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Ausgerechnet gegen die Bayern will der Dortmund die «Angst des Nicht-Gewinnens» ablegen

Harte Zeiten für BVB-Fans.
Harte Zeiten für BVB-Fans.Bild: Bongarts
Vor dem Knüller gegen den Leader

Ausgerechnet gegen die Bayern will der Dortmund die «Angst des Nicht-Gewinnens» ablegen

Bayern gegen Dortmund – das war mal ein Spitzenspiel. Doch vor dem Duell steht es um den BVB so schlecht wie lange nicht. Im Team häufen sich Fehler, auch bei Mats Hummels. Auf der Suche nach Gründen wird der Kapitän immer ungeduldiger.
31.10.2014, 08:1831.10.2014, 21:01
Danial Montazeri, Sara Peschke
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Ein Artikel von
Spiegel Online

Mats Hummels war schon immer anders. Während seine Kumpels den «Kicker» auswendig lernten, empfand der junge Hummels solche Lektüre als Zeitverschwendung: «Ich habe mich früher nie für Interviews mit Spielern interessiert, weil einfach niemand auch nur ansatzweise seine Meinung sagt», erklärte der Verteidiger von Borussia Dortmund der «Zeit». Er schwor sich, nur dann zu reden, wenn er auch etwas zu sagen hat. Das ist in letzter Zeit immer häufiger der Fall. 

Hummels, seit dieser Saison Captain des BVB, sucht nach Worten für die Probleme seiner Mannschaft, nach einer Erklärung dafür, warum sie seit sechs Spielen in der Bundesliga nicht mehr gewonnen hat. Der 25-Jährige hat einen klugen Kopf, er denkt viel, manchmal vielleicht zu viel. Hummels will sich nicht mit Begründungen zufrieden geben, die von einer taktischen Schwäche der Mannschaft ausgehen. Er will Fehler – auch die eigenen, wie etwa gegen Schalke 04 – konkret benennen. 

Ein Captain weiss nicht weiter: Mats Hummels.
Ein Captain weiss nicht weiter: Mats Hummels.Bild: Bongarts

Zu viele individuelle Fehler

So konstatierte er nach dem 0:1 gegen Hannover 96, der Freistossball sei vor dem Gegentreffer «lange in der Luft gewesen», sollte heissen: Torwart Roman Weidenfeller hätte durchaus eine Chance gehabt, ihn zu halten. Um die ohnehin angespannte Stimmung innerhalb der Mannschaft nicht noch weiter zu gefährden, nahm Hummels den Vorwurf am folgenden Tag zurück. Doch im Grunde hatte er nur ausgesprochen, was viele Beobachter gerade denken: Etliche der bislang 15 Liga-Gegentreffer wären vermeidbar gewesen. 

Im Team von Trainer Jürgen Klopp häufen sich die individuellen Fehler; gerade bei Innenverteidiger Hummels, der auf dieser Position vor wenigen Monaten noch eine hervorragende Weltmeisterschaft spielte, dann aber längere Zeit verletzt war. Hummels hat sich auch in der Vergangenheit immer wieder Patzer geleistet, bei der EM 2012 etwa, als Deutschland im Halbfinale gegen Italien ausschied und dem Dortmunder das 0:1 angelastet wurde. Doch bislang schienen das einzelne Aussetzer zu sein. 

Der Frust bei Lukas Piszczek und seinen Kollegen ist momentan gross.
Der Frust bei Lukas Piszczek und seinen Kollegen ist momentan gross.Bild: Bongarts

Der Captain und sein Team in der mentalen Abwärtsspirale

Das ist seit dieser Saison anders. Hummels scheint keinen Ausweg aus der mentalen Abwärtsspirale zu finden, mit jeder Niederlage wird es bei ihm und seiner gesamten Mannschaft schlimmer. Denn je weniger funktioniert, umso mehr Verantwortung will der neue Kapitän übernehmen. Und umso ungeduldiger wird er. Er möchte seine Rolle ausfüllen, am liebsten allein, doch ihre Last wiegt derzeit offenbar zu schwer. Zwei Beispiele: 

7. Spieltag, Dortmund gegen HSV: Die Borussia hat mehr vom Spiel, es fehlen die Chancen. Immer öfter sucht Hummels den Weg ins Mittelfeld, er will den Ball nach vorne tragen und gleichzeitig hinten abräumen. Als Adrián Ramos am Mittelkreis einen Fehlpass spielt, zögert Hummels einen Moment. Er könnte in Richtung Mittellinie vorpreschen, um den Angriff im Alleingang zu unterbinden, oder er könnte zurückweichen und versuchen, seinen Kollegen Zeit zu verschaffen, damit sie zurückeilen und gemeinsam ihr Tor verteidigen können. Hummels entscheidet sich für die Attacke – und kommt zu spät. Hinter ihm lauert Pierre-Michel Lasogga, er schiesst das Siegtor. 

Jetzt auf

9. Spieltag, Dortmund gegen Hannover: Hummels macht zunächst ein gutes Spiel. Als der BVB in Rückstand gerät, geschieht etwas mit ihm. In den drei Minuten unmittelbar nach dem Gegentor patzt er dreimal, unter anderem spielt er im eigenen Strafraum einen Fehlpass, ohne bedrängt zu werden, weil er einen Befreiungsschlag verhindern will. Er will den Erfolg erzwingen, das Resultat sind Fehler. 

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Bild: Spiegel/opta

Das Gegenpressing ist keine unwiderstehliche Waffe mehr

Hummels ist nicht der Schuldige für die Dortmunder Misere in der Bundesliga, steht aber sinnbildlich für sie: Dortmund unterliegt nicht übermächtigen Gegnern. Klopps Elf verliert derzeit gegen sich selbst, Woche für Woche. 

So wird das Gegenpressing, in den vergangenen Jahren die Waffe der Borussia, nicht mehr konstant vorbereitet. Statt sich auf dem Feld gezielt so zu platzieren, dass im Falle eines Ballverlustes das gegnerische Spiel gelenkt und attackiert werden kann, wirkt der BVB oft überhastet, vor allem nach Rückständen. Dabei ist die Mannschaft durch die Rückkehr von Ilkay Gündogan und Shinji Kagawa potenziell stärker beim Rückerobern verlorener Bälle, auf sie könnte sich zum Beispiel Hummels viel mehr verlassen. Doch das Fehlen von Stürmer Robert Lewandowski macht sich immer bemerkbarer. 

Ohne Lewandowski fehlt dem BVB die Durchschlagskraft. Klappt es ausgerechnet gegen ihn und seine neuen Kollegen?
Ohne Lewandowski fehlt dem BVB die Durchschlagskraft. Klappt es ausgerechnet gegen ihn und seine neuen Kollegen?Bild: AFP

«Es ist ein Kampf um Leichtigkeit»

Lewandowski hatte ein anderes Positionsspiel als die nun verfügbaren Angreifer. Er liess sich oft ins Mittelfeld zurückfallen, war ständig anspielbar. Ramos, Ciro Immobile und Pierre-Emerick Aubameyang suchen deutlich häufiger den Weg hinter die gegnerische Abwehrkette. In dem Versuch, sie einzusetzen, agiert die Mannschaft mitunter kopflos. Sobald der BVB einen Rückschlag erleidet, bricht alles in sich zusammen. 

So fahrig und unkonzentriert seine Spieler oft auf dem Platz aussehen, so mitgenommen wirkt der Trainer. Auf der Pressekonferenz vor dem DFB-Pokalspiel gegen den FC St. Pauli erschien Klopp blass, er sprach leise, hielt den Blick gesenkt. «Es ist ein Kampf um Leichtigkeit», sagte er, «die Angst vor dem Nicht-Gewinnen ist da.» Seinen Spielern fehle die nötige Ruhe, richtige Entscheidungen zu treffen, sie seien verwirrt und könnten sich nicht richtig auf das Hier und Jetzt konzentrieren. 

Jürgen Klopp erlebt beim BVB eine seiner schwierigsten Wochen in Dortmund.
Jürgen Klopp erlebt beim BVB eine seiner schwierigsten Wochen in Dortmund.Bild: FABIAN BIMMER/REUTERS

Hummels bestätigte diesen Eindruck nach dem gewonnenen Pokalspiel (3:0). Die erste Halbzeit sei ordentlich gewesen, doch in der zweiten Hälfte habe die Mannschaft abgebaut, sagte er: «Das Vertrauen in uns selbst ist gerade nicht so gross.» Der Sieg gegen St. Pauli tue gut, sei aber kein Gradmesser – anders als die Begegnung mit dem FC Bayern am Samstag (18.30 Uhr, Liveticker Spiegel Online): «Mit den Bayern haben wir aber jetzt eine geile Aufgabe. Wenn man sich Selbstbewusstsein holen kann, dann in so einem Spiel.» 

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