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5 Dinge, die wir in den Stanley-Cup-Playoffs gelernt haben

Vegas Golden Knights right wing Mark Stone skates with the Stanley Cup after the Knights defeated the Florida Panthers 9-3 in Game 5 of the NHL hockey Stanley Cup Finals Tuesday, June 13, 2023, in Las ...
Mark Stone stemmt den Stanley Cup in die Höhe. Bild: keystone
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Vegas zeigt es allen – 5 Dinge, die wir in den Stanley-Cup-Playoffs gelernt haben

Vegas ist Stanley-Cup-Sieger! Die diesjährigen Playoffs und der Triumph der Golden Knights in der sechsten Saison ihrer Existenz lassen einige Schlüsse zu.
14.06.2023, 15:4314.06.2023, 16:28
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Die Vegas Golden Knights haben in nur sechs Jahren geschafft, worauf andere NHL-Teams schon während ihrer ganzen Existenz warten: Sie gewannen den Stanley Cup. Nicht nur aus dem Triumph der Golden Knights, sondern aus den ganzen Playoffs kann die Konkurrenz ihre Lehren ziehen.

Goalies werden überbewertet

Das soll nicht heissen, dass man in den Playoffs nicht einen Goalie braucht, der gut performt. Aber man braucht nicht unbedingt den absoluten Startorhüter, damit man um den Stanley Cup kämpfen kann. Die zwei Mannschaften im Final sind das beste Beispiel dafür.

Schon vor der Saison war klar, dass die Golden Knights das ganze Jahr über auf ihren eigentlichen Stammgoalie Robin Lehner verzichten müssen. Die Saison startete die Mannschaft aus Nevada mit dem Duo Logan Thompson und Adin Hill. Gute Spieler, aber keineswegs Stars. Während der Regular Season kamen fünf verschiedene Torhüter zum Einsatz – darunter Laurent Brossoit, der die Saison in der AHL begann. Brossoit und Hill bildeten dann auch in den Playoffs den (sehr erfolgreichen) Rückhalt der Golden Knights.

Mit Saves wie diesem führte Hill die Golden Knights zum Stanley Cup.Video: YouTube/SPORTSNET

Mit Sergei Bobrovski haben die Florida Panthers eigentlich einen Stargoalie in den eigenen Reihen. Oder zumindest einen teuer bezahlten Keeper. Denn die Leistungen von «Bob» hinkten seinem Ruf schon einigen Zeit hinterher. Dass die Panthers den Sprung in die Playoffs knapp noch schafften, verdankten sie einem guten Endspurt von Alex Lyon. Die Nummer 3 der Panthers hatte vor der Saison niemand auf der Rechnung. In den Playoffs war es dann wieder Bobrovski, der überzeugte und die Panthers bis in den Final führte.

Das zeigt: Auch Goalies, die auf dem Papier eher durchschnittlich sind, können in den Playoffs heiss laufen. Wichtig ist, dass die Trainer auch den Mut haben, auf den heissen Goalie zu setzen, und nicht blind auf die vorgesehene Nummer 1 vertrauen.

Opfern der langfristigen Gesundheit

Ein Trend, der weitergeht, aber dessen Sinn man durchaus hinterfragen darf. Nachdem die Panthers den Stanley-Cup-Final verloren hatten, wurde bekannt, dass ihr wichtigster Verteidiger Aaron Ekblad trotz mehrerer Verletzungen durchspielte. Der Kanadier brach sich in der ersten Serie gegen Boston einen Fuss. Dann kugelte er sich zweimal eine Schulter aus und kämpfte mit einem Riss in der Bauchmuskulatur.

Panthers-Stürmerstar Matthew Takchuk fehlte im fünften und letzten Finalspiel, spielte davor aber eine ganze Partie mit einem gebrochenen Brustbein. Mag sein, dass diese Verletzungen mit genügend Schmerzmitteln aushaltbar sind. Für die langfristige Gesundheit der Spieler ist intensiver, körperbetonter Sport, während sie mit solchen Verletzungen kämpfen, aber kaum zuträglich.

Das beweist das Beispiel von Jack Eichel. Der US-Amerikaner hat mit Vegas gerade den Stanley Cup gewonnen, aber der Weg dorthin war schmerzhaft und kompliziert. Im März 2021 zog sich Eichel einen Bandscheibenvorfall im Nacken zu. Sein damaliges Team, die Buffalo Sabres, überzeugte den Stürmer, die Verletzung konservativ zu behandeln und weiterzuspielen.

Doch Eichels Zustand verschlechterte sich. Er schlug eine relativ neuartige Operation vor: einen künstlichen Ersatz für die vorgefallene Bandscheibe. Die Sabres lehnten ab. Der Streit resultierte in der Trennung und Eichel wechselte zu den Golden Knights, die ihm die Operation erlaubten. Doch auch dann war das Problem nicht vom Tisch. Eichels Körper sei ein Chaos, nachdem er so lange die Probleme in seinem Nacken überkompensiert hat, erklärte sein langjähriger Chiropraktiker Mark Lindsay.

Eichels Bewegungen seien sehr ineffizient gewesen. So kam er noch einige Zeit nicht an sein früheres Niveau heran. Erst in dieser Saison erinnerte er wieder an den alten Jack Eichel. Das zeigt: Durch Verletzungen spielen ist möglich, die Folgen sind aber nicht immer absehbar.

Regeln? Welche Regeln?

Nicht nur in der Schweiz, auch in Nordamerika sind die Beschwerden über die Schiedsrichter gross. Diese Playoffs haben eindeutig gezeigt, dass das Regelbuch in der NHL nur noch Fantasie ist, sobald es ernst gilt. Den Unparteiischen fehlt jegliche konstante Linie. Ihr einziges Ziel ist es, das Spiel zu managen, sodass keine Mannschaft einen grossen Vorteil aufgrund mehrerer Powerplays erhält.

Anders sind die unzähligen nicht gepfiffenen Fouls in diesen Playoffs nicht zu erklären. Und Situationen, die eigentlich keine Strafen nach sich ziehen sollten, die aber gepfiffen wurden. Einige Beispiele.

Es gäbe noch unzählige weitere Beispiele. Es gibt aber auch noch eine andere Regel, die in der NHL offenbar keine Rolle spielt: der Salary Cap. Das Team der Vegas Golden Knights lag am Ende der Saison nämlich bei einer Lohnsumme von 96,5 Millionen Dollar und damit 14 Millionen über der eigentlichen Salärobergrenze. Gerade die Verträge der Stars wie Jack Eichel, Mark Stone oder Alex Pietrangelo schenkten ein.

Dabei hat Vegas aber keine Regeln gebrochen und war in der Regular Season dank Spielereien mit dem Cap-Reglement (Abschieben von Verträgen auf die Langzeitverletzten-Liste) stets unter dem Salary Cap. Und in den Playoffs muss diese Obergrenze nicht mehr eingehalten werden. Die Golden Knights haben sich die Schlupflöcher im Reglement zu Nutzen gemacht und andere Teams werden ihrem Beispiel folgen, sofern die Liga keine Anpassungen vornimmt.

Eishockey in der Wüste funktioniert …

… aber nicht überall. NHL-Commissioner Gary Bettman muss wohl seinen Traum eines Teams in Arizona aufgeben. Die Coyotes stehen vor dem Aus, nachdem die Stimmbevölkerung von Tempe das für den Klub enorm wichtige Stadionprojekt abgelehnt hat.

Vegas ist nun der Beweis, dass Bettmans Ideen eben doch funktionieren können. Die Golden Knights bieten Spektakel, gaben der Stadt Las Vegas aber vor allem auch das langersehnte Team im US-Spitzensport. Die Golden Knights sind im Gegensatz zu Arizona eine sportliche und wirtschaftliche Erfolgsgeschichte. Mit 965 Millionen US-Dollar liegt die Franchise auf Platz 16 der wertvollsten NHL-Teams. Die Mannschaft war im ersten Jahr ihres Bestehens bereits im Stanley-Cup-Final und hat nun die begehrte Trophäe ein erstes Mal gewonnen.

Es ist möglich, dass die Franchise von Arizona in der Wüste doch noch Erfolg findet, wenn auch an einem anderen Ort. Eine Verschiebung – genannt «relocation» – nach Salt Lake City wird als realistische Option für die Zukunft der Coyotes angesehen.

GMs machen viele Fehler

Die vermutlich grösste Lehre, die aus dem Triumph der Golden Knights gezogen werden kann, lautet: Nur weil eine Person General Manager bei einem NHL-Team ist, bedeutet das noch lange nicht, dass sie NHL-Spieler auch richtig einschätzen und beurteilen kann.

Dass eine Mannschaft, deren Gerüst aus Spielern besteht, die von 30 anderen Teams der Liga als entbehrlich eingestuft wurden, derart grosse sportliche Erfolge feiern kann, sollte den NHL-Managern zu denken geben. Natürlich sind mit Mark Stone, Jack Eichel oder Alex Pietrangelo mittlerweile zusätzliche grosse Kaliber dazugestossen. Aber Spieler wie Shea Theodore, William Carrier, William Karlsson, Reilly Smith oder Jonathan Marchessault sind schon von Beginn an Teil der Golden Knights.

Letzterer wurde nun gar zum wertvollsten Spieler der Playoffs gekürt. Im Expansion-Draft wollte sein vorheriges Team Marchessault so gezielt loswerden, dass es in einem Trade mit Vegas gar noch Reilly Smith obendrauf legte. Das fragliche Team? Die Florida Panthers, die im Stanley-Cup-Final gerade gegen die Golden Knights verloren haben.

Beim Expansion-Draft der Seattle Kraken einige Jahre später liessen sich die General Manager nicht mehr so einfach über den Tisch ziehen. Gewisse Lehren scheinen also bereits gezogen worden zu sein. Doch schlechte Spielereinschätzungen finden immer wieder statt. Dale Tallon, der GM, der Marchessault in Florida ziehen liess, ist nun übrigens Scout und Berater bei den Vancouver Canucks.

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8 Kommentare
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PorcoRosso
14.06.2023 16:02registriert Juni 2019
Das mit dem Salary Cap finde ich einfach noch immer den grössten Witz. Und Vegas ist nicht das erste Team welches diesen Vorteil nutzt. Die Lightnings aus Tampa haben diese Masche auch schon durchgezogen und den Cup gewonnen. Es werden einfach immer wieder die Spieler mit hohen Lohnsummen als Verletzt eingestuft bis die Playoffs anfangen. Danach zählt das alles nicht mehr.
Ich verstehe einfach nicht, wer sich so ein Regelwerk ausdenkt. Und dann noch meint das Schlupfloch wird nicht ausgenutzt.
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