Es gehört zur Ausbildung jedes angehenden Tennis-Sternchens: Die Nerven bewahren, auch wenn auf der Gegenseite plötzlich der sterbende Schwan auf dem Platz steht. Dies muss Belinda Bencic auf dem Weg zu ihrem zweiten WTA-Titel der Karriere ein erstes Mal erfahren.
Nach dem Gewinn des ersten Satzes im Final von Toronto führt die neue Weltnummer 12 auch im zweiten Satz mit 4:2 und ist drauf und dran, den grössten Titel ihrer Karriere zu gewinnen. Doch zu diesem Zeitpunkt ist der Final des Rogers Cup kein gewöhnlicher Final mehr: Die Partie hat sich schon längst zu einer «mentalen Schlacht» entwickelt, wie auch Bencic später zu Protokoll gibt.
Was war passiert? Simona Halep verlässt nach dem Verlust des ersten Satzes sichtlich angeschlagen den Court und lässt sich an ihrem Bein behandeln. Alles kein Problem, doch ab dem zweiten Satz steht Bencic keiner Simona Halep mehr gegenüber, sondern einer leidende Rumänin, welche dies gerne auch mal zur Schau stellt.
Nicht wenig Schweizer Fans werden sich an dieser Zurschaustellung der Schmerzen geärgert haben. Denn Haleps leidende Körperhaltung und die Beinarbeit einer R8-Spielerin schadeten nicht nur ihrem eigenen Spiel.
Bencic, welche die ganze Woche mit einer beängstigenden Coolness aufgetreten ist, spielt plötzlich mit dem Händchen einer normalen 18-Jährigen, welche gerade ihre Matur-Prüfungen schreibt. Unnötige Fehler schleichen sich ein, wie beispielsweise beim Spielball zum 5:2 im zweiten Satz, als der neuen Weltnummer 12 ein Doppelfehler unterläuft. Halep spielt in dieser Phase plötzlich wieder besser und die Schmerzen auf dem Platz scheinen verflogen zu sein. Deren Begleiterscheinungen bei Bencic sind jedoch noch voll präsent. So geht das zweite Tie-Break des Tages an Halep.
Der Rest der Geschichte ist bekannt: Bencic kann sich nach dem Satzverlust wieder fangen und zieht im Entscheidungssatz gleich auf 3:0 davon, ehe ihr Siegeszug von Haleps Aufgabe gestoppt wird. Nicht nur Bencic findet es «schade», dass ihr bisher grösster Triumph auf diese Weise zu Stande kommt.
@BelindaBencic groooooses kino👍🏻🏆🎩 #WTAToronto #congrats
— nino niederreiter (@thelnino22) 16. August 2015
Dabei darf sie jedoch nicht vergessen, dass sie mit dem Sieg einen wichtigen Schritt in Richtung Weltspitze gemacht hat. Sie hat die Weltnummer 3 nicht bloss mit ihrem Spiel geschlagen, sondern der Rumänin auch mental den Meister gezeigt. Kurze Zeit musste man etwas zittern, doch genau diese Erfahrung kann die 18-Jährige nun mit auf ihren Weg nehmen. Wenn ihr das gelingt, wird der Bencic-Stern bald in seinem vollen Glanz am Himmel leuchten. Oder noch lieber auf Platz 1 der Weltrangliste.
🏆Well done @BelindaBencic !!! 😘 Is anyone thinking of making a WTA tournament in Switzerland someday? 🇨🇭 @mhingis #whatareyouwaitingfor
— Timea Bacsinszky (@TimiBacs) 16. August 2015