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Zürich

Uferweg am Zürichsee: Fast ein Drittel der Villen «mehrheitlich leer»

Reportage Seeuferweg-Initiative
Im Fokus: Ein Grundstück am Zürichsee, welches vom geplanten Seeuferweg betroffen wäre. Bild: watson/kilian marti

Gärtner packen aus – so viele Villen am Zürichsee sind unbewohnt

Für den geplanten, durchgehenden Uferweg am Zürichsee müssten diverse Grundstücksbesitzer enteignet werden – viele leben aber gar nicht dort.
10.01.2024, 06:40
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Es wird eine der emotionalsten Abstimmungen im Kanton Zürich in diesem Jahr. Spricht sich die Bevölkerung im März für einen durchgehenden Uferweg am Zürichsee aus, müsste auf ein unbeliebtes, politisches Werkzeug zurückgegriffen werden: die Enteignung von Privateigentum.

watson hat in einer früheren Story mit Grundstückseigentümern gesprochen, die gegen das Vorhaben sind. Der geplante Seeuferweg würde teilweise direkt über ihre Grundstücke führen. Sie argumentierten dagegen mit dem Recht auf Eigentum, dem Umweltschutz und ihrer Privatsphäre.

Doch wie viele Grundstückseigentümer tatsächlich in ihrer Privatsphäre verletzt würden, hinterfragten einige watson User. Mehrere kommentierten, dass viele der Luxusvillen am Zürichsee leer stehen und lediglich als Wertanlage dienen würden. Jemand kommentierte: «Nur mal so am Rande: 6 von 10 Grundstücken sind nicht bewohnt. Das weiss ich, weil ich da als Gärtner arbeite.»

watson wollte es genauer wissen und hat eine anonyme Umfrage bei über 80 Unternehmen rund um den Zürichsee getätigt, die im Bereich Gartenbau und Gartenpflege tätig sind. Die Ergebnisse überraschen.

So viele Villen sind unbewohnt

Auf eine Anfrage und eine Erinnerungsmail antworteten von den 80 berücksichtigten Gartenbau-Unternehmen insgesamt zehn. Diese bewirtschaften zusammen 30 Grundstücke mit direktem Anstoss an den Zürichsee. Durchschnittlich sind von diesen Grundstücken etwas über 20 Prozent mehrheitlich pro Jahr unbewohnt oder ganz unbewohnt. Die Anwesen haben es in sich: Sie sind zwischen 300 und 10’000 Quadratmeter gross.

Ein Unternehmer, der geantwortet hat und selbst drei bewohnte Liegenschaften mit direktem Seeanstoss bewirtschaftet, ist Urs Aeberli aus Uetikon am See. Seit vier Jahren ist er selbstständig und hat aktuell zwei Mitarbeitende. Früher arbeitete er bei mehreren grösseren Gartenbau-Unternehmen. «Von meinen Tätigkeiten her weiss ich, dass etwa 30 Prozent der Grundstücke direkt am Zürichsee mehrheitlich pro Jahr leer stehen», sagt er gegenüber watson.

Urs Aeberli
«30 Prozent der Grundstücke stehen mehrheitlich leer»: Gartenbau-Unternehmer Urs Aeberli. Bild: zVg

Seiner Meinung nach wäre es für Tier und Umwelt bereichernd, wenn das Seeufer wieder stärker von der öffentlichen Hand bewirtschaftet würde, als von privaten Eigentümern. «Viele Grundstücksbesitzer am Zürichsee haben einen englischen Rasen. Das ist totes Land, wovon kein Lebewesen profitiert. Sumpfbereiche, die den Tieren zugutekämen, sind bei Privaten nicht beliebt», sagt er.

Doch trotz dieses Umstandes ist er gegen den geplanten, durchgehenden Seeuferweg. «Ich glaube, dass es nach all den Jahren zu spät ist, nun in das Recht auf Eigentum eingreifen.» Gleich wie Aeberli sehen das die Hälfte der Gartenbau-Unternehmer, welche auf die Anfrage von watson geantwortet haben.

Leere Villen als Businessmodell

Unbewohnte Grundstücke am Zürichsee sind auch ein Business, wie das Beispiel von Peter Zombori zeigt. Er verkauft mit seiner Firma Premiumswitzerland Ferien in Schweizer Luxusvillen, welche er von den Eigentümern mietet. Direkt mit Seeanstoss am Zürichsee hat er drei Villen in seinem Portfolio, wie er zu watson sagt. «Zwei dieser Grundstücke gehören der gleichen Eigentümerschaft. Diese sind mehrheitlich im Jahr abwesend, weil sie Häuser auf der ganzen Welt haben», sagt Zombori.

Villa Lakeshore am Zürichsee
Eines der Anwesen in Zomboris Portfolio: Villa Lakeshore am Zürichsee.Bild: screenshot premiumswitzerland.com

Warum eine Person gleich mehrere Grundstücke direkt am Zürichsee besitzt, erklärt ein Blick auf die Bodenpreise. Laut den Zahlen des Kantons Zürich kostet der Quadratmeter Bauland nirgendwo so viel, wie am Zürichsee. So betrug 2022 der Modellpreis pro Quadratmeter in Meilen 2092 Franken. Im Vergleich: Durchschnittlich über alle Gemeinden im Kanton kostet der Quadratmeter 1175 Franken. «Die Zahlungsbereitschaft für Grundstücke in Zürichseenähe ist hoch», schreibt dazu der Kanton.

Lesehinweis: 2019 kostete in der Stadt Zürich der geschätzte Modellpreis pro Quadratmeter noch 2919 Franken, 2022 waren es bereits 3104 Franken.

Wie stark ein Grundstück am Zürichsee als Wertanlage dient, weiss Donato Scognamiglio. Er ist Professor an der Universität Bern, Zürcher EVP-Kantonsrat sowie Geschäftsführer des Beratungsunternehmens IAZI für Immobilien und Standortfragen.

«Haupttreiber für Immobilienpreise sind Zentrumsnähe, tiefe Steuern und der See. Speziell das linke Zürichseeufer erfüllt alle diese Kriterien, weshalb das Bauland dort super exklusiv ist», sagt er zu watson. Solch ein Grundstück sei langfristig «eine Wertanlage, die rentiert».

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Sie sind vermögend, wohnen am Zürichsee und wollen keinen Uferweg auf ihrem Grundstück
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178 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pontifax
10.01.2024 07:00registriert Mai 2021
Vielleicht sollte man erst einmal das Gesetz dahingehend Ändern, dass Liegenschaftseigentümer ihre Liegenschaft als Wohnsitz nutzen müssen und dass man bei Zweit- oder Ferien-Wohnsitzen die Steuern um den Faktor 10 erhöht. So würde mit einem Schlag - auch ohne Neubauten - gleichzeitig Wohnraum frei.
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Knut Knallmann
10.01.2024 05:31registriert Oktober 2015
So schön die Idee eines durchgehenden Uferwegs auch ist, denke ich nicht, dass dessen Umsetzung einfach, schnell und realistisch und günstig (Stichwort Wertverlust der Eigentümer) ist. Vor meinem geistigen Auge sehe ich jahrelange Rechtsstreitigkeiten und die Hauptgewinner werden die Anwälte sein. Es stellt sich die Frage, ob der ganze Aufwand und die beschränkten Geldmittel der öffentlichen Hand andernorts nicht sinnvoller investiert wären.
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ELMatador
10.01.2024 06:27registriert Februar 2020
Ich weiss nicht wie gut die Beratung von Sconamiglia ist. Ist nicht er der, der eine drittel Million Eigenkapital für einen NR Sitz ausgegeben hat und nicht gewählt wurde.

Scherz beiseite. Die Preise sind was sie sind. Ich finde Enteignung per se kritisch. Was ich begrüssen würde wär eine Gesetzespassage, die verlangt, dass bei der nächsten Handübergabe ein Streifen Seeanstoss an die Öffentlichkeit zurückgegeben muss.

Zudem ist mir persönlich zu wieder wie viel mit Boden Spekuliert wird und wie viele Wohnungen und Villen 80% der Zeit leer sind. Leerstand muss besteuert werden.
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