Auf einmal passte alles. Nachdem die Süditaliener in den zehn Jahren zuvor viermal Zweiter wurden, holten sie doch noch den ersten Meistertitel seit 1990 und den dritten insgesamt. Dabei stellte die SSC Napoli sowohl die beste Offensive als auch die beste Defensive der Liga. Nun ist Abwehrchef Kim Min-jae aber weg, wirklich ersetzt wurde der Neu-Bayer nicht. Dafür konnten die restlichen Leistungsträger trotz Interesse mehrerer Topklubs gehalten werden.
Victor Osimhen und Chwitscha Kwarazchelia gehen weiterhin für die Neapolitaner auf Torejagd und werden mit Vorlagen von Frank Anguissa oder Piotr Zielinski gefüttert. Nun soll das Mittelfeld auch noch durch den hochtalentierten Gabri Veiga von Celta Vigo verstärkt werden. Das Kader bleibt damit das wertvollste der Serie A.
An der Seitenlinie musste Napoli aber einen herben Verlust einstecken. Meistertrainer Luciano Spalletti erklärte seinen vorzeitigen Rücktritt, er wurde durch den Franzosen Rudi Garcia ersetzt. Der 59-Jährige trainierte zuletzt unter anderem Cristiano Ronaldo bei Al-Nassr, wurde im April jedoch entlassen. Bei seiner letzten Station in Italien führte er die AS Roma ab 2013 zweimal in Folge auf den zweiten Platz, bevor er im Januar 2016 abgelöst wurde – von seinem jetzigen Vorgänger Spalletti. Kann Garcia dessen Arbeit ansatzweise so gut fortführen, ist der Titelverteidiger erneut ein heisser Kandidat auf den Scudetto.
Als Favorit geht aber nicht Napoli, sondern Inter Mailand in die Saison. Dies, obwohl die «Nerazzurri» in Romelu Lukaku sowie Edin Dzeko den zweit- und drittbesten Torschützen verloren haben und auch auf den bisherigen Abwehrchef Milan Skriniar sowie die Mittelfeldspieler Marcelo Brozovic und Robin Gosens verzichten müssen. Denn das Team von Simone Inzaghi konnte sich gut verstärken.
Im Sturm wird Marcus Thuram den Toptorschützen Lautaro Martinez ergänzen, Routinier Juan Cuadrado sowie der 21-jährige Kristjan Asllani kommen fürs Mittelfeld und der Schweizer Nati-Goalie Yann Sommer ersetzt den zu Manchester United gewechselten André Onana.
Doch auch wegen der Neuzugänge ist Inter Mailand mit einem Durchschnittsalter von 27,0 Jahren das älteste Team der Liga. Und wie gut kann Skriniars Abgang aufgefangen werden? Für die Defensive wurde nur Yann Bisseck von Aarhus geholt. Schon im letzten Jahr hatte der Champions-League-Finalist im Vergleich zu anderen Topteams eine eher schwache Verteidigung. Nun wird es auch an Sommer sein, dies zu ändern.
Auch beim Mailänder Stadtrivalen hat sich im Sommer einiges getan. Alles begann mit der Schockwelle, die durch die Entlassungen von Paolo Maldini als Technischer Direktor und von Sportdirektor Ricky Massara ausgelöst wurde. Dann ging auch noch Sandro Tonali (Newcastle) und die Leihe von Real Madrids Brahim Diaz lief aus. Dadurch wurde eine grosse Lücke in Milans Mittelfeld gerissen.
Diese sollen nun Ruben Loftus-Cheek sowie Yunus Musah füllen, während die Flügelspieler Samuel Chukwueze und Christian Pulisic die schon im letzten Jahr gute Offensive um Superstar Rafael Leão weiter stärken sollen. Dieselbe Aufgabe wird auch Noah Okafor zukommen. Der 23-jährige Basler kommt aus Salzburg und soll unter anderem den 36-jährigen Olivier Giroud im Sturm entlasten. Dank seiner Flexibilität kann Okafor zudem auch auf dem Flügel eingesetzt werden.
Trainiert werden die «Rossoneri» nach wie vor von Stefano Pioli, der in dieser Saison ein verstärktes Augenmerk auf die Defensive legen sollte. Im letzten Jahr kassierten sechs Teams weniger Gegentore als Milan mit 43. Als Vierter qualifizierte sich der Halbfinalist der letzten Saison dennoch erneut für die Champions League, was auch in diesem Jahr der Fall sein sollte. Neben Inter ist die AC einer der grössten Herausforderer von Titelverteidiger Napoli.
Nach drei Jahren ohne Meisterschaft will der Rekordmeister wieder an die Spitze zurück. Der Ausschluss aus dem Europacup ist zwar ein schwerer Schlag für Juventus, könnte sich indes als ein Vorteil erweisen: So können sich die Turiner komplett auf die Serie A konzentrieren. Das Kader hat sich kaum verändert, einzig Angel Di Maria wurde durch den deutlich jüngeren Timothy Weah ersetzt.
Doch so stellt sich die Frage, wie die harmlose Offensive besser werden soll. Kann Dusan Vlahovic seine verhältnismässig schwache Saison vergessen machen? Oder schlagen Arkadiusz Milik und Moise Kean mit etwas Verspätung doch noch ein? Stellen die «Bianconeri» mit 56 Toren erneut nur die sechstbeste Offensive, wird es schwierig, die Titelflaute zu beenden. Zumal Trainer Massimiliano Allegri schon länger in der Kritik steht. Eigentlich weiss der sechsfache Meistertrainer aber, wie man in Italien erfolgreich sein kann.
Während der enge Favoritenkreis aus den vier letzten Meistern besteht, ist auch ein fünfter Titelträger in fünf Jahren nicht auszuschliessen. Denn ohne Schwächen sind weder Napoli noch Juventus oder die Mailänder Klubs. So könnte José Mourinho in der italienischen Hauptstadt weiter an seiner Statue bauen. Gewinnt er nach der Conference League auch noch den ersten Meistertitel seit 2001, ist dem «Special One» eine solche sicher.
Um das zu erreichen, bastelte die Roma kräftig am Kader. Zwar gingen Defensiv-Dauerbrenner Roger Ibañez und Mittelfeldspieler Nemanja Matic, doch wurden diese durch Evan Ndicka und Leandro Paredes sehr gut ersetzt. Dazu kommen in Houssem Aouar und Renato Sanches zwei weitere talentierte Mittelfeldspieler. Leistungsträger wie Leonardo Spinazzola, Chris Smalling und vor allem Offensivstar Paulo Dybala konnten zudem gehalten werden.
Da Stürmer Tammy Abraham lange fehlen wird, liegt gerade auf dem Argentinier erneut grosse Verantwortung, denn damit es in der Tabelle weiter nach vorne geht als auf den 6. Platz, müssen die Römer wohl mehr Tore schiessen als 50. Dafür soll auch noch Duvan Zapata aus Bergamo kommen. Die Defensive wird wie traditionell unter Mourinho wohl erneut zu den stabilsten der Liga gehören, sodass mindestens ein Champions-League-Platz im Bereich des Möglichen liegt.
Einer der Konkurrenten im Kampf um die europäischen Plätze wird auch Stadtrivale Lazio sein. Die Himmelblauen aus der Hauptstadt wurden letztes Jahr sehr überraschend Zweiter und belohnten sich nach zwei Jahren Pause mit einer Champions-League-Teilnahme. Dass Lazio Rom in der Tabelle erneut so weit vorne zu finden sein wird, scheint unwahrscheinlich. Mit Sergej Milinkovic-Savic hat der wichtigste Spieler den Klub in Richtung Saudi-Arabien verlassen und Ciro Immobile (33) wird nicht jünger.
Ausschliessen darf man einen Exploit von Lazio aber nicht. Schliesslich stellte das Team von Maurizio Sarri die zweitbeste Defensive und punktete auch mit der zweitbesten Tordifferenz hinter Napoli. Doch damit der Hauptstadtklub erneut die Champions-League-Qualifikation schafft, müssen die Neuzugänge Taty Castellanos im Sturm und Daichi Kamada im Offensiven Mittelfeld von Beginn an einschlagen.
Die Bergamasken hatten in der letzten Saison die drittbeste Offensive, waren defensiv aber sehr anfällig. So reichte es nur zum fünften Platz, was dennoch als Erfolg gewertet werden darf. Erst recht, nachdem in der Vorsaison mit Platz 8 das europäische Geschäft verpasst wurde.
Nun ist Toptorschütze Rasmus Höjlund zwar ein «Red Devil» in Manchester, doch dafür wurde in El Bilal Touré gleich der nächste vielversprechende Stürmer verpflichtet. Gemeinsam mit Gianluca Scamacca soll er die Offensive anführen. Defensiv wird darauf gesetzt, dass der 19-jährige Giorgio Scalvini den nächsten Schritt macht und Linksverteidiger Mitchel Bakker den Abgang von Joakim Maehle auffangen kann. Das Team von Gian Piero Gasparini hat gute Chancen, sich zumindest erneut für den Europacup zu qualifizieren.
Beim FC Bologna spielen mit Dan Ndoye und Michel Aebischer neu zwei Schweizer. Im letzten Jahr platzierte sich der Klub aus der Emilia Romagna auf Platz 9. Dies ist auch in dieser Saison möglich, wird aber kein leichtes Unterfangen. Unter anderem der FC Turin mit Ricardo Rodriguez, der nur einen Punkt hinter Bologna auf dem 10. Platz landete, wird darum konkurrieren.
Für die restlichen drei der insgesamt acht Schweizer in der Serie A dürfte es primär darum gehen, den Abstieg zu verhindern. Kevin Rüegg konnte diesen mit Hellas Verona dank eines Siegs im Zusatzspiel gegen das punktgleiche La Spezia gerade noch verhindern, nun wird es nicht einfacher. Nicolas Haas mit Empoli sowie Silvan Hefti mit Aufsteiger Genoa werden sich wohl ebenfalls lange im Abstiegskampf befinden.