Drei Männer haben im internationalen Sport am grossen Rad gedreht wie nie jemand vor ihnen – und wie nie mehr jemand nach ihnen. IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch (im Amt von 1980 bis 2001), FIFA-Chef Joao Havelange (1974 bis 1998) und Formel-1-Titan Bernie Ecclestone (1970 bis 2007).
Alle drei hatten das Glück, die richtigen Männer zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Alle drei übernahmen notorisch defizitäre globale Sportorganisationen und verwandelten sie in weltweit operierende Milliarden-Unternehmen. Alle drei wurden für die beispiellos erfolgreiche Kommerzialisierung heftig kritisiert. Alle drei brachten den Schwefelgeruch der Korruption und des Bösen nicht aus den feinen Massanzügen.
Die FIFA, das IOC und die Formel 1 verdanken die globale Ausstrahlung und die Milliardengewinne diesen drei Männern. Oder um es in den Worten des britischen Kriegers, Dichters und Politikers Winston Churchill zu sagen: «Nie verdankten so viele so wenigen so viel.» Und mit ein wenig Zynismus können wir feststellen: Macht und Reichtum schaden der Gesundheit nicht. Juan-Antonio Samaranch wurde 90 Jahre alt, Joao Havelange gar 100 Jahre und Bernie Ecclestone ist 86.
Zwischen 1970 und 1990 verliert der Sport seine kommerzielle Unschuld und seine Romantik. Es sind die 20 Jahre des wilden, ungezügelten Sportkapitalismus, durchaus vergleichbar mit dem Frühkapitalismus in den USA oder der Zeit der anfänglich ungezügelten Privatisierung nach dem Zusammenbruch des Kommunismus. Nie vorher und nie seither hatten Einzelne so viel Gestaltungskraft wie in dieser Zeit. Um es salopp zu sagen: Ohne Bestechung auf verschiedensten Ebenen (also ohne Korruption) wäre es nicht möglich gewesen, die Formel 1, das IOC und die FIFA zu Milliardenkonzernen auszubauen.
Nur weil Funktionäre unanständig viel Geld verdienen konnten, überliessen sie einem Einzelnen so viel Macht, dass er ihre Welt zu verändern vermochte. Geben und nehmen. Bestechen und bestochen werden. Schon der grosse Cicero, Politiker, Anwalt, Schriftsteller und Philosoph, der klügste Mann des alten Rom, sagte: «Zu Reichtum und Macht führen viele Wege, und die meisten von ihnen sind schmutzig.»
Früher als ihre Zeitgenossen erkennen Juan Antonio Samaranch, Joao Havelange und Bernie Ecclestone in der heraufziehenden Globalisierung der TV-Welt, die attraktive Programme braucht, die schier unbegrenzten kommerziellen Chancen des Sportes in einer Gesellschaft, die wie nie mehr seit den Römern nach Brot und Spielen giert. Um diese Chance zu nutzen, müssen die drei ihren Sport auf eine Linie bringen, für eine einheitliche Präsenz auf dem TV-Markt sorgen und alle Entscheidungsgewalt auf sich vereinigen. Nur so ist es möglich, die grossen TV-Deals auszuhandeln und die weltweite TV-Präsenz zu kapitalisieren.
Als Juan Antonio Samaranch sein Amt antritt, sind die Olympischen Spiele das grösste Minusgeschäft der Sportgeschichte und das IOC ist froh, wenn es seine Rechnungen bezahlen kann. Die Stars dürfen kein Geld verdienen (Werbeverbot). Als der Spanier sein Amt nach 21 Jahren abgibt, sind die Spiele ein weltweites TV-Ereignis, das dem IOC Milliarden in die Kassen spült und die olympischen Helden zu Multimillionären macht.
Die FIFA ist beim Amtsantritt von Joao Havelange eine Sportorganisation, die von der Hand in den Mund lebt, ihre Angestellten und Funktionäre nicht besser löhnt als die Stadt Zürich ihre Beamten. Als er nach 24 Jahren sein Amt Sepp Blatter überlässt, ist die FIFA ein globaler Milliardenkonzern und der neue Präsident wird mehr als eine Million Franken im Jahr kassieren.
Als sich der ehemalige Rennfahrer und Rennstallbesitzer Bernie Ecclestone in den 70er-Jahren auf die Führung der Formel 1 konzentriert, ist diese Rennserie ein Abenteuerspielplatz für Männer und fast jeder zahlt drauf. Heute ist die Formel 1 längst ein Milliardenbusiness geworden.
Erst im Windschatten der FIFA, des IOC und der Formel 1 entwickeln sich auch andere Sportverbände, entwickelt sich der Sport überhaupt zu einem weltumspannenden Milliardengeschäft.
Juan Antonio Samaranch, Joao Havelanche und Bernie Ecclestone werden keine Nachfolger haben. Jene, die ihre Posten übernommen haben, sind nur noch Zauberlehrlinge, die geerbte Macht und Pfründe mehr oder weniger geschickt verwalten und, wenn sie nicht realisieren, dass sich die Zeiten geändert haben (und wir uns in den Zeiten zu ändern haben) zu tragischen Helden werden. Wie wohl am dramatischsten der ehemalige FIFA-Vorsitzende Sepp Blatter.
Mit Bernie Ecclestone ist der letzte der grossen, charismatischen Bosse abgetreten. Die Zeit der grossen Bosse und Macher, der charismatischen, autokratisch regierenden Führungspersönlichkeiten ist im internationalen Sportbusiness abgelaufen. Ihre Gestaltungskraft ist stark eingeengt und die grossen Sportverbände (und ihre Funktionäre) geniessen keine juristische Narrenfreiheit mehr.
Aber das System, das sie geschaffen haben, bleibt im Kern weitgehend erhalten. Die erfolgreichen Mächtigen von heute sind kluge Apparatschiks mit juristischer Bildung. Schlaue Netzwerker in Massanzügen, geübt in der Kunst der Hinterzimmer-Politik. Darauf bedacht, in der Öffentlichkeit nicht zu viel Aufsehen zu erregen, Reformen so zu gestalten, dass ihre Pfründe erhalten bleiben, aber in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, nun seien Recht und Ordnung eingekehrt und es gehe nicht mehr so zu und her wie früher.
Fürs grosse internationale Sportgeschäft gilt am Ende des Tages noch immer die Hymne der Rockband Queen aus dem Jahre 1991: «The Show Must Go On».