Die aus Feldbrunnen stammende Unihockeyspielerin zieht nach dem Gewinn der Silbermedaille an der Heim-Weltmeisterschaft Bilanz. Sie spricht über die Enttäuschung über den verlorenen Final, ihr erstes WM-Tor und die beeindruckende Kulisse in Neuenburg.
Die Schweiz hat im Final nur knapp gegen Schweden verloren. Ist dies ein Trost oder verstärkt das die Enttäuschung zusätzlich?
Mirjam Hintermann: Es ist sicherlich nie einfach, in so einem entscheidenden Spiel knapp zu verlieren. Aber auf der anderen Seite ist es auch schön, dass wir mithalten konnten. Dass die Schwedinnen schlagbar gewesen wären, ärgert einem natürlich, weil man haarscharf am Weltmeistertitel vorbeigeschrammt ist. Es ist sicher bitter, ist es so herausgekommen, aber für uns hätte der Traum auch schon am Samstag platzen können. So relativiert sich das Ganze wieder.
Ist euch der Kräfteverschleiss in diesem Halbfinal letztlich zum Verhängnis geworden? Oder hat euch die Aufholjagd gegen Tschechien einen Push verschafft?
Es war sicherlich kein einfaches Spiel, eine emotionale Achterbahnfahrt, die mental viel Energie geraubt hat. Aber ich glaube davon hat man am Sonntag nicht mehr viel gemerkt. Da ist das Team professionell genug. Wir haben das mit dem Staff relativ schnell abgehakt, waren am Samstag auch nicht feiern. Wir mussten unsere Emotionen relativ schnell wieder im Griff haben.
🇸🇪 are the champions! 🤩🤩🤩
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#11 Johanna Hultgren scores the golden goal in overtime and the celebration may begin! 👏🏻 #floorball #WFCNeuchatel #Floorballized pic.twitter.com/J0TZvjIDww
Grosse Teile dieser aufreibenden Spiele haben Sie nur von der Bank aus erlebt, konnten das Spielgeschehen nicht immer aktiv beeinflussen. Wie war das für Sie?
Es war auch auf der Bank sehr emotional, wir hatten eine super Stimmung, waren sehr unterstützend. Wir haben einander immer angefeuert, alle haben sich gegenseitig gepusht. Du kannst es dir nicht erlauben, auf der Bank auch nur eine Sekunde abzuschalten. Ich habe auch nicht einmal erlebt, dass negative Emotionen verbreitet wurden. Das war extrem wichtig für den Teamspirit. Klar willst du als Spielerin immer spielen, aber ich wusste, wie meine Aufgabe aussehen wird.
Wie zufrieden sind Sie der Mannschaftsleistung, aber auch mit Ihrem eigenen Auftreten?
Ich bin sehr zufrieden mit unserer Teamleistung und unglaublich stolz auf dieses Team. Das Halbfinalspiel war sicherlich nicht optimal, das haben wir uns alle anders vorgestellt. Dass wir am Schluss trotzdem noch so aufdrehen konnte, grenzt an ein Wunder. Mit meiner persönliche Leistung bin ich ebenfalls zufrieden. Ich kannte meine Aufgabe, das hilft mental natürlich viel. So konnte ich mich optimal vorbereiten und auf dem Feld die erwartete Leistung abrufen.
WAHNSINN!!! 18:16 zeigt die Matchuhr im Schlussdrittel – und noch liegen die Schweizerinnen mit 2:6 zurück. Wenige Minuten später steht der WM-Finaleinzug der #Unihockey-Nati fest! #floorball #WFCNeuchatel pic.twitter.com/GSGEL1d1Rh
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Sie haben im ersten Gruppenspiel gegen Deutschland Ihr erstes Tor erzielt. Was ist Ihnen dabei durch den Kopf gegangen und wie fühlt sich das mittlerweile an?
Es fühlt sich noch immer super an. Als Nationalspielerin ist das etwa vom Schönsten. Mit dem Schweizer Kreuz auf der Brust ein Tor zu erzielen, ist einmalig. In diesen Momenten belohnst du dich für alles, was du in diesen Sport investiert hast. Das war für mich ein extrem schöner und emotionaler Moment. Das ganze Team drehte in diesem Augenblick ebenfalls kurz durch und freute sich mit mir.
Vor dem Turnier wurde oft über den Heimvorteil geredet. Gab es den tatsächlich?
Die Fans waren unglaublich. Als Spielerin in dieser Sportart hat man nicht an jedem Tag so viele Zuschauer. Manchmal hat es sich angefühlt, als hätte eine Spielerin mehr auf dem Feld gestanden. Sie haben uns getragen. Es war jedes Mal ein Hühnerhautmoment, als wir in die Halle eingelaufen sind, die Hymne erklungen ist und alle mitgesungen haben. Das kann man sich kaum vorstellen. Besonders in den wichtigen Momenten haben sie uns extra angefeuert. Ich glaube schon, dass wir diesen Vorteil nutzen konnten.
Wie haben Sie die WM allgemein erlebt und was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Die Organisation war extrem gut. Sie haben eine gute Arena aufgebaut. Respekt und riesiges Dankeschön an alle, die mitgearbeitet haben! Der Event war gelungen, es wurde viel Werbung gemacht, viel auf Social Media gepostet. Die WM hat der Unihockey-Schweiz extrem gut getan, geholfen, die Sportart voranzubringen und Werbung in eigener Sache zu machen.
Wie schwer fällt es Ihnen, nach all diesem Trubel in den Alltag zurückzukehren?
Was wir in den letzten drei Wochen erreicht haben, ist nur mit positiven Emotionen verbunden. Diese werde ich mitnehmen. Es ist total komisch, jetzt zurück im Alltag zu sein und ich glaube, ich brauche noch eine Weile, um die Emotionen und das Erlebte verarbeiten zu können. Vom Profisportlerleben wieder zur Normalität zurückzukehren, ist sicherlich nicht einfach.
Was nehmen Sie aus dieser Heim-WM mit?
Im Moment wirklich die Emotionen, das erlebt man nur im Sport. Solche Geschichten kann nichts anders auf der Welt schreiben. Was wir in diesem Team erlebt haben, ist mega schön. In diesen drei Wochen ging dir keine einzige auf die Nerven. Bis am Schluss hat es funktioniert und alles zusammengepasst. Ich glaube so etwas vergisst man als Sportlerin nie. Wenn wir in zehn Jahren als Gruppe wieder einmal zusammenkommen, werden diese Emotionen und Erinnerungen noch voll präsent sein.