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«Ja, ich würde es hinkriegen, einen Athleten so zu dopen, dass er durch die Kontrolle kommt»

Matthias Kamber ist Leiter von Antidoping Schweiz.
Matthias Kamber ist Leiter von Antidoping Schweiz.Bild: KEYSTONE
Interview mit Antidoping-Schweiz-Leiter Matthias Kamber

«Ja, ich würde es hinkriegen, einen Athleten so zu dopen, dass er durch die Kontrolle kommt»

In Russland wird gemäss einem ARD-Film systematisches Doping betrieben, Betrug und Korruption scheinen an der Tagesordnung zu sein. Was Matthias Kamber, Leiter von Antidoping Schweiz, dazu denkt und wieso sein Gehalt zum Thema wird.
08.12.2014, 06:4608.12.2014, 08:28
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Der ARD-Film mit dem konspirativen Titel Geheimsache Doping – Wie Russland seine Sieger macht stellt nicht nur die Glaubwürdigkeit für einen sauberen Sport in Russland in Frage, sondern lässt den Zuschauer ganz allgemein zweifelnd zurück. Matthias Kamber, Leiter von Antidoping Schweiz, nimmt sich trotz Ferien Zeit, um einige Fragen zum brisanten Bericht zu beantworten.

Zur Person
Matthias Kamber ist seit 1988 in der Dopingbekämpfung und seit 2008 Direktor von Antidoping Schweiz. Früher war Kamber beim Bundesamt für Sport tätig. Der promovierte Chemiker hat die Dopingbekämpfung in der Schweiz namentlich in den Bereichen Prävention und Forschung auf ein im internationalen Vergleich hohes Niveau gebracht. 

Herr Kamber, haben Sie den ARD-Film gesehen?
Matthias Kamber: Ja.

Was waren Ihre ersten Gedanken dazu?
Einerseits bin ich nicht sonderlich überrascht, da es ja schon lange Hinweise gibt, dass vor allem in ehemaligen Ostblockstaaten, welche über einen hohen Grad an Korruption verfügen, solche Dopingpraktiken vorkommen. Überrascht bin ich aber dennoch vom Ausmass des systematischen Dopings, welches hier offenbar betrieben wird.

Wie steht es mit der Ausfuhr von Proben, gibt es da manchmal Probleme? 
Zuerst muss man festhalten, dass Antidoping Schweiz nur die Schweizer Athleten im Ausland kontrollieren kann. International sind die jeweiligen Verbände, beispielsweise der IAAF in der Leichtathletik oder die UCI im Radsport, für die Durchführung der Kontrollen zuständig. Was ich sagen kann ist, dass es für die international tätigen Kontrolleure vor allem früher ein Problem war, die Proben ausführen zu können. Es gibt logischerweise etliche Vorschriften am Zoll. Bei Blutproben ist beispielsweise die Gefahr von infektiösem Material vorhanden, das macht die Arbeit für die Kontrolleure nicht einfacher. Die unterschiedliche Handhabung und Gesetzeslage in den einzelnen Ländern ist ein grosses Manko, aber natürlich schwierig zu ändern.

Wie unterschiedlich ist die Qualität der nationalen Anti-Doping-Agenturen?
Es bestehen grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Es gibt bis jetzt kein System, das einheitlich und international gültig die Qualität einer Anti-Doping-Agentur bewertet. Die Schweiz hat zusammen mit Australien vor ein paar Jahren den Versuch unternommen, die Sache anzupacken. Leider ist aber die ganze Angelegenheit noch nicht so weit. Dies stellt ein grosses Defizit dar, welches wir sicher in Zukunft noch ausmerzen müssen.

In Russland ist die Anti-Doping-Agentur direkt ans Sportministerium gekoppelt und sogar die Regierung scheint einen direkten Einfluss zu haben. Wie kann da die Unabhängigkeit garantiert werden? Und wie sieht es in der Schweiz aus?
Wir sind eine unabhängige Stiftung. Aber auch wir haben beispielsweise Leute von Swiss Olympic und vom Bundesamt für Sport im Stiftungsrat, von diesen Stellen bekommen wir aber rund 95% unserer Finanzen. Es ist aber heute eigentlich überall so, dass die Staaten die nationalen Anti-Doping-Agenturen hauptsächlich finanzieren. Was wäre denn die Alternative? Aber bei uns gab und gibt es keinen direkten Einfluss aus der Politik. Wir können unsere Arbeit und unsere Kontrolltätigkeit unabhängig durchführen.

In der ARD-Dokumentation spricht eine Athletin von Medikamenten, die nur kurz im Körper nachweisbar sind. Stellen Sie einen Trend zur Mikrodosierung fest?
Ja, dieser Trend ist weltweit erkennbar. Vor 25 Jahren waren gewisse EPO-Präparate noch monatelang nachweisbar, heute ist die Aufgabe wegen der kleineren Dosierungen und gewissen neuen Medikamenten viel schwieriger geworden. Deshalb ist es so wichtig, jederzeit – auch in der Nacht – und unabhängig zu testen.

«Ein Trend zur Mikrodosierung ist weltweit erkennbar.»

Die russische Athletin berichtet weiter, dass sie für den Verband vor einem Trainingslager (Anm.: wo gedopt werden soll) eine saubere Urinprobe abgeben musste. Wie lange ist diese haltbar und kann man das ältere Datum einer Urinprobe nicht nachweisen?
Nun, bei einer regulären Kontrolle ist ja immer der Kontrolleur bei der Urinabgabe dabei. Aber wenn wie hier offenbar korrupterweise eine eigene, etwas ältere Probe ins System eingespeist wird, merkt man das nicht. Die Urinprobe ist tiefgefroren sehr lange lager- und haltbar, nur der Unterschied zwischen Fremdurin und Eigenurin ist leicht nachzuweisen.

Matthias Kamber erklärt die Tücken seiner alltäglichen Arbeit. 
Matthias Kamber erklärt die Tücken seiner alltäglichen Arbeit. Bild: KEYSTONE

Die Dauer vom allfälligen Entdecken bis zur Strafe ist im Film sehr lang und erstreckt sich über mehrere Jahre. So verkommt die Strafe zu einer grotesken Angelegenheit …
Es kommt stark auf die verbotene Substanz an. Bei einem direkten Nachweis von zum Beispiel Anabolikas oder EPO geht es relativ schnell, ausser der ganze Zug durch die Instanzen mit dem CAS etc. muss durchgemacht werden. Bei indirekten Nachweisen wie bei strittigen Blutprofilen dauert es dagegen wesentlich länger, um stichhaltige Beweise zu erhalten.

Gibt es Listen, in denen Athleten aufgeführt werden, die beispielsweise die Limite für WM-Olympia an nationale Wettkämpfen erfüllt haben, nachher jedoch trotzdem nicht an die WM oder Olympia reisen?
Nein, die gibt es nicht. Es wäre auch schwierig, solche Listen anzufertigen und praktikabel umzusetzen. Man muss auch den Zusammenhang sehen: Falls sich ein Athlet vor dem Wettkampf verletzt oder trotz erfüllter Limite aufgrund der Länderquote nicht teilnehmen kann, würde er ja auf diese Liste kommen. Zu bestrafen ist jedoch der Umstand – falls dies wahr ist –, dass Länder vor den Wettkämpfen ihre Athleten einer «Ausreisekontrolle» unterziehen und nur die «sauberen» Athleten ausreisen lassen. Die WADA und das IOC verbieten in ihren Reglementen klar eine solche Betrugsmassnahme.

Im Film wird Doping per Kurier geliefert. Die Anschaffung scheint ja ein Kinderspiel zu sein …
Gehen Sie mal ins Internet und geben Sie die Namen einiger verbotener Substanzen ein. Bestellen Sie sie und die Gefahr, dass das Paket am Zoll abgefangen wird, ist relativ klein. Trotzdem: Anabolika werden bei der Paketkontrolle am Zoll als dritthäufigstes illegales Medikament beschlagnahmt, nach Viagra und Schwangerschaftspillen.

«Anabolika wird bei der Postkontrolle am Zoll als dritthäufigstes illegales Medikament beschlagnahmt.»

Der Film, so zugespitzt er auch sein mag, lässt den Glauben an einen sauberen Sport – vor allem in Russland – doch deutlich illusorisch erscheinen.
Man kann das Problem nicht isoliert ansehen. In den ehemaligen Ostblockstaaten sind die Anti-Doping-Strukturen der Länder nicht so ausgebaut wie bei uns im Westen, dies verursacht automatisch mehr Probleme. Es sind aber nicht nur die Oststaaten, auch die Türkei verfügt beispielsweise über schwache Strukturen. Generell kann man sagen: Überall wo ein hohes Mass an Korruption besteht, ist diese Problematik vorhanden, welche sich in verschiedenen Facetten im Sport zeigt – um etwa auch die Wettmafia zu nennen.

Eine hypothetische Annahme: Wenn Sie selbst Athleten dopen müssten, würden Sie es hinkriegen, ohne dass die Athleten entdeckt werden?
Ja, ich wüsste wie. Ich bin auch schon genug lange im Geschäft, um es anstellen zu können. Ausserdem würde ich wesentlich mehr verdienen als jetzt (lacht).

«Ja, ich wüsste wie. Ich bin auch schon genug lange im Geschäft, um es anstellen zu können.»
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4 Kommentare
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Keller Baron
08.12.2014 11:22registriert Juni 2014
Also wenn er schon sagt das er es hin kriegen würde zu Dopen ohne das jemand was merkt, dann können das andere sicher auch.
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