Sport
Dominique Aegerter

Töff-Rockstar gegen Bauernbub – ein Schweizer Duell auf Weltniveau 

Tom Lüthi (vorne) und Dominique Aegerter (hinten) liefern sich ein Schweizer Duell an der Weltspitze.
Tom Lüthi (vorne) und Dominique Aegerter (hinten) liefern sich ein Schweizer Duell an der Weltspitze.Bild: Waldemar Da Rin
Lüthi vs. Aegerter

Töff-Rockstar gegen Bauernbub – ein Schweizer Duell auf Weltniveau 

Werden die Karten im Schweizer Töff-Geschäft nach 12 Jahren definitiv neu gemischt? Dominique Aegerter (23) und Tom Lüthi (27) stehen beim GP von Spanien erstmals nebeneinander in der zweiten Reihe.
03.05.2014, 19:4404.05.2014, 08:32
Mehr «Sport»

Die Rivalität zwischen den beiden Bernern ist medial schon lange angekündigt und zelebriert worden. Doch erst jetzt ist sie voll entbrannt.  

Dominique Aegerter und Tom Lüthi starten in Jerez nebeneinander aus der zweiten Reihe zum GP von Spanien (Sonntag, 12.15 Uhr, SRF 2). Zwei Schweizer in der zweitwichtigsten Töff-WM ganz weit vorne. Das hat es so im GP-Zirkus (seit 1949) noch nie gegeben.

Die Ausgangslage ist auch deshalb reizvoll, weil Dominique Aegerter als bester Starter gilt, Tom Lüthi hingegen regelmässig erst zurückfällt und erst in der zweiten Rennhälfte ganz nach vorne fährt.

Tom Lüthi: Meist in der zweiten Rennhälfte stark.
Tom Lüthi: Meist in der zweiten Rennhälfte stark.Bild: Waldemar Da Rin

Lüthi und Aegerter profitieren voneinander

Diese Ausgangslage zum vierten Moto2-WM-Lauf der Saison dokumentiert Dominique Aegerters neues Selbstvertrauen und Tom Lüthis neue Motivation. Nach durchzogenem Saisonstart (3., 6. und 19.) ist Lüthi jetzt wieder hoch motiviert. Er weiss, dass erstmals hart um seine Position als Nummer 1 im Land kämpfen muss.

Angesprochen auf diese neue Herausforderung sagt Tom Lüthis Freund Manager Daniel M. Epp: «Ich bin für jeden Motivationskick froh, für den ich nicht selber sorgen muss.» Er betont, der Erfolg des einen gehe nicht auf Kosten des anderen Fahrers. «Beide haben ihre Sponsoren und ihr eigenes Team. Wenn beide erfolgreich sind, profitieren auch beide von grösserem Interesse und höherer Akzeptanz.»

Tom Lüthi spürt den Atem von Dominique Aegerter im Nacken.
Tom Lüthi spürt den Atem von Dominique Aegerter im Nacken.Bild: Waldemar Da Rin

Aegerters Kung-Fu-Kick im Training bei voller Fahrt

Natürlich ignorieren sich die zwei Töffhelden gegenseitig. Wie es sich für coole Asphaltcowboys gehört. Artig sagt Tom Lüthi: «Die Startposition in der zweiten Reihe ist wichtig. Neben wem spielt keine Rolle.» Dominique Aegerter macht cool eine wegwerfende Handbewegung und sagt: «Ach, spielt keine Rolle.»

Dominique Aegerters neues Selbstvertrauen ist offensichtlich. Jetzt tut er, was getan werden muss. Er hämmert und tritt im Zorn so heftig auf sein Bike, dass er an Händen und Füssen verarztet werden muss. Er attackiert einen Konkurrenten im Training in voller Fahrt mit einem Kung-Fu Fusstritt, verfehlt ihn nur knapp und wird hinterher in der Box von den Offiziellen ermahnt. Ein Berner dreht durch. So scheint es wenigstens auf den ersten Blick. Doch es ist etwas anderes: Dominique Aegerter ist endlich aus dem Schatten seines Idols Tom Lüthi getreten und hat seine ganz eigene Rennfahrer-Persönlichkeit entwickelt.

Dominique Aegerter: Findet sich in der Moto2-Welt immer besser zurecht.
Dominique Aegerter: Findet sich in der Moto2-Welt immer besser zurecht.Bild: Waldemar Da Rin

Berechtigter Zorn Aegerters

Der Zorn war berechtigt: Ein Motorenschaden hatte ihn beim Saisonauftakt in Katar um eine Spitzenklassierung gebracht. Der Kung-Fu-Angriff am Freitag im zweiten Training hier in Jerez gegen Sandro Cortese war notwendig: Der Deutsche hat die Unart, auf der Ideallinie auf einen schnellen Konkurrenten zu warten um in seinem Windschatten schnelle Zeiten zu fahren. Er ist Ärgernis und Gefahr zugleich. 

Aus Dominique Aegerter, dem scheuen eher auf Anpassung bedachten Buben ist definitiv ein Rock’n’Roller mit enormem Star-Potenzial geworden. Er hat zwar Tom Lüthi bereits mehrmals besiegt und die letzte WM sogar vor seinem Kindheitsidol beendet. Aber Daniel M. Epp beeilte sich nach dieser Niederlage zu verkünden, Tom Lüthi sei die wahre Nummer 1 im Land und nur wegen Verletzungspech in der WM-Endabrechnung erstmals von einem Schweizer besiegt worden. 

Kann Aegerter Lüthi auch besiegen, wenn beide die ganze Saison über fit bleiben?
Kann Aegerter Lüthi auch besiegen, wenn beide die ganze Saison über fit bleiben?Bild: AFP

Kampf der Kulturen

Auch im Fahrerlager ist die Konkurrenz zwischen den beiden Schweizer Teams erstmals sichtbar: Dominique Aegerters Teamchef Fred Corminboeuf hat in Italien ein neues «Hospitality-Schloss» bauen lassen. Grösser, geräumiger als das von Tom Lüthi. Um die Gäste noch besser bewirten und die Chronistinnen und Chronisten besser bedienen zu können. Corminboeufs Gasthaus ist inzwischen im Fahrerlager für Speise und Trank die erste Adresse für Schweizer. 

Letztlich ist es ein Kampf der Kulturen, der da entbrannt ist. Der Bauernbub Tom Lüthi personifiziert das alte, gotthelfsche Emmental. Ein bodenständiges, freundliches Selbstvertrauen, das sich im geregelten Privatleben mit Langzeitfreundin Fabienne Kropf zeigt.  

Tom Lüthi
Geburtstag: 6. September 1986
Wohnort: Oberdiessbach bei Thun (BE)

Grösse: 172 cm

Gewicht: 65 kg

Zivilstand: ledig, in festen Händen (Freundin Fabienne).

Beruf: Rennfahrer, keine Berufslehre.

Einkommen (geschätzt): 500'000 bis 650'000 Franken brutto (leistungsabhängig)

Facebook-Fans: 24'000 
Im GP-Geschäft seit 2002: 183 GP-Starts (67 125 ccm/47 250 ccm/69 Moto2.
34 Podestplätze (10 125 ccm/2 250 ccm/22 Moto2)
7 Siege (5 125 ccm/1 Moto2).


Maschine: Suter


Stärken: Erfahrung, Kampfgeist, Leidensfähigkeit, Talent, technisches Verständnis, reifenschonender Fahrstil.


Schwächen: Gemessen am Talent zu viele Stürze, mehrere Rennen wegen Verletzungen verpasst. In der Regel kein guter Starter. Ist nur mit perfekt abgestimmtem Bike schnell.


Aktuell: WM-6., 4. Training GP von Spanien, 2. Startreihe. Diese Saison: 3./6./19. 

Der Garagistensohn Dominique Aegerter ist die Verkörperung des modernen, urbanen Emmentals: Keckes Selbstvertrauen, das Privatleben eines Rockstars ohne feste Freundin und doch immer der Sport an erster Stelle. Ein Proteststurm brandete durchs Facebook, als er im Scherz am 1. April seinen Status von «Single» auf «Beziehung» stellte. 

Dominique Aegerter
Geburtstag: 30. September 1990

Wohnort: Rohrbach bei Langenthal (BE)

Grösse: 169 cm

Gewicht: 74 kg

Zivilstand: ledig

Beruf: Rennfahrer, keine Berufslehre

Einkommen (geschätzt): 300 000 bis 450 000 Franken brutto (leistungsabhängig).

Facebook-Fans: 6000 
Im GP-Geschäft seit 2006: 123 GP-Starts. (52 125 ccn/71 Moto2)
3 Podestplätze (Moto2), kein Sieg 
Maschine: Suter


Stärken: Selbstvertrauen, Startschnelligkeit, Kondition, Kampfgeist, Konstanz (noch kein Rennsturz in der Moto2-WM). Noch nie ein Rennen wegen Verletzungen verpasst. In der Regel im Rennen besser als im Training. Ist auch mit einem nicht perfekt abgestimmten Bike schnell.


Schwächen: Oft im Training zu wenig schnell und damit nicht optimale Ausgangslage fürs Rennen. Agressiver Fahrstil «frisst» Reifen.


Aktuell: 5. WM, 5. Training GP von Spanien, 2. Startreihe. Diese Saison: Defekt/3./4. 

Die Wachablösung könnte in dieser Saison Tatsache werden

Unter Druck sucht der ohnehin eher introvertierte Tom Lüthi die Nestwärme seines Teams. Der extrovertierte Dominique Aegerter findet hingegen immer mehr seine Rolle im offensiven Umgang mit seiner Popularität. Im Ausgang. Oder salopp gesagt: Bauernbub gegen Rockstar. Beide auf ihre ganz eigene Art und Weise in einem der härtesten Sportarten der Welt erfolgreich.  

Es ist durchaus denkbar, dass die Karten im Schweizer Töffgeschäft jetzt neu gemischt werden und Dominique Aegerter am Ende der Saison die Nummer 1 der Schweiz sein wird. Nachdem Tom Lüthi diese Position seit 2002 unangefochten inne gehabt hat. 

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Niederlage gegen Finnland – Schweiz verliert nach 2:0-Führung
Das Schweizer Nationalteam startet mit einer Niederlage in die Saison. Das Team von Trainer Patrick Fischer unterliegt im Rahmen der Euro Hockey Tour in Helsinki gegen Gastgeber Finnland nach einer 2:0-Führung mit 2:3 nach Verlängerung.

In der vergangenen Spielzeit verloren die Schweizer die ersten elf Partien in der Euro Hockey Tour, ehe sie zum Abschluss gegen Tschechien doch noch einen Sieg feierten. Für diese Saison gab Fischer als Ziel heraus, die Resultate ausgeglichen zu gestalten. Der Schwung der WM-Silbermedaille solle mitgenommen werden.

Zur Story