Ich war noch nie auf dem Titlis, war noch nie auf dem Jungfraujoch. Erst letzten Sommer bestieg ich erstmals den Pilatus. Auf der Rigi war ich einmal, weil mich vor Jahren ein Geschäftsausflug dorthin führte. Das Matterhorn sah ich erst mit 25 Jahren mit eigenen Augen. Dabei liebe ich die Berge, wandere für mein Leben gerne. Für Touristen gehören diese Berge zum Schweizer Pflichtprogramm. Hat man sie nicht gesehen, war man nicht in der Schweiz.
Sie erklären mir dann, wie schön diese Berge seien, wie eindrücklich, wie mächtig, wie einzigartig. So etwas gäbe es in ihren Ländern nicht. Wie könne ich das nur verpassen? Wie könne ich das nur nicht schätzen? Ich antworte: «Sie sind ist ja immer da. Ich kann irgendwann hin.» Dazu denke ich: «Naja, sooo speziell sind diese Berge ja nun auch wieder nicht.»
Der FC Basel rückt langsam in die Region Titlis, Jungfraujoch oder Pilatus auf. Er vollbringt Jahr für Jahr europäische Wunderdinge, schaltet mit einem Mini-Budget die ganz grossen Teams Europas aus. Wie sensationell die zweite Achtelfinal-Qualifikation in der Königsklasse für den Schweizer Meister ist, lässt sich eigentlich gar nicht in Worte fassen. «Grandios», «sensationell», «fantastisch» beschreibt die Leistung vielleicht am passendsten.
Aber irgendwie haben wir uns zu fest daran gewöhnt. Ich hatte schon gestern Abend das Spiel lange nur mit einem Auge verfolgt, hatte «Wichtigeres» vor. Auch unser User findet die Storys zum FC Basel zwar super, aber die meistgelesenen sind sie bei weitem nicht mehr. Das wäre früher nie passiert. Als Basel in der Saison 2002/03 in der Champions League erstmals so richtig überzeugen konnte, hing die Schweiz vor dem TV und fieberte mit. Man dachte noch, man würde Zeuge von etwas Einzigartigem.
Damals war es noch ein «Märchen», ein Coup, der eigentlich gar nicht war sein konnte. Zwölf Jahre und viele magische Europacup-Nächte später, grenzt der Erfolg fast an eine wissenschaftliche Arbeit. Die aktuelle Leistung ist der bisher grösste Erfolg des FCB. Denn die Art und Weise, wie Basel die Gruppenphase überstand, ist absolut beeindruckend. Auch wenn das die sieben geholten Punkte nicht richtig widerspiegelt.
Rasgrad wurde im Auswärtsspiel dominiert, man verlor unglücklich, vor zwei Wochen wurde Real Madrid auf Augenhöhe begegnet und in Liverpool, in einem der lautesten Stadien der Welt, war Basel in der ersten Halbzeit klar besser und liess danach bis zum 1:1 nichts anbrennen.
Der Weg in die Achtelfinals hat nichts mit Glück oder spalierstehenden Gegnern zu tun, sie ist einfach nur eines: Hochverdient. Und auch wenn die Blauroten in der nächsten Runde logischerweise nur der krasse Aussenseiter sein werden. Verstecken muss sich dieses Team vor niemandem mehr.
Schon jetzt kassiert Basel 4,2 Millionen Franken als Prämie und mit einem ausverkauften Stadion in der Runde der letzten 16 noch einmal drei Millionen. Zum fünften Mal in Serie überwintert der Schweizer Meister europäisch. Was noch vor einigen Jahren ein fast unerreichbarer Traum für Schweiz Teams war, ist für die Bebbi zur Normalität geworden. Präsident Bernhard Heusler sagt nach dem Coup an der Anfield Road ziemlich gelassen: «Das kann kein Zufall sein.»
Tatsächlich ist es kein Zufall. Man mag da und dort von einer «Überraschung» sprechen, aber so überschwänglich wird der Erfolg nicht mehr gefeiert. Die Schweizer Medien schreiben vom «Triumph der Stabilität» und zeigen damit auf: Da ist was zusammengewachsen. Da ist etwas, das länger bleiben kann.
Die Krux am neusten Husarenstück Basels ist, dass es dem FCB langsam ergeht wie unseren bekanntesten Schweizer Bergen: Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, dass wir ihre Schönheit und Einzigartigkeit nicht mehr wahrnehmen. Dabei kennen Fussballbegeisterte mittlerweile selbst in Sambia, wo ich die letzten zwei Wochen verbringen durfte, neben den Schweizer Bergen natürlich auch den FC Basel. Und für mich steht fest: Im Sommer 2015 besuche ich den Titlis und das Jungfraujoch.