Roger Federer verliert in Genf sein erstes Spiel auf Sand seit der Halbfinal-Niederlage in Roland Garros 2019 vor 711 Tagen. Nach 1:51 Stunden unterliegt er dem Spanier Pablo Andujar (35, ATP 75) mit 4:6, 6:4, 4:6. Dazwischen liegen Rückschläge, wie sie Federer lange fremd gewesen waren: zwei Operationen am Knie und auch leise Gedanken an einen Rücktritt.
Immer von der Frage begleitet, die über allem schwebt: Gelingt es ihm noch einmal, die Zeit zurückzudrehen und den Anschluss an die Weltspitze zu schaffen? Das ist es, was ihn antreibt: der Wunsch, sich mit den Besten zu messen. Es ist Ausdruck seines Selbstverständnisses, dass er sich zum Ziel gesetzt hat, in Wimbledon wieder um den Titel zu spielen.
Dafür setzt Federer alles auf eine Karte: Turniere auf Sand wie in Genf und in zwei Wochen in Roland Garros sind für ihn nur noch ein Mittel zum Zweck, bei denen es darum geht, den Rhythmus zu finden, Vertrauen in den Körper und in die eigenen Fähigkeiten zu fassen. Weil er weiss, dass dies unabdingbare Voraussetzung für Erfolge ist, wie er sie anstrebt.
Und so seltsam das klingen mag für einen, der in seiner Karriere alles gewonnen hat, was man gewinnen kann: Federer muss sich wieder daran gewöhnen, ein Sieger zu sein. Denn seit seiner Rückkehr nach über 400 Tagen Pause hat er bei zwei Turnieren nur einen Sieg feiern können, in Doha verlor er gegen den Georgier Nikolos Basilaschwili (ATP 42), in Genf gegen Andujar.
Federer war bei diesen beiden Niederlagen jeweils der bessere Spieler, entsprechend fällt es ihm schwer, diese zu erklären. In Genf sagte er: «Ich hätte mehr von mir erwartet. Aber es ist, wie es ist. Ich muss das als Teil des Prozesses akzeptieren und weitermachen. Ich habe es probiert, aber zu viele Fehler gemacht.»
Auch eine gewisse Ratlosigkeit ist nicht von der Hand zu weisen. Nachdem er im dritten Satz eine 4:2-Führung aus der Hand gegeben hatte, sagte er: «Ich laufe vom Platz und denke mir: Ich kann so viel besser spielen.» Tennis sei manchmal eben brutal. Für Federer war es zugleich die erste Niederlage auf Schweizer Boden seit 2013 und dem Final bei den Swiss Indoors Basel (gegen Juan Martin Del Potro).
Mit dem Ball kann Federer noch immer Momente kreieren, die einzigartig sind. Er schlug Stoppbälle, Passierschläge und dominierte mit der Vorhand. Nein, das Tennisspielen, von dem er sagt, für ihn sei es wie Velo fahren, hat er nicht verlernt. Doch was Federer fehlt, und das sagt er selber, sind Siege und Matches, die sein Selbstvertrauen nähren.
In Genf war im Vergleich zu Doha vor zwei Monaten, wo zwar auf einem Hartplatz gespielt wurde, ist diesbezüglich kein Fortschritt zu erkennen. «Es ist zwar enttäuschend und frustrierend, so zu verlieren, aber nicht dramatisch», sagte er. «Ich steuerte auf einen Sieg zu, und zehn Minuten später war es vorbei. Das gehört zum Tennis.» Vielleicht sei man das von ihm einfach nicht gewohnt.
Was nur die halbe Wahrheit ist. Tennis war und ist ein Spiel der Momente, das nicht immer derjenige gewinnt, der mehr Ballwechsel für sich entscheidet. Keiner weiss das besser als Federer: 2019 verlor er den Final in Wimbledon gegen Novak Djokovic in fünf Sätzen, obwohl er 14 Punkte mehr gewonnen hatte. Weil er alle drei Tiebreaks verloren und dazu zwei Matchbälle nicht hatte nutzen können.
Seit seiner Rückkehr im Januar 2017, nachdem er sich ein erstes Mal am Knie hatte operieren lassen, hat Federer zwar nur 28 Spiele verloren, hatte aber bei deren 7 mindestens einen Matchball. Das offenbart, dass Federer schon länger nicht mehr der Meister dieser Momente ist, über die er einmal gesagt hat, für sie brauche es Feuer im Bauch und Eis in den Venen.
Was sich geändert hat, sind die Namen jener, denen Federer in solchen Spielen noch unterliegt: vor seiner Pause hatte er in Wimbledon gegen Djokovic nach zwei Matchbällen noch verloren. Nach den beiden Operationen am Knie scheiterte er in Doha an Basilaschwili.
Und gegen Andujar konnte er eine 4:2-Führung im dritten Satz nicht zum Sieg nutzen. Das offenbart: Federer ist noch nicht wieder der Spieler, der er einmal war. Mehr noch: Er ist es schon länger nicht mehr. Und vielleicht wird er das auch nicht mehr. Doch nach allem, was in den letzten Monaten gewesen ist, verdient es grössten Respekt, dass er wieder auf diesem Niveau spielt.
Um in Wimbledon vielleicht doch noch einmal um den Titel spielen zu können, braucht Roger Federer Spiele und Siege wie er ihn nun in Genf verpasst hat. Ihm bleiben nun nur noch zwei Turniere: die French Open Ende Mai und Halle Mitte Juni. Die Zeit wird knapp, die Zweifel grösser.
mit 40 (!) Jahren, nach 2 Operationen am Knie und einer richtig langen Pause... No shit, Sherlock.