Erneut Ernüchterung für die Fans des HC Davos am Dientag. Nachdem ihr Team zuvor im Heimspiel vom Samstag heroisch den Ausgleich in der Halbfinalserie gegen die ZSC Lions erkämpft hat, waren sie auswärts in Zürich erneut chancenlos. Bereits zum dritten Mal dominierten die Löwen den HCD von A bis Z und erspielten sich so den ersten Matchpuck. Nun geht es aber heute Abend wieder nach Davos, wo bislang immer die Bündner gewinnen konnten.
Das legt die Frage nahe: Was läuft denn anders, wenn die Spiele in Zürich Altstetten oder Davos stattfinden? Warum sind die ZSC Lions zuhause derart überlegen und wie findet der HCD zuhause ein Mittel, um den Löwen doch einigermassen zu zähmen?
Zunächst muss einmal festgehalten werden, dass die Zürcher in allen fünf Spielen mehr vom Spiel hatten. Sie kamen bei 5-gegen-5 jeweils zu Chancen für 2,4 bis 3,4 Tore (Expected Goals). Der grösste Unterschied ist, dass Davos zuhause auch offensiv ein Wörtchen mitreden kann. Während der HCD gerade auch in den Spielen 3 und 5 in Zürich kaum Gefahr kreieren konnte, so waren sie vor eigenem Anhang dort deutlich besser und bewegten sich konstant um zwei Expected Goals.
Wie ist das erklärbar? Für offensive Gefahr ist Davos stark auf seine ersten beiden Sturmlinien angewiesen: das Ausländer-Trio Matej Stransky, Simon Ryfors und Adam Tambellini sowie die Kombination mit Filip Zadina, Simon Knak und Valentin Nussbaumer. Und hier kommt der Heimvorteil ins Spiel.
Das Heimteam im Eishockey hat den zweiten Wechsel auf seiner Seite. Bei einem Bully müssen die Gäste zuerst ihre Spieler aufs Eis schicken und der Heim-Trainer kann entsprechend reagieren und ebenfalls seine gewünschten Spieler aufstellen. Im englischen Fachjargon spricht man von «line matching». In dieser Halbfinalserie fällt auf, dass beide Coaches versuchen, diesen leichten Vorteil auszunutzen.
Wenn die ZSC Lions zuhause spielen, schaut Marco Bayer wann immer möglich, dass die HCD-Linie mit Stransky, Ryfors und Tambellini gegen seine beste Linie mit Denis Malgin, Sven Andrighetto und Rudolfs Balcers spielt. So ist das Davoser Trio gegen die Zürcher Stars eher mit Abwehrarbeit beschäftigt und kann offensiv weniger für Gefahr sorgen. Und Bayer hat immer noch andere gute Linien, die sich um den anderen gefährlichen HCD-Sturm kümmern können. Es gelingt Davos in den Auswärtsspielen so viel seltener, sich in gefährliche Abschlusspositionen zu bringen.
Auf der anderen Seite lässt HCD-Trainer Josh Holden seinen Ausländer-Sturm in den Heimspielen fast ausschliesslich gegen die vierte ZSC-Linie mit Justin Sigrist, Nicolas Baechler und Chris Baltisberger laufen. In der Hoffnung, dass sie so für mehr Torgefahr sorgen können – was in Spiel 2 gut, in Spiel 4 aber nur bedingt funktioniert hat.
Die ZSC Lions profitieren bei ihren Heimspielen so gleich doppelt. Ihr Kader ist viel breiter aufgestellt als jenes von Davos. Auch wenn sie also ihre erste Sturmlinie «opfern» können, um Stransky und Co. aus dem Spiel zu nehmen, haben die Zürcher mit der Linie um Jesper Frödén, Juho Lammikko und Yannick Zehnder sowie Derek Grant, Willy Riedi und Vinzenz Rohrer mehr als genug Qualität, um Davos ins Schwitzen zu bringen.
Davos hingegen fehlt diese Kadertiefe mit den Verletzungen von Enzo Corvi, Tino Kessler und Yannick Frehner. Zudem merkt man Topskorer Tambellini an, dass er immer noch angeschlagen ist, seit er in der Viertelfinalserie gegen Zug einen Crosscheck von Mike Künzle in den Nacken kassiert hat.
Wie immer spielen in einer Playoff-Serie auch die Torhüter eine entscheidende Rolle. Kurioserweise scheint auch hier der Heimvorteil einen Einfluss zu haben. In allen fünf Spielen hat der Goalie der Heimmannschaft die bessere Leistung abgeliefert als sein Gegenüber am anderen Ende des Eises.
Klar ist: Will Davos die Serie gegen den ZSC noch drehen und in den Final einziehen, brauchen sie weiterhin einen starken Sandro Aeschlimann zwischen den Pfosten. Bitter für den HCD-Keeper war, dass er sich in Spiel 5 in Zürich eigentlich auf Augenhöhe mit ZSC-Goalie Simon Hrubec bewegte. Doch er wurde von seinen Vorderleuten im Stich gelassen, die diese gute Leistung nicht mit eigenen Treffern würdigen konnten.
Von dem her freue ich mich bereits, dass der HCD min. 6, bestenfalls 7 Spiele gespielt haben wird. Kleine Hoffnung wäre noch die Unberechenbarkeit einer Belle, wobei auch da klar die Vorteile statistisch beim Heimteam liegen.