu watson: «Die Baustelle ist rechtlich einwandfrei, aber mich stört die Doppelmoral von Herrn Isler und seiner Familie, die Landschaft schützen zu wollen und sie gleichzeitig so dicht wie nur möglich zu verbauen. Das macht ihn als Präsidenten des Zürichsee Landschaftsschutzes unglaubwürdig.»
Es sei für sie eine «Enttäuschung, dass durch die Baustelle eines der wenigen freien Grundstücke am See in Rüschlikon nun auch noch zubetoniert» werde. Hervorheben möchte Gerber Rüegg jedoch, dass der Verein Zürichsee Landschaftsschutz einiges für den Landschaftsschutz leiste, in erste Linie aber am oberen noch unverbauten Zürichsee und weniger da, wo die privaten Villen am See liegen.
Auch Thomas Isler, der früher als Gemeindepräsident von Rüschlikon amtete, erwähnt vergangene Erfolge des Vereins. Wie der Verein etwa den Bau einer «grossen Fabrik im Raum des Frauwinkels im Kanton Schwyz verhinderte». Mittlerweile fokussiere man sich jedoch darauf, wie Menschen, die am Seeufer wohnen, «ihre Grundstücke biologisch aufwerten und naturnäher gestalten können». Isler schreibt: «Der Verein versteht sich nicht als Verhinderungs- und Blockierungsorganisation. Das erscheint uns angesichts des enormen Siedlungs- und Nutzungsdrucks und der insgesamt doch recht klaren rechtlichen Rahmenbedingungen nicht sinnvoll.»
Verhindern wollen Isler und sein Verein jedoch den durchgehenden Uferweg, der im März zur Abstimmung kommt. «Die langjährige Erfahrung zeigt, dass öffentlich genutzte Seeufer durch Emissionen wie Lärm und Abfall, Badende und Hunde in ihrer biologischen Wertigkeit für Fauna und Flora erheblich beeinträchtigt werden.»
Laut Isler, dessen Familie «seit über hundert Jahren» am See wohnt, würden die Grundstückseigentümer sorgfältig mit der Natur am See umgehen: «Ich investiere viel Zeit und Geld in die Bewahrung einer intakten Uferlandschaft. Dieses Engagement kann man von Eigentümern von Seeuferliegenschaften auch erwarten. Man steht teilweise rechtlich, aber auch moralisch in der Pflicht.»
Von diesen Argumenten nicht überzeugt ist Julia Gerber Rüegg. Sie sagt: «Littering ist kein Problem des Seeuferwegs, sondern ein Problem der Konsumgesellschaft. Wer mit Littering argumentiert, der müsste der ganzen Stadt Zürich sagen, dass sie ihre Seeufer zumachen müssen. Littering-Probleme löst man nicht, indem man öffentliche Plätze schliesst.»
Zur Verantwortung und Pflege der Grundstückeigentümer gegenüber der Uferlandschaft sagt Gerber Rüegg: «Ich bin sicher, dass es Menschen gibt, die wie Herr Isler gut zur Natur schauen. Aber erstens gibt es unzählige Villen am See mit englischen Rasen und chemiegefüllten Pools direkt im Gewässerraum, welche das Ufer und die Biodiversität nicht aufwerten. Und Naturschutz endet nicht an der Parzellengrenze. Der See ist öffentlich und die Ufer gehören dazu, weshalb es nur richtig ist, wenn sich die öffentliche Hand darum kümmert.» Es gehe bei der Uferinitiative schliesslich auch um eine ganzheitliche Renaturierung und Pflege des Ufers am Zürichsee.