Der Einzug in den Final der Champions League hievt nicht nur Atlético Madrid in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Er rückt auch ein ganzes Land in den Mittelpunkt: Aserbaidschan. Denn der zentralasiatische Staat unterstützt den spanischen Klub seit eineinhalb Jahren als Hauptsponsor. «Azerbaijan – Land of Fire» prangt auf der Brust der Spieler.
Aserbaidschan verbindet man hierzulande bislang vor allem mit zwei Fussballereignissen. Im WM-Final 1966 vergewissert sich der Basler Schiedsrichter Gottfried Dienst bei Linienrichter Tofik Bachramow, ob Geoff Hursts Schuss hinter der Linie gewesen ist. Der nickt eifrig, das «Wembley-Goal» zählt. Heute ist das Nationalstadion in Baku nach Bachramow benannt, der Ort des zweiten nennenswerten Ereignisses: Der 0:1-Niederlage der Schweizer Nati, das «Debaku» beim Debüt von Trainer Rolf Fringer.
Der sportliche Erfolg eines Klubs ist immer auch die perfekte Bühne für jeden Sponsor. Wäre Atlético im Halbfinal ausgeschieden, die Trikotwerbung wäre weniger wahrgenommen worden. Nun nach der Qualifikation fürs Finale wird der Klub analysiert; Fussballfans wollen alles über den relativ unbekannten Verein erfahren.
Der Deal zwischen Atlético Madrid und Aserbaidschan wurde im Januar 2013 eingefädelt und vor zwei Monaten verlängert, bis zum Ende der nächsten Saison. Als «zwei Reisegefährten» bezeichnete Atlético-Präsident Enrique Cerezo die beiden Partner. Er freute sich bei der Vertragsverlängerung: «In nur einem Jahr haben wir es geschafft, das Image Aserbaidschans in die Welt hinaus zu tragen, und wir haben die bilateralen Beziehungen mit Spanien unterstützen können.»
Um das Ansehen Aserbaidschans ist es in der Tat nicht zum Besten bestellt. Es aufzupolieren, scheint deshalb der Hauptgrund für das Sponsoring zu sein. Seit mehr als zehn Jahren regiert Ilham Aliyev das ölreiche Land. Er war durch Wahlen an die Macht gekommen, welche die OSZE als «nicht frei und fair» bezeichnet hatte, nach der jüngsten Wiederwahl im letzten Herbst sprach die Opposition von Wahlbetrug.
Seit der Machtübernahme werfen Kritiker Aliyev vor, er wolle Andersdenkende mundtot machen. In der Rangliste der Pressefreiheit rangiert Aserbaidschan auf Rang 160 von 180 Ländern. Erst am Mittwoch, wenige Stunden vor Atléticos 3:1-Sieg bei Chelsea, wurde eine bekannte Menschenrechtlerin aus einem startbereiten Flugzeug geholt und verhört.
Im Dezember 2012 wurde Aliyev von der Gruppierung OCCRP der Titel «Korruptester Mann des Jahres» verliehen, vielen Analysten gilt er als Diktator, US-Diplomaten verglichen ihn in Depeschen als «Mafia-Gangsterboss». Letztmals war das Gebaren des Regimes international ein grosses Thema, als der Eurovision Song Contest 2012 in Baku stattfand.
Atlético Madrid scheint dies nicht zu kümmern. Hauptsache es ist jemand da, der Ende Monat die Löhne bezahlt. Der Klub schiebt einen Schuldenberg von angeblich rund 200 Millionen Franken vor sich her. «Die Beziehung zwischen Aserbaidschan und Atlético ist viel mehr als eine traditionelle, rein wirtschaftliche Beziehung zwischen einem Trikotsponsor und einem Klub», schreiben die Spanier auf ihrer Website. «Die Verbindung hat einen enormen Wert als Werkzeug, um wichtige Ziele zu erreichen.»
Hohle Worte sind das nicht. Atléticos Partnerschaft geht so weit, dass der Klub auch schon zu Freundschaftsspielen und Trainings mit lokalen Talenten in Aserbaidschan weilte. Geplant ist auch, die vielversprechendsten jungen Fussballer in Madrid weiter auszubilden.
Selbstverständlich soll nicht unerwähnt bleiben, woher andere Grossklubs ihr Geld beziehen. Von Ölscheichs aus Katar (FC Barcelona, Paris St-Germain), Herrschern aus Abu Dhabi (Manchester City), via Fluggesellschaft von den Vereinigten Arabischen Emiraten (Real Madrid) oder von russischen Oligarchen (Chelsea, Monaco, Schalke), um nur ein paar Beispiele aufzuzählen. In all diesen Ländern werden entweder Menschenrechte missachtet oder es grassiert Korruption, kurz: Es ist etwas faul in diesen Staaten.
Es ist also angebracht, auch den Trikotsponsor von Atlético Madrid genau zu beleuchten. Das Image des sympathischen Arbeitervereins als Gegenpart zu den Snobs von Real Madrid erhält so zumindest einige Kratzer.