Louis van Gaal, Andries Jonker, Jupp Heynckes, Pep Guardiola, Carlo Ancelotti, Willy Sagnol, wieder Jupp Heynckes, Niko Kovac und nun Hansi Flick: Konstanz auf der Trainerposition sucht man bei Bayern München vergebens. Neun Trainer in den vergangenen zwölf Jahren sind selbst für europäische Spitzenverhältnisse ziemlich viel.
Dass der Trainer eine enge Verbindung zu Fans und Verein aufbauen kann, wie zum Beispiel Jürgen Klopp bei Borussia Dortmund oder jetzt in Liverpool, ist in München absolut unmöglich. Dass es die Bayern aber auch nicht schaffen, einen Trainer länger als drei Jahre zu halten, lag in der Vergangenheit an einfachen Gründen.
🗣️ Hansi #Flick: "Es ist schade, dass wir nicht den Schritt gehen konnten. Mainz hat das sehr gut gemacht, aggressiv verteidigt und stand kompakt."#M05FCB #FCBayern pic.twitter.com/idBTXEuU2h
— 🏆🏆🏆 FC Bayern 🏆🏆🏆 (@FCBayern) April 25, 2021
Mit Hansi Flick lief es eigentlich so gut. Vorstandboss Karl-Heinz Rummenigge schwärmte nach dem Champions-League-Sieg im September 2020 bereits davon, mit dem Erfolgstrainer und der Mannschaft eine Ära zu prägen. Nun ist die Ära Flick beim Rekordmeister in wenigen Wochen nach gut eineinhalb Jahren aber schon wieder vorbei.
Dabei gelang Flick das Kunststück, an dem sein Vorgänger Niko Kovac scheiterte und das zuletzt Pep Guardiola (2013 bis 2016) schaffte: Er brachte die gesamte Mannschaft hinter sich. Ein schlechtes Wort über Guardiola oder Flick aus dem Spielerumfeld gibt es nicht. Und das trotz der hohen Anforderungen, die Guardiola an seine Spieler stellt.
Niko Kovac und Guardiola-Nachfolger Ancelotti haben hingegen festgestellt, was passiert, wenn man die Stars der Mannschaft gegen sich aufbringt.
Der 48-jährige Kovac musste sich aufgrund seiner sehr defensiven Aufstellungen immer wieder Kritik gefallen lassen. Zudem degradierte er Thomas Müller zum Ersatzspieler. «Es war sehr seltsam für mich, sechs Wochen hintereinander aus der Startelf raus zu sein. Einige Spieler waren müde, ich war fit, habe hart gearbeitet und war trotzdem nicht dabei», blickte Müller damals zurück.
Auch Ex-Bayern-Star Rafinha sparte Anfang März in der «SportBild» nicht mit Kritik an Kovacs Arbeit. «Wenn der Umgang anders gewesen wäre, dann wären wir möglicherweise alle noch da: Arjen Robben, Franck Ribery, James, Mats Hummels, Renato Sanches, Arturo Vidal oder ich. Das wäre nicht unwahrscheinlich gewesen. Aber unter Kovac ging es leider zu Ende.»
Kovac gab sich nach seiner Entlassung Anfang November 2020 selbstkritisch. «Ich habe verstanden, was passiert ist und es wird mir helfen. Man kann nicht alle glücklich machen», sagte er der französischen Zeitung «L'Equipe».
Nicht nur mit einem, sondern gleich mit mehreren absoluten Stars der Mannschaft legte sich Carlo Ancelotti an. Arjen Robben, Frank Ribery, Mats Hummels und Jérôme Boateng beschwerten sich 2017 bei den Bayern-Bossen über die laschen Trainingsmethoden des Italieners. Zudem war ihnen Fitnesstrainer Giovanni Mauri ein Dorn im Auge, der in der Kabine, auf dem Balkon der Geschäftsstelle und auf dem Platz rauchte.
Nachdem die Kritik öffentlich geworden war, setzt der heute 61-Jährige die Stars im Champions-League-Gruppenspiel gegen Paris Saint-Germain auf die Bank. Die Bayern waren chancenlos und verloren mit 0:3. Einen Tag später wurde Ancelotti entlassen.
Uli Hoeness machte im Anschluss deutlich, wie die Machtstrukturen beim Rekordmeister verteilt sind. Er erklärte: «Du kannst als Trainer nicht deine prominentesten Spieler als Gegner haben. Das hätte er niemals durchgestanden». Bayern holte zum vierten Mal Jupp Heynckes nach München. «Es war dringend notwendig, einen Trainer zu finden, der die Sache stabilisieren und zu einem guten Ende bringen würde.»
Auch wenn Heynckes am Ende nur die Meisterschaft holte, im Champions-League-Halbfinale an Real Madrid scheiterte und das Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt verlor, schaffte er es, die Spieler zu einer Einheit zu formen.
Die Schwierigkeit in München ist, dass es mehr als elf Stars in der Mannschaft gibt, die es selten schaffen, ihr Ego hinter den Erfolg des Teams zu stellen. Flick und Guardiola bewiesen das richtige Händchen, doch viele Trainer sind bereits daran gescheitert, die Einsatzzeiten angemessen zu moderieren. Und wer einmal die Spieler gegen sich hat, muss kurze Zeit später gehen.
Der grösste Streitpunkt zwischen Flick und Salihamidžić ist der mangelnde Einfluss des Trainers in Sachen Kaderplanung. Wer neu verpflichtet wird, wessen Vertrag nicht verlängert wird und wer verkauft wird, planen aktuell Sportvorstand Hasan Salihamidžić und Chefscout Marco Neppe. Eine endgültige Entscheidung über Millionentransfers trifft der Vorstand gemeinsam.
«Die Kaderplanung ist Vorstandssache bei den Bayern. Ich war auch Trainer bei den Bayern, ich hatte kaum einen Einfluss auf die Kadergestaltung», sagte Felix Magath, der mit den Münchnern 2004/2005 und 2005/2006 jeweils Meisterschaft und DFB-Pokal gewann, in der TV-Sendung «sky90».
Während Magath damit umgehen konnte, gibt es viele Ex-Trainer, die mit dieser Arbeitsweise nicht klarkamen. Deshalb bezeichnete auch Louis van Gaal (Trainer von 2009 bis 2011) die Anstellung in München als «härtesten Job» seiner Karriere.
«Der grosse Unterschied zu anderen Vereinen war, dass dort viele Ex-Spieler involviert waren. Alle wollten mitreden und das Geschehen beeinflussen», sagte der heute 69-jährige in einem Interview mit dem Magazin «11Freunde». So schilderte es auch Ex-Coach Carlo Ancelotti: «Ich denke, es gab ein Philosophie-Problem. Sie wollten die Dinge nicht verändern, aber ich habe es getan». Mit «sie» meint er das damalige Führungstrio Rummenigge, Hoeness und Salihamidžić.
Lediglich bei Pep Guardiola knickten die Münchner nach seiner öffentlichen Forderung («Thiago oder nix!») ein und verpflichteten den Spanier, der eigentlich kurz vor einer Unterschrift bei Manchester United stand. Doch die Bayern-Bosse weigerten sich, andere Wunschspieler Guardiolas wie İlkay Gündoğan oder Kevin de Bruyne zu kaufen. Sie seien «nicht bereit gewesen, eine Riesen-Ablöse zu bezahlen», sagte Guardiola. Der Spanier bewertete das Münchner Modell als «sehr speziell», verlängerte seinen Vertrag 2016 nicht und ging zu Manchester City. Dort werden ihm dank des Milliarden-Sponsorings aus Abu Dhabi alle Transferwünsche erfüllt.
Salihamidžić erklärte das vorsichtige Vorgehen der Bayern auf dem Transfermarkt bereits im Mai 2018. «Wir müssen langfristiger planen als einige dieser Klubs, die sich auch mal kurzfristig von einer WM oder EM beeinflussen lassen», sagte er der Süddeutschen Zeitung.
Als Trainer des FC Bayern gilt es, Erfolge zu liefern – egal mit welcher Mannschaft. Gleichzeitig müssen die Trainer auch akzeptieren, dass der Sportvorstand immer die lang- bis mittelfristige Ausrichtung eines Vereins im Blick hat. Was bringt ein Millionentransfer des Wunschspielers des Trainers, wenn der Coach wenige Monate später wieder weg sein sollte und der neue Chef keine Verwendung für den Spieler hat?
Jedes Jahr Titel zu gewinnen, bedeutet aber auch einen enormen Druck für den Trainer. Selbst der Gewinn der deutschen Meisterschaft reicht manchmal nicht aus, um seinen Job beim FC Bayern zu behalten.
Anders als Jürgen Klopp bei Borussia Dortmund oder nun in Liverpool hat der Trainer in München keine Chance, mal eine Saison nur auf Platz 3 oder 4 abzuschliessen. Die Entwicklung von jungen Spielern ist nur erlaubt, so lange der Verein auch Erfolge feiert. Misserfolg wird beim Rekordmeister schlicht nicht geduldet. «Der Druck in München ist sehr gross», resümierte auch Niko Kovac. Er gewann Meisterschaft und DFB-Pokal, musste nach einem schwachen Saisonstart aber gehen und wurde durch seinen Assistenten Flick ersetzt.
«Es ist der Anspruch von Bayern München, Deutscher Meister zu werden», machte auch der scheidende Cheftrainer Hansi Flick auf einer Pressekonferenz am Freitag noch einmal deutlich.
«Es ist nicht einfach zu handhaben, aber wir sind da, um Titel zu gewinnen», beschrieb Niko Kovac in der «L'Equipe» die vermeintlich einfache Aufgabe für Trainer des FC Bayern. Ähnlich erklärte es auch Hansi Flick am vergangenen Freitag. «An erster Stelle steht immer der Erfolg des Vereins.» Für persönliche Empfindlichkeiten ist kein Platz in München.
Nach Hansi Flick wird sich nun der zehnte Trainer in den vergangenen zwölf Jahren an dieser Aufgabe versuchen. Dabei erklärte Salihamidžić bereits 2018, dass sich an den Prinzipien des Klubs auch weiterhin nichts ändern wird. Er wird besonders darauf achten, «dass ein neuer Trainer unser Bayern-München-Set-up akzeptiert und nicht mit zehn eigenen Leuten hier einmarschiert.»
Bayern-Experte Vjeko Keskic glaubt jedoch nicht, dass zukünftige Kandidaten den Münchnern aufgrund der bekannten Umstände absagen werden. «Bayern ist immer noch eine Top-Adresse in Europa, daher würde es Kandidaten wie Nagelsmann oder ten Haag nicht abschrecken.»
Nun liegt es an Sportvorstand Hasan Salihamidžić, den passenden Nachfolger auszuwählen und von seinem langfristigen Konzept mit dem FC Bayern zu überzeugen. Und vielleicht kehrt dann eine gewisse Konstanz auf dem Trainerposten der Münchner ein.