Die beste Zeit des Eishockey-Jahres ist da: die Playoffs. Heute steht Spiel 1 in den Viertelfinalserien zwischen Genf und Lugano sowie Biel und Bern an. Morgen werden dann auch die Serien zwischen Zug und Rapperswil sowie Zürich und Davos lanciert. Bevor das erste Bully gespielt wird, analysieren wir die Stärkeverhältnisse in den jeweiligen Duellen.
Der HC Lugano hatte lange Mühe mit dem Toreschiessen, doch gegen Ende der Qualifikation scheinen die Tessiner den Tritt gefunden zu haben. 2,36 Tore pro 60 Minuten 5-gegen-5-Eishockey sind der viertbeste Wert der Liga. Dieser wird von Servettes 2,67 Treffern aber noch einmal deutlich überboten.
Auch hier haben die Genfer leicht die Nase vorn. Bei 5-gegen-5 lassen die Servettiens Chancen für 2,38 Gegentore zu. Da ist Lugano mit 2,6 zu erwartenden Gegentoren etwas schwächer.
Von der Analyse vor den Pre-Playoffs wissen wir bereits: Keine Mannschaft schiesst öfter auf den gegnerischen Kasten als der HC Lugano. Auch bei der Schusskontrolle – also dem Verhältnis zwischen eigenen und gegnerischen Schussversuchen – haben die Tessiner einen Vorteil.
Interessant ist in dieser Sparte auch der Blick auf die Direktduelle. Ausser im ersten Aufeinandertreffen im September hatten die Tessiner stets klar mehr vom Spiel. Das erklärt sich auch mit dem nächsten Punkt.
Die Genfer sind eine Mannschaft, die sich gerne in der gegnerischen Zone installiert, um für Gefahr zu sorgen. Tatsächlich sind die «Grenats» das gefährlichste Possession-Team der Liga. Lugano ist im Verteidigen dieser Szenarien nur Ligadurchschnitt.
Derweil sind die «Bianconeri» das gefährlichste Forecheck-Team der Liga. Und damit bekunden die Genfer ihre liebe Mühe. Nur Zug und Kloten verteidigen Forecheck-Szenarien noch schlechter. Vom Spielstil her dürfte Lugano also einen leichten Vorteil haben.
Eines ist sicher: Goalieprobleme haben beide Mannschaften nicht. Luganos Mikko Koskinen hat in der Pre-Playoff-Serie gegen Fribourg seinen Wert unter Beweis gestellt. Aber auch Gauthier Descloux spielt eine gute Saison, die in der Deutschschweiz unter dem Radar fliegt. Auch an den jeweiligen Ersatzmännern gibt es nichts auszusetzen. Punkt für beide.
Dieser Punkt ist schnell erklärt. Servette hat mit Abstand das beste Powerplay der Liga und mischt auch beim Unterzahlspiel weit vorne mit. Lugano ist in beiden Kategorien unterdurchschnittlich.
Genfs Jan Cadieux und Luganos Luca Gianinazzi sind beide Trainer, die noch nicht lange Chef in der National League sind. Cadieux verpasste letztes Jahr die Playoffs mit einer Niederlage in den Pre-Playoffs gegen … Lugano. Dieses Jahr hat er Servette aber zum Qualisieg geführt. Gianinazzi gewann indes das Coaching-Duell in den Pre-Playoffs gegen Christian Dubé. Punkt für beide.
Servette hätte mit sechs Niederlagen aus den letzten zehn Spielen vor den Playoffs beinahe noch den Qualifikationssieg verspielt. Haben die Genfer die Pause genützt, um sich zu fangen, oder sind sie noch mehr aus dem Rhythmus geraten? Lugano hat derweil im Endspurt überzeugt und mit dem Sieg in den Pre-Playoffs weiter Selbstvertrauen tanken können.
Als Qualifikationssieger ist Genf-Servette in dieser Serie natürlich zu favorisieren. Doch Lugano bringt alle Anlagen mit, um den Romands das Leben schwer zu machen. Die grösste Waffe ist dabei Goalie Mikko Koskinen. Wollen die Tessiner Servette ins Schwitzen bringen, müssen sie in den ersten Spielen der Serie vorlegen. Genfs Trainer Jan Cadieux hat zudem in der Regular Season seine Ausländer schon stark forciert – droht ihnen irgendwann die Luft auszugehen?
Der EHC Biel ist bei 5-gegen-5 gemeinsam mit den SCRJ Lakers das gefährlichste Team der Liga. Die Seeländer erzielen 3,08 Tore pro 60 Minuten. Da kann Bern mit 2,28 Toren nicht mithalten.
In der eigenen Zone sind die beiden Berner Mannschaften auf Augenhöhe. Bei 5-gegen-5 liessen die beiden in der Regular Season Chancen für 2,4 Gegentore pro 60 Minuten zu. Punkt für beide.
Der EHC Biel war, seit Antti Törmänen als Trainer übernommen hat, keine Mannschaft, die auf Schussvolumen setzt, ihnen scheint die Qualität wichtiger zu sein. Entsprechend kontrollieren sie in ihren Spielen auch selten die Mehrheit der Schussversuche. Bern sucht häufiger den Abschluss.
Ganz anders sieht es bei der Qualität der Chancen aus. Dort ist der EHCB meist im Vorteil gegenüber dem Gegner, weil sie auf Qualität statt Quantität setzen. Eine der wenigen Ausnahmen waren die Direktbegegnungen gegen den SCB. Dort hatten die «Mutzen» mehr vom Spiel. Wir geben beiden Mannschaften einen Punkt.
Biels Stärken spielen dem SCB in die Karten. Keine andere Mannschaft produziert so viel Gefahr «off the rush» – also schnell vom Zoneneintritt zum Abschluss – wie die Seeländer. Doch Bern ist eine der besten Mannschaften, wenn es darum geht, solche Rush-Situationen zu verteidigen respektive sie gar nicht zuzugestehen.
Bern wäre anfällig für aggressives Forechecking, ein Mittel, das der EHCB aber nur selten nutzt. Im Angriff ist der SCB selbst bei Forechecking am effizientesten. Und das ist in der Verteidigung die grösste Schwäche der Bieler.
Biels Harri Säteri streitet sich dieses Jahr mit ZSC-Goalie Simon Hrubec um die Krone für den besten Torhüter der Liga. Dass der 33-Jährige auch in entscheidenden Situationen zuverlässig ist, hat er bewiesen, als er Finnland zu Olympia- und WM-Gold führte. Philip Wüthrich hat den SCB in die Playoffs gehext, kommt aber nicht ganz an Säteri heran.
Im Powerplay haben die Seeländer nur einen kleinen Vorteil gegenüber dem SCB (22,15 gegen 21,39 Prozent). Das Unterzahlspiel des EHCB (82,56 Prozent Erfolgsquote) ist aber klar besser als jenes der Stadtberner (75,48).
Toni Söderholm hat den SC Bern auf einem Playoff-Platz übernommen und danach mit der Mannschaft beinahe noch die Pre-Playoffs verpasst. Er hat vor dem SCB noch nie eine Klub-Mannschaft geführt. Antti Törmänen ist seit sechs Jahren Chef beim EHC Biel und hat 2013 seinerseits den SCB zum Titel geführt
Der EHC Biel war gegen Ende der Regular Season eines der formstärksten Teams. Von den letzten zehn Spielen gewannen die Seeländer acht und hätten beinahe Servette noch vom ersten Platz geschubst. Der SCB nimmt natürlich den Schwung aus den gewonnenen Pre-Playoffs mit. Es gab zwar Phasen, in denen die Berner auch mit Kloten ihre Mühe hatten, doch sie waren über die gesamte Serie die bessere Mannschaft.
Auf dem Papier ist diese Serie eine klare Sache. Biel ist Favorit. Sie schiessen mehr Tore, haben die besseren Special Teams und den überzeugenderen Goalie. Aber Biel hat auch noch nie eine Playoff-Serie gegen den SCB gewonnen. Und das Bieler Spiel liegt dem SCB.
Die SCRJ Lakers sind gemeinsam mit Biel das torgefährlichste Team bei 5-gegen-5. Der EVZ ist auf Rang 4 zwar auch nicht schlecht, schiesst pro 60 Minuten durchschnittlich aber rund ein halbes Tor weniger als die St.Galler.
Beide Teams stehen in der eigenen Zone sehr stabil. Zug ist nach Fribourg die zweitbeste Defensivmannschaft der Liga. Die Lakers kassieren pro 60 Minuten rund 0,1 Tor mehr. Hauchdünner Vorteil für den EVZ.
Der EV Zug sucht regelmässiger den Abschluss als die Lakers. Pro Spiel bringen die Zentralschweizer rund vier Schüsse mehr auf den gegnerischen Kasten. Auch bei der Chancenkontrolle (Verhältnis von kreierten und zugelassenen Chancen) haben die Zuger die Nase vorn.
Interessanterweise waren es bei den Direktduellen drei Mal die Lakers, die mehr vom Spiel hatten. Deswegen geben wir beiden Teams einen Punkt.
Hier ist der Vergleich etwas schwieriger. Rapperswil ist schwierig auszurechnen, da es ein vielfältiges Team ist. Egal, ob bei Rush-Chancen, Chancen nach Forechecking oder längerem Puckbesitz – die Mannschaft von Stefan Hedlund ist nirgends überragend gut, hat aber auch nirgends eine grosse Schwäche.
Wollen die Lakers die Serie gewinnen, dürfte ein konsequentes Forechecking das beste Mittel sein. Dort hat der EVZ Schwächen. Die Zuger setzen ihrerseits im Angriff vorwiegend auf Forechecking oder auf Puckbesitz-Spiel. Diese Szenarien hat Rapperswil in der Verteidigung besser im Griff als Rush-Chancen, aber ob das reicht, um die starken Zuger zu stoppen? Eine ausgeglichene Sache.
Die Torhüter waren einer der Gründe, warum der EVZ in dieser Regular Season lange schwächelte. Sowohl Leonardo Genoni als auch Luca Hollenstein blieben hinter den Erwartungen zurück. Rapperswils Melvin Nyffeler war derweil einmal mehr einer der besten Goalies der Liga und Robin Meyer entpuppte sich als zuverlässiger Ersatzmann.
Rapperswil-Jona hat das drittbeste Unterzahlspiel der Liga. Davon kann der EVZ nur träumen, sein PK ist das schlechteste der ganzen Liga. Beim Powerplay sind die Zuger zwar leicht im Vorteil, insgesamt geht das Special-Teams-Duell trotzdem an die Lakers.
Stefan Hedlund ist ein hervorragender Trainer. Er hat die SCRJ Lakers zum konstanten Spitzenteam geformt. Er hat aber auch die Viertelfinal-Serie gegen Davos vergangene Saison nach 3:0-Vorsprung noch verloren. Und er tritt gegen den zweifachen Meistertrainer Dan Tangnes an.
Der EV Zug hat mit einem guten Schlussspurt doch noch den direkten Sprung in die Playoffs geschafft. Von den letzten zehn Spielen der Regular Season gewannen die Zentralschweizer deren sieben. Rapperswil steht mit sechs Siegen zwar nicht viel schlechter da, doch nicht nur, dass, sondern auch wie Zug seine letzten Spiele gewonnen hat, beeindruckt.
Aufgrund der Resultate in der Qualifikation müssten die Lakers eigentlich favorisiert sein. Sie haben einfach das Pech, auf den amtierenden Meister zu treffen, der zuletzt auch noch wieder in Form gekommen zu sein scheint. Trotzdem zeigt der Blick in die Statistiken, dass uns ein Duell auf Augenhöhe erwartet. Entscheidet sich Leonardo Genoni, in den Halbfinal zu kommen? Den Torhütern auf beiden Seiten dürfte eine tragende Rolle zukommen.
Was das Toreschiessen bei 5-gegen-5 angeht, sind beide Klubs im Mittelfeld der Liga zu finden. Die ZSC Lions haben mit 2,43 Toren pro 60 Minuten gegenüber den 2,30 von Davos einen leichten Vorteil.
Sowohl im Tracking von nlicedata.com als auch in den Daten von Andreas Hännis Analytics-Firma 49ing sind die beiden Rivalen, was die Verteidigung angeht, sehr nahe beieinander. Beide gehören zu den besten Defensiv-Teams der Liga, mit einem hauchdünnen Vorteil für Davos. Die Bündner lassen pro 60 Minuten 5-gegen-5-Eishockey Chancen für 2,23 Gegentore zu – 0,08 weniger als die Lions.
Die Zürcher suchen etwas öfter den Abschluss und ihre Schüsse finden auch etwas öfter den Weg aufs gegnerische Tor. Doch was die Qualität der Torchancen angeht, befinden sich die beiden Teams auf Augenhöhe
Insgesamt hat Davos in seinen Spielen eine etwas bessere grundlegende Kontrolle der Chancen. In den Direktduellen war es in drei von vier Duellen allerdings der ZSC, der mehr vom Spiel hatte. So sind die Unterschiede am Ende minim. Punkt für beide.
Auch wenn Davos immer noch gerne schnell umschaltet, so kreieren die Bündner ihre besten Möglichkeiten mittlerweile nach längerem Puckbesitz in der gegnerischen Zone. Die Bündner sind das drittbeste Possession-Team der Liga. Und genau damit haben die ZSC Lions in der Verteidigung am meisten Mühe, wenn sich der Gegner über längere Zeit installieren kann. Da sind sie in der National League nur auf Rang 9 zu finden.
Der HCD selbst hat am meisten Mühe damit, schnelle Gegenstösse zu verteidigen. Durch Forechecking oder längeren Scheibenbesitz sind die Davoser kaum zu knacken. Das Rush-Spiel gehört aber nicht zu den Stärken der Lions.
Davos' Sandro Aeschlimann war nicht mehr so dominant wie noch letzte Saison, dafür hat bei Davos Gilles Senn wieder etwas mehr Konstanz gefunden. Beide HCD-Torhüter verblassen aber gegenüber den Leistungen, die ZSC-Goalie Simon Hrubec bislang gezeigt hat. Der Tscheche ist einer der besten, wenn nicht der beste Keeper der Liga. Bei den Lions fällt allerdings Ludovic Waeber aus, sollte Hrubec sich verletzen, sieht die Goalie-Situation rasch anders aus.
Beim Blick auf die reinen Erfolgsquoten ist der Fall schnell klar. Zürich und Davos haben ein ähnlich gutes Powerplay, die Bündner aber mit Abstand das beste Unterzahlspiel der Liga.
Hier ist zudem der Blick auf die Expected Goals interessant. Der bestätigt die Qualität des HCD-Unterzahlspiels. Bei der Überzahl wird allerdings klar, dass die Zürcher Löwen ein Manko zu haben scheinen. Nur die SCL Tigers spielten sich während der Qualifikation in Überzahl noch weniger Chancen heraus.
Marc Crawford hat den ZSC bereits einmal zum Meistertitel geführt. Er ist ein alter Hase mit NHL-Erfahrung. In Davos führen Waltteri Immonen und Glen Metropolit gemeinsam die Geschicke, beide haben wenig bis gar keine Erfahrung als Cheftrainer.
Der HCD verspielte den Heimvorteil in den Playoffs mit vier Niederlagen in Serie zum Saisonabschluss (unter anderem gegen Ambri und Kloten) noch. Die ZSC Lions verloren zwar das letzte Spiel gegen Bern, waren davor aber doch noch etwas besser in Schuss.
In dieser Serie stellt sich die Frage, was denn jetzt stimmt. Sind die Direktduelle repräsentativ? Dort war Davos dem Anschein nach zumeist chancenlos. Oder stimmt am Ende eben doch die Analyse, dass das Duell auf dem Papier eine enge Kiste ist und der ZSC Davos vom Spielstil her eigentlich liegen müsste? Wir glauben, dass diese Serie enger wird, als viele erwarten.
merci für die Analyse