Um 22.25 Uhr ist es vollbracht. Der Schweizer Fussball hat seinen Coronameister gefunden. Die Berner Young Boys krönen sich in Sion mit einem 1:0. Der letzte Schritt zum Hattrick ist geglückt. Nicht gerade mühelos zwar. Aber doch ziemlich souverän und abgeklärt. Christopher Martins heisst der YB-Meisterschütze. Es ist der dritte Meistertitel der Berner in Serie.
YB ist ein verdienter und auch ein logischer Meister. Während der Konkurrenz in dieser intensiven Zeit nach der Corona-Pause mit 13 Spielen innert nur sechs Wochen je länger je mehr der Atem ausgegangen ist, drehte Gelb-Schwarz noch einmal richtig auf. Und schuf mit zuletzt fünf Siegen hintereinander und 21 von 24 möglichen Punkten die Differenz. Erstaunlich ist das nicht, weil die Berner das mit Abstand breiteste Kader der Liga haben. Es ist eine direkte Folge des herausragenden Managements von Christoph Spycher.
Letzten Endes verdanken die Berner den Titel aber vor allem den Toren von Jean-Pierre Nsame. 30 Mal traf der 27-Jährige Stürmer bis anhin. Er war einer der wenigen Spieler, die immer Leistung brachten. Die Chancen, dass er bei YB bleibt, sind intakt. Im Winter verlängerte er den Vertrag bis 2023, YB ist nicht unter Zugzwang, unter 12 Millionen Franken wird Nsame nicht zu kriegen sein.
Im Gegensatz zu den beiden Titeln in den vergangenen Saisons musste YB in dieser coronaverseuchten Spielzeit jedoch mächtig leiden. Auch dafür gibt es Gründe. Das Team hat im letzten Sommer einen grossen Umbruch erlebt. Und sah sich seit Beginn der Saison dann auch noch mit riesigem Verletzungspech konfrontiert. Dass dies an die Substanz geht, ist logisch.
Zudem schoss mit dem FC St.Gallen ein grossartiger Widersacher empor, eigentlich fast aus dem Nichts, der sich regelrecht in einen Rausch spielte. Und den erst ganz zum Schluss der Saison etwas die Kräfte verliessen.
Für die tapferen St.Galler bleibt das Fazit: Meister sind sie zwar nicht geworden, aber zumindest Meister der Herzen. Es ist auch mit Rang 2 eine herausragende Spielzeit für Präsident Hüppi, Sportchef Sutter, Trainer Zeidler und die junge, wilde Truppe geworden. Dafür gebührt den Ostschweizern der allergrösste Respekt.
Im letzten Heimspiel der Saison zeigte St.Gallen noch einmal ziemlich viel Spielfreude. Das bereits abgestiegene Xamax leistete zwar kaum Widerstand. Dennoch rauschte Grün-Weiss wiederholt über den Platz. Am Ende stand es 6:0. In der Pause hätte es auch 8:0 statt 4:0 heissen können. Itten gelang in der ersten halben Stunde ein Hattrick. Doch gerade als der wunderbare Mond über dem Kybunpark aufging, erzielte YB sein Meistertor – und beraubte die Ostschweizer damit der letzten kleinen Meisterhoffnungen.
Zurück in die Hauptstadt. Das YB dieser Tage erinnert in vielerlei Hinsicht an den erfolgreichen FC Basel in seinen goldenen Jahren. Sportchef Spycher ist es ein erstes Mal gelungen, ein Meisterteam umzubauen und mit frischen Kräften zu beleben. Spieler wie Captain Lustenberger, der noch nie in seiner Karriere einen Titel gewann, garantieren, dass der Hunger gross bleibt.
Und die vielen Talente auf den richtigen Weg kommen. Stand jetzt ist es darum auch nicht absehbar, dass die YB-Dominanz in den nächsten Jahren abnimmt. Auch wegen Corona. Es gibt einige Schweizer Klubs, die mit grossen Problemen konfrontiert sind. Es ist darum nicht die Zeit für grosse Transfers oder sonstige Engagements, die für eine Vorwärtsstrategie stünden.
Vor allem der FC Basel hat in dieser Saison eine grosse Chance verpasst, den Rivalen aus der Hauptstadt wieder zu überholen. Schuld daran ist alleine er selbst. Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass die hausgemachten Probleme rund um den völlig überforderten Präsidenten Bernhard Burgener ein Ende nehmen würden. Ganz zu schweigen von den finanziellen Problemen.
Am Montag nun endet diese spezielle Saison. Bis vor kurzem sah es danach aus, als käme die Fussballschweiz noch in den Genuss einer Finalissima zwischen YB und St.Gallen. Nun können die Direktbeteiligten die Partie auch ein wenig geniessen. Die nächsten Aufgaben kommen früh genug – im Cup und in den Qualifikationsspielen für Europa.
Meister der Herzen ist für mich auch kein Begriff, den ich mit stolz tragen würde, Vizemeister schon eher...